„Routinierte Qualitätsarbeit"
Nach dem finsteren und knochentrockenen Neo-Noir-Western No country for old men sollte es wohl offenbar wieder etwas beschwingter zugehen im Kuriositätenkabinett der Coens. Nicht dass dies sonderlich überraschend käme. Die schrägen Regie-Brüder haben durchaus Erfahrung im komödiantischen Fach (u.a. Arizona Junior, The Big Lebowski). Diesmal richten sie ihren vornehmlich schwarzhumorigen Blick auf eine Handvoll nicht ganz so erfolgreicher Bewohner der US-Hauptstadt.
Burn After Reading bietet ein Kaleidoskop schräger Typen und Situationen, das - wie bei den Coens üblich - nicht auf den schnellen Lacher zielt, sondern sich eher durch die sarkastisch-bissige Hintertür heranschleicht. Vordergründig bekommt man eine Satire auf unfähige US-Geheimdienste serviert, aber wer nur ein oder zwei Werke des unkonventionellen Regieduos gesehen hat weiß, dass auf der Ebene darunter noch eine Reihe weiterer subversiver Angriffe gestartet werden.
Natürlich sind die handelnden Personen bis an die Grenze zur Lächerlichkeit überzeichnet. Allesamt totale Loser, verbindet sie zusätzlich eine enorme Dumpfbackigkeit sowie eine extrem selbstsüchtige Lebenseinstellung.
Da wäre zunächst das Ehepaar Osbourne (John Malkovich) und Katie Cox (Tilda Swinton). Er ein drittklassiger CIA-Analyst, der gerade wegen seines Alkoholproblems gefeuert wurde. Sie eine gefühlskalte Kinderärztin, die lediglich auf Geld fixiert scheint. Um sich an seinem Arbeitgeber zu rächen, beschließt Osbourne in gnadenloser Selbstüberschätzung seine Memoiren zu schreiben. Seine durch und durch egoistische Gattin betreibt hinter seinem Rücken die Scheidung. Ein arbeitsloser Ehemann würde ihr nur auf der Tasche liegen, außerdem pflegt sie schon seit längerem eine Affäre mit dem paranoiden Ex-Personenschützer Harry Pfarrer (Goerge Clooney). Der sport- und sexgeile Regierungsbeamte datet mit Vorliebe über das Internet. Auf diese Weise lernt er auch Linda Litzki (Frances McDormand) kennen. Die Fitnessberaterin wünscht sich nichts sehnlicher als eine operative Runderneuerung. Als ihr blondierter Kollege Chad (Brad Pitt) eine Disc mit Osbournes Memoiren findet, scheinen sich ihre Wünsche zu erfüllen. Der trottelige Chad überzeugt die nicht minder unterbelichtete Linda den Ex-Agenten zu erpressen. Schließlich handele es sich bei dem Material um ultra brisanten „CIA-Shit". Der Misserfolg ist natürlich vorprogrammiert. Aber die beiden Hobby-Erpresser haben noch einen „genialen" Plan B in petto und bieten das Material der russischen Botschaft an ...
Burn After Reading amüsiert nicht durch seine hanebüchene Story - der Plot ist im Grunde nebensächlich - sondern durch die ungemein treffende Satire auf amoralisches Verhalten und grenzenlose Selbstsucht bzw. Selbstüberschätzung. Das völlig verblödete Fitnesstrainergespann Chad und Linda hält Osbournes drittklassige Memoiren für hochbrisantes Geheimmaterial und sich selbst für fähig zuerst die CIA und dann den russischen Geheimdienst zu erpressen. Osbourne sieht sich als Meisterspion alter Schule, der lediglich aufgrund bürokratischer Umstrukturierungen aussortiert wurde. Der notorische Schürzenjäger Harry Pfarrer frönt weiter fröhlich seinem Hobby ohne zu ahnen, dass seine Gattin schon lange Beweismaterial gegen ihn sammelt.
Menschliche Unzulänglichkeiten und moralische Defizite sind aber nicht die einzigen Zielscheiben des Coenschen Spotts. Den ganzen Film über hat die CIA-Führung nicht den geringsten Durchblick (es gibt ein paar urkomische Szenen zwischen den leitenden Agenten, gespielt von „Sledge Hammer" David Rasche und J.K. Simmons (Peter Parkers Verlegerboss in Spiderman)). Dilettantismus wäre noch eine freundliche Beschreibung für deren Umgang mit dem „Problem". Am Ende sind alle zufrieden, so lange die Öffentlichkeit nichts erfährt.
Des weiteren bekommt der US-Fitnesswahn ordentlich sein Fett weg. Der von Brad Pitt mit erstaunlichem Mut zur Selbstironie gespielte Chad Feldheimer rennt permanent mit seinem MP3-Player durch die Gegend und befindet sich offenbar in einer Endlosschleife gymnastischer Übungen. Linda Litzke hat sich ganz der plastischen Chirurgie verschrieben und Harry Pfarrer joggt nach jedem Liebesakt wie ein Bekloppter durch halb Washington.
Bei so viel beißendem Spott und bitterböser Satire wollte wohl auch das illustre Starensemble nicht zurückstecken. Der berühmte Cast glänzt durch die Bank mit ausgelassener Spielfreude. Neben Brad Pitt als grenzdebiler Fitnesstrainer beweist vor allem Frauenschwarm George Clooney einen ausgeprägten Sinn für Humor. Mit dem sexsüchtigen Trottel Harry persifliert er auf höchst unterhaltsame Weise das eigene Womanizer-Image.
Während Frances McDormand und Tilda Swinton gewohnt souverän aufspielen, ist es vor allem John Malcovich der endlich wieder einmal in einer Rolle aufzugehen schien. Ähnlich wie bei Pitt und Clooney spürt man förmlich den Spaß, mit dem der häufig unterforderte Charaktermime bei der Sache war.
Mit Burn After Reading gelang den Coen Brüdern wieder einmal eine schwarzhumorige Farce, die sämtliche Ingredienzien ihrer bewährten Erfolgsformel in sich vereint. Skurrile, vornehmlich dumpfbackige Charaktere schlagen sich durch eine Reihe abstruser Situationen, die am Ende größtenteils unliebsame Überraschungen parat halten. Menschliche Schwächen und Verhaltensmuster werden ebenso gnadenlos bloßgestellt und parodiert, wie diverse Eigenheiten der US-Gesellschaft. Die Coens beobachten genau und legen den Finger gekonnt in die klaffende Wunde.
Der einzige Vorwurf den man hier machen kann, ist die inzwischen doch recht deutlich durchschimmernde Routine. Überraschendes kann ein Kenner und Freund des Coenschen Oeuvres jedenfalls nicht erwarten. Zwar liefern die Regiebrüder gewohnt hohe Qualität, wirken dabei aber auch einen Tick selbstgefällig und satt. Ein Manko das in ähnlicher Weise schon bei ihrem Oscarerfolg zu erkennen war. So ist auch Burn After Reading kein Meisterwerk geworden, aber zu verdammt kurzweiligen 90 Minuten intelligent-subversiver Unterhaltung reicht es allemal.
(7,5/10 Punkten)