Ist mit "Martyrs" der Gipfel des Berges erreicht ? Der französische Horror war in den letzten Jahren ein Garant für spannende aber auch ultrablutige Unterhaltung. Regisseur und Drehbuchautor Pascal Laugier (Saint Ange - Haus der Stimmen) schneidet mit seiner zweiten Regiearbeit nun auch ein aktuelles und sehr brisantes Thema an. Für denjenigen, der selbst Kinder hat, ist "Martyrs" ein deftiger Schlag ins Gesicht. Er bleibt eine Weile im Gedächtnis und ich will ihn ehrlich gesagt kein zweites Mal sehen.
Vor fünfzehn Jahren ist Lucie (Mylène Jampanoi) ihren Entführern entkommen. In Anna (Morjana Alaoui) fand sie eine neue Freundin, doch ein normales Leben ist für sie unmöglich. Es ist Lucie aber gelungen, ihre Peiniger ausfindig zu machen. Sie geht zu deren Haus und erschießt die gesamte Familie. Mit Anna will sie das einigermaßen vertuschen, doch ihre inneren Dämonen zwingen sie Selbstmord zu verüben. Nun ist Anna allein und entdeckt plötzlich eine Art Kellerverließ. Dort findet sie ein weiteres Opfer der Entführer, doch es ist bereits zu spät. Ein paar finstere Gestalten sind im Anmarsch, die Anna nun selbst in das Verließt sperren.
Gerade über die Entführung von Lucie wären ein paar Hintergrundinfos von Nöten. Wir sehen ein abgemagertes und blutverschmiertes Mädchen über ein Industriegelände rennen und später in Rückblenden ist auch zu sehen, wie Lucie letztenendes entkommen konnte. Dies ist aber ein wenig gekünstelt, denn solch eine Organisation sollte schon bessere Sicherheitsvorkerhrungen treffen. Hier stehen alle Türen offen und Lucie kann entfliehen. Wie lange sie ihren Peinigern ausgeliefert war, erfahren wir nicht, oder wie sie überhaupt in deren Hände geriet. Laugier erzählt hier eigentlich zwei Geschichten. Einmal die von Lucie und in der zweiten Halbzeit die von Anna. Wir sehen wie Lucie das Erlebte nicht verdauen kann, sie verstümmelt sich selbst. Sie hat paranoide Wahnvorstellungen und sieht dabei immer eine übel zugerichtete Frau, die sie bei ihrer Flucht aus dem Verließ zurückließ. Allein diese Szenen sorgen für Gänsehaut und auch ansonsten hat es "Martyrs" wirklich in sich.
Der Großteil des Geschehens spielt sich dann in einem Haus, wo Lucies Peiniger wohnen. Nur das Erschießen der beiden Kinder, finde ich zuviel des Guten. Anna versucht ihrer besten Freundin natürlich zu helfen und die Leichen verschwinden zu lassen. Lucie hat derweil wieder Wahnvorstellungen, und verletzt sich selbst. Laugier hält dabei voll mit der Kamera drauf, wenn zum Beispiel ein Arm von oben bis unten aufgeschlitzt wird, oder Lucie ihren Entführern mit dem Hammer den letzten Rest gibt. Vielleicht hätte der Franzose die Gewalt ein wenig herunterschrauben können, es wirkt alles dermaßen real und damit noch grausamer. Doch das Schlimmste kommt erst noch und damit wird die Geschichte leider ein wenig absurd. Nachdem Lucie Selbstmord begangen hat, landet plötzlich Anna im hochmodern ausgestatteten Kellerverließ. Sie wird dort von ihren Peinigern angekettet, bekommt einmal am Tag eine Art Brei zu Essen und eine ordentliche Tracht Prügel. Normalerweise kann das ein Mensch nicht so lange überleben und was mit Anna letztenendes passiert, will ich gar nicht erläutern, ich habe eh schon zuviel verraten.
Auf jeden Fall steht eine ganze Organisation hinter diesen Grausamkeiten, deren Motiv etwas seltsam ist. Das Ende bleibt ziemlich offen und auch ein wenig unverständlich was diese Organisation damit eigentlich bezwecken will. Laugier hält dafür eine einigermaßen plausible Erklärung parat, aber einige Fragen bleiben offen, zum Beispiel der Selbstmord ganz am Ende.
Zu loben sind auf jeden Fall die beiden Hauptdarstellerinnen. Besonders Morjana Alaoui (Marock), die den Löwenanteil der Arbeit erledigt. Sie verkörpert ihre Rolle dermaßen real, dass man meint, sie hätte so etwas schon in Wirklichkeit durchgemacht. Und das verblüffende daran ist, dass sie als Schauspielerin noch eine blutige Anfängerin ist. Bei Mylène Jampanoi (Die purpurnen Flüsse 2, Valley of Flowers) sieht es da anders aus. Sie bringt wesentlich mehr Erfahrung mit, kann aber Alaoui trotzdem nicht ganz das Wasser reichen. Die restliche Darstellerriege bleibt weit dahinter zurück.
"Martyrs" bleibt selbst dem hartgesottenen Filmfan lange im Gedächtnis sitzen. Leider wird die anfangs sehr real gehaltene Story in der zweiten Halbzeit zu absurd. Desweiteren übertreibt es Laugier ein wenig mit expliziten Gewaltszenen und auch die Folterszenen sind schlimmer als in "Hostel" und "Saw" zusammen, weil alles zu real wirkt. Sehr starker Tobak.