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Städter kriegen es in ländlichen Gefilden mit der durchgeknallten Dorfjugend zu tun – im Grunde ein bekanntes Sujet, aus dem Regiedebütant James Watkins aber einiges rausholen kann.
Kindergärtnerin Jenny (Kelly Reilly) und ihr Freund Steve (Michael Fassbender) wollen ein romantisches Wochenende in der ländlichen Idylle verbringen, doch während der Zuschauer bereits ahnt, dass Böses geschehen wird, zeigt „Eden Lake“ erst mal Idylle in gedehnten Bildern, um den baldigen Einbruch des Übels noch härter wirken zu lassen. Gleichzeitig wirkt das Treiben nie zu harmoniesüchtig, sodass „Eden Lake“ nicht droht in die Gefilde von Parodie oder Kitsch abzurutschen.
Kleinere Konfrontationen mit Jugendlichen stören die Idylle, doch noch scheint es den normalen Rahmen nicht zu verlassen. Bald jedoch werden die Streitigkeiten immer härter und nehmen immer größere Ausmaße an...

Der Clash von Städtern und verschrobenen Dörflern, das erinnert ein wenig an „Straw Dogs“ und tatsächlich hat Watkins’ Film in seinen besten Momenten sogar etwas von Peckinpahs Werk. Ganz dessen Tiefgang darf man nicht erwarten, doch auch Watkins schildert eine Gewaltspirale mit Seitenhieben auf eine Verrohung in der Gesellschaft, z.B. durch wenig fürsorgliche Eltern. Auch ein kleiner Seitenhieb in Richtung des populären Phänomens Gewalttaten mit der Handykamera aufzuzeichnen ist zu finden, bleibt jedoch in Ansätzen stecken. Interessant sind auch die Versuche, die Figuren durchaus als ambivalent darzustellen, z.B. geht Steve gelegentlich auf Konfrontationskurs mit den Jugendlichen, während einige der Kiddies definitiv mehr Skrupel kennen als andere. Selbst das spätere Handeln von Jenny wird durchaus kritisch beleuchtet, wobei auch dies eher Ansätze bleiben und keine großartige Reflektion zum Thema Gewalt darstellt.
Doch „Eden Lake“ will gar nicht mehr als Terrorkino in seiner puren Form zu sein und das gelingt Watkins’ Film wirklich gut. Sicherlich fällt der Mangel an Innovationen gelegentlich auf, durch das Betreten bekannter Pfade wird das Ganze stellenweise etwas vorhersehbar, doch Watkins inszeniert seinen Film mit ordentlich Drive und hält den Spannungspegel durch reichlich Tempo konstant hoch. Sobald die Situation einmal eskaliert ist, verfolgt man sich durch den Wald und belauert einander im Unterholz; wobei einige der Spannungspassagen Suspense pur sind (meist bei den Versuchen der Hauptfiguren sich zu verstecken).

Was „Eden Lake“ allerdings vor allem auszeichnet ist seine Körperlichkeit: Kaum ein Film der letzten Jahre konnte Empfindungen und Qualen seiner Hauptfiguren dermaßen gut für den Zuschauer übersetzen. Dabei ist „Eden Lake“ von der rein graphischen Seite weitaus weniger zeigefreudig als z.B. „Hostel“ oder „Wolf Creek“, doch in der Art der Darstellung wesentlich intensiver und wirkungsvoller. Am besten wohl zu sehen in der Szene, in der Jenny auf der Flucht in eine Eisenspitze tritt und sich diese in einer improvisierten Selbstoperation aus dem Fuß entfernen muss – selten waren körperliche Schmerzen so nachvollziehbar dargestellt wie hier. Vor allem durch die stets nahe an den Protagonisten bleibende Handkamera erweist sich hier als wichtiges filmisches Stilmittel.
Kelly Reilly spielt die Hauptrolle auch extrem gut, denn derartige Körperlichkeit kann man auch nur durch entsprechende Schauspielleistungen so eindringlich darstellen. Ähnlich gut ist auch Michael Fassbender und auch die Darsteller der Jugendlichen (u.a. Thomas Turgoose aus „This is England“) leisten durchweg Überzeugendes.

„Eden Lake“ mag das Rad bzw. das Terrorkino nicht neu erfinden, gelegentlich etwas arg vorhersehbar sein, doch ein wirklich gut gespielter und vor allem ausgesprochen intensiv inszenierter Genrefilm ist James Watkins gelungen. Da können sich „Hostel“ und Co. gerne eine Scheibe abschneiden.

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