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Die Coen-Brüder gehören zu den wandlungsfähigsten Filmemachern unserer Zeit. Wer nach dem großen Erfolg von "No Country for old Men" gedacht hatte, dass sie mit ihrem nächsten Projekt auf Nummer Sicher gehen würden und einen weiteren düsteren Thriller an den Start bringen, der sah sich getäuscht. "Burn After Reading" ist eine dieser enorm witzigen, schwarzhumorigen Grotesken geworden, die eines der besonderen Markenzeichen der Coens darstellen. Insofern steht der Film ganz in der Tradition von "Fargo", "The Big Lebowski" und "Hudsucker". Also wahrhaft keine schlechten Filme, mit denen sich das jüngste Coen-Werk messen lassen muß. Wer nach dem letzten "witzigen" Film der Regiewunderkinder, "Ladykillers", und dem eher mediokren Vorgänger "Ein (unmöglicher) Härtefall" befürchtet hatte, dass sie es verlernt haben, Zelluloid humorig zu belichten, der kann ganz beruhigt aufatmen: "Burn After Reading" steht in der Tradition der eingangs genannten, mehr als gelungenen Filme. Somit bestätigt dieser Film den Aufwärtstrend, der mit "No Country for old Men" so fulminant losgetreten wurde.

Die Coens sind die Meister der Charakterzeichnung. Auch hier nehmen sie sich Zeit, ihre Protagonisten scheibchenweise vorzustellen. Ganz Coen-typisch ist keiner der Agierenden frei von charakterlichen Makeln, ganz im Gegenteil! JEDER hat Dreck am Stecken, dieser Dreck wird nach und nach enthüllt und verschlägt selbst dem abgebrühtesten Kinogänger oftmals die Sprache. Wie immer erwarten den Zuschauer höchst skurrile Figuren, die immer einen Tick überzeichnet sind, ohne allerdings den Bogen zu überspannen. Zudem schaffen es die Coens alle Protagonisten, bei allen charakterlichen Unzulänglichkeiten, sympathisch darzustellen. Der Zuschauer fiebert mit jedem der Figuren bis zum teilweise bitterbösen Ende mit. Diese Kunst ist ein rar gewordenes Gut in der heutigen Kinolandschaft, die mehr und mehr von zweidimensionalen und im Zweifel sogar langweiligen Charakteren bevölkert wird.

Und so kommen wir zu einem der Prunkstücke dieses Filmes: der Besetzung. Die Coens scharen eine Vielzahl exzellenter Darsteller um sich, um die sie andere Filmemacher nur aus weiter Ferne beneiden können. Dass man die meisten dieser Darsteller aus den vorherigen Werken der beiden Filmemacher kennt, ist sicherlich kein Wunder, schließlich sind die meisten Coen-Filme Prunkstücke in der eigenen Filmografie. Da verpflichtet man sich gern für einen weiteren. Auf alle hochgradig herausragenden Darsteller einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen. Daher soll das Folgende nur stellvertretend für alle, wirklichen tollen Darsteller, gelten. George Clooney, der sich in seiner dritten Coen-Erfahrung befindet, spielt wunderbar vielschichtig, einen leicht schmierigen Ehemann, der seine Frau mit so ziemlich jeder anderen Frau betrügt. Genaugenommen betrügt er also sogar seine "feste" Liebhaberin. Clooney schafft es, trotz wirklich bemerkenswert unsympathischen Charakterzügen, eine Figur zu erschaffen, mit der man mitfühlt, die man teilweise sogar verstehen kann. Ein weiteres Beispiel ist Brad Pitt, der einen strunzdummen Fitnesstrainer darstellt. Gerade für ein Sexsymbol Hollywoods (das gleiche gilt natürlich auch für Clooney) ist es bemerkenswert, wie wenig sich der Mime selbst ernst nimmt und sich permanent auf die Schippe nimmt. Man hat als Zuschauer oft das Gefühl, dass Pitt einen riesigen Spaß an seiner Rolle und den Dreharbeiten hatte. Die superbe Besetzung wird durch Frances McDormand, Tilda Swinton, Richard Jenkins und John Malkovich mehr als abgerundet. Im Gegensatz zu dem derzeit üblichen Actionoverkill, sind hier die Darsteller, die sich allesamt in absoluter Spiellaune befinden, das Eyecandy. Insofern ist "Burn After Reading" ein Hollywood-Film der alten Schule.

Diese wunderbare Besetzung bekommt zudem ein cleveres und ungemein witziges Drehbuch zur Verfügung gestellt, das eine unglaublich Geschichte nach und nach, beinahe behutsam, entspinnt, die ganz Coen-typisch immer weitere Kreise zieht. Wie in so vielen Coen-Filmen beginnt alles recht harmlos, menschliches Fehlverhalten (eines der wichtigsten Themen der beiden Regisseure) bringt dabei einen Stein ins Rollen, der zum Ende des Filmes eine ganze Lawine auslösen wird. Die Coen-Brüder sind die Meister darin, die Handlung genüßlich eskalieren zu lassen. So auch hier: es wird viel Blut am Ende fließen, was auch durchaus drastisch dargestellt wird. Da zeigen die Coens gern mal wieder ihre Zähne. Dies alles erzeugt eine kauzige Farce um amerikanische Geheimdienste, dem Hang zum Ehebruch und dem Verlangen nach dem großen Geld. Sie stellt auf erfrischende Art und Weise dar, wie es Protagonisten ergeht, die scheinbar hilflos in Situationen schlittern, in die sie nicht gehören und damit auch gar nicht umgehen können. Wunderbares Beispiel ist der erste Anruf von Trainer und Dumpfbirne Brad Pitt, der versucht den ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter John Malkovich zu erpressen. Dieser will sich aber weder bedrohen, noch einschüchtern oder erpressen lassen. Dass dieser Anruf völlig in die Hose geht, überrascht da nicht. Totales Versagen bei einem Erpresseranruf wurde aber meines Erachtens noch nie so köstlich in einem Film dargestellt.

Den Coens ist mit "Burn After Reading" wieder ein großartiges Ensemble-Stück gelungen, das an alte Glanzleistungen, wie "Fargo" und "The Big Lebowski" anknüpfen kann. Nach dem harten und düsteren "No Country for old Men" eine willkommene und durch und durch gelungene Kehrtwendung zum skurrilen Humor, die man sich als Fan der genannten Filme keinesfalls entgehen lassen sollte. Nur noch ein Tipp: Man sollte sich im Kino nicht von den schmachtenden Frauen stören lassen, die nur wegen Clooney und Pitt in diesen Film gegangen sind. Denn dann würde man wirklich feine Dialoge und urkomische Situationskomik verpassen!

Fazit:

9 / 10

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