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Gleich vorneweg: "Martyrs" ist mit äußerster Vorsicht zu behandeln. Der Film ist äußerst schwer anzuschauen, einen ähnlich hart unter die Haut gehenden Film habe ich denke ich noch nicht gesehen, allenfalls vielleicht mit "Irreversibel" zu vergleichen, wennauch dieser auf sehr andere Art unter die Haut geht. Der schockierende "Funny Games" wirkt fast harmlos gegen die Gewalt in "Martyrs" – und das will wirklich was heißen.

"Martyrs" ist grausam. Es geht um Folter und die Entwicklung des Bewusstseins- und Geisteszustands eines Menschen in kontinuierlicher Folter bis zur todesnahen Erfahrung. Das Ganze ist in eine herkömmliche Thriller-Rahmenhandlung verpackt, die aber nur einen geringen Teil der Spielfilmlänge ausmacht. Gewalt & Gegengewalt und das Opfer-Täter-Verhältnis werden im Zuge der Rahmenhandlung thematisiert, bleiben aber im Ganzen des Films eher nebensächlich.

Den größten Teil der Spielzeit zeigt "Martyrs" nur eines: langfristig andauernde Folter, Folter bis zu dem Punkt, an dem der Körper aufgibt und verstirbt oder aber, wenn er die Tortur bis zu diesem Punkt übersteht, in einen Trance-artigen Zustand übergeht, in dem er seine Umgebung nicht mehr wahrnimmt und eine todesnahe Erfahrung ("near-death experience") erlebt. Der Weg dorthin ist sehr lang und unvorstellbar hart – in diesem Film auch unglaublich hart zu betrachten oder genauer: mitzuerleiden. Als Betrachter des Films wird man zum Zuschauer mit gebundenen Händen – die einzige uns verbleibende Macht ist die, den Kinosaal zu verlassen, den Fernseher/Monitor abzuschalten oder die DVD zu stoppen, ansonsten sind wir gefesselte Mitleidende, müssen das Schicksaal der Gefolterten Schritt für Schritt miterleiden. Wir können wegsehen, aber nicht eingreifen. "Martyrs" ist eine Erfahrung, eine sehr unangenehme Erfahrung, dennoch eine wichtige – sofern man es sich zumuten kann, sich der Tortur des Films auszusetzen.

Vordergründig und offensichtlich kritisiert "Martyrs" mit seinen dramatisch-drastischen Bildern die Brutalität und Unmenschlichkeit von Folter. Der Film kritisiert aber auch den Menschen selbst, der zu derlei Handlungen bereit ist, dessen Gier nach Wissen und der aus Wissen resultierenden Macht keine Grenzen kennt, ihn buchstäblich dafür über Berge zu Tode gefolterter Männer, Frauen und sogar Kinder gehen lässt. Die Geschichte ist fiktiv, aber Folterungen wie diese begleiten den Menschen quer durch die Geschichtsschreibung und geschehen bis zum heutigen Tage tagtäglich. Foltermethoden loten seit eh und jeh immer wieder auf's Neue die Grenzen abartig perverser Fantasie aus – in ihrer Durchführung, nicht als gedankliches Konstrukt! Menschenversuche im sogenannten "Dritte Reich" dürften wohl das deutlichste und bekannteste Beispiel für ähnliche Handlungen sein, doch bei undenkbar Weitem nicht das einzige. Folter ist bis heute real. "Martyrs" trägt sie durch die Thriller-Rahmenhandlung bei uns vor die Haustür, anderorts ist sie alltäglich.

Der Film "Martyrs" darf nicht als brutale Unterhaltung misverstanden werden – er ist nach der Einführung kein bisschen unterhaltend mehr und soll es auch nicht sein. Er zeigt Folter wie sie ist: abstoßend brutal, abstoßend grausam, zerreißend schmerzhaft, niederschmetternd bitter,... Reale Folter ist mit Worten nicht beschreibbar, selbst mit Bildern fast nicht. Aber der Film kommt einer Vermittlung der Grausamkeit des Themas so nahe, wie ich es für einen Film für möglich halte. Ich habe riesigen Respekt vor diesem Monument von einem Film und allen an ihm beteiligten Filmschaffenden.

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