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„Arthouse-Karate"

Freunde handgemachter Action haben es nicht leicht heutzutage. Folgendes Szenario gehört seit Jahren zum steinigen Fan-Alltag: Abgehalfterter Ex-B-Action-Star verdingt sich inzwischen in billigen Direct-to-DVD-Produktionen. Für US-Locations reicht längst das Geld nicht mehr, weshalb man gerne auf das zwar farblose und triste, aber erheblich kostengünstigere Osteuropa ausweicht. Ausgefeilten oder gar spektakulären Actionszenen stehen sowohl das schmale Budget, wie auch das fortgeschrittene Alter des Helden im Wege. Mit ein paar schnellen Schnitten, Bodydoubles - oder im schlimmsten Fall „Stock Footage" - kann dieses Manko zwar nicht behoben, aber zumindest mehr oder weniger überzeugend kaschiert werden. Zieht man das Ganze zwei bis drei mal im Jahr durch, reicht es immerhin noch für eine ansehnliche Altersversorgung. Natürlich ist es mit den Milliongagen längst vorbei. Auch der harte Fan-Kern wird immer übersichtlicher und tummelt sich am Wochenende wohl hauptsächlich auf Ü-30-Parties.

Der Kenner hat die einst illustren Namen hinter dieser Beschreibung längst erkannt. Ob Dolph Lundgren, Wesley Snipes, oder Steven Seagal, sie alle haben sich ihren Karriere-Abend sicherlich etwas aufregender und spektakulärer ausgemalt. Das gilt insbesondere auch für „The Muscles from Brussels". Der Belgier Jean Claude van Damme hat sich vom schmächtigen Karateschüler zum selbstbewussten und vor allem selbstverliebten Actionstar hochge(kick)boxt und dabei immerhin mit einigen namhaften Genre-Regisseuren (u.a. Roland Emmerich und Peter Hyams) zusammengearbeitet. Zudem war er als Leading Actor nicht unwesentlich am erfolgreichen Hollywood-Einstand von Genrepapst John Woo beteiligt. Vor diesem Hintergrund und in Kombination mit van Dammes ausgeprägtem Ego, dürfte die oben skizzierte Karriereentwicklung eine besonders bittere Pille gewesen sein.

Im Unterschied zu seinen Kollegen scheint der Belgier allerdings gehörig die Nase voll gehabt zu haben von osteuropäischer Luft und 08/15-C-Produktionen für die Leihvideotonne. Mit seinem neuesten Werk dürfte er jedenfalls hämische Kritikerschar wie leidgeprüfte Restfanklientel gleichermaßen überrascht haben. JCVD ist kein Actionfilm. Er spielt nicht in Bugarien und van Damme mimt keinen EX-CIA-Marine-Delta Force-Navy Seals- Superspezialagentsöldner. Nein, der ehemalige Kickboxweltmeister spielt sich selbst in einem Arthousefilm.
Diesen Tiefschlag muss der Fanmagen erst einmal verdauen. Hat man sich von dem zugegebenermaßen Knockout-würdigen Punch erholt, wird man mit einem cleveren und teilweise hintersinnigen, filmischen Kleinod belohnt, das man keinem der ausrangierten Actionheroen zugetraut hätte, am allerwenigsten dem häufig großspurigen Belgier.

Bereits der Anfang punktet mit entwaffnender Selbstironie und schonungsloser Selbstreflexion. Van Damme prügelt und schießt sich (sichtlich außer Atem) in einem einzigen Take durch eine gefühlte Hundertschaft genretypischer Sparringspartner. Der arrogante Jungregisseur spricht weder die Sprache seines Stars, noch interessiert er sich für dessen altersbedingte Beschwerden. Im Anschluss sitzt der eben so teilnahmslos Brüskierte zusammengesunken in einem Gerichtssaal und verliert auch noch den Sorgerechtsstreit um seine Tochter. Der gegnerische Anwalt knallt dabei eine ganze Latte von van Dammes Action-DVDs auf den Richtertisch und zählt dabei sämtliche Methoden auf, mit der er seine filmischen Gegner ins Jenseits befördert. So jemand kann natürlich kein vorbildlicher Vater sein.

Es ist dieses fein austarierte Changieren zwischen Komik und Tragik, die dem Film seine Substanz verleiht. Da reflektiert van Damme fünf Minuten lang (ohne Schnitt) über Drogen, oberflächliche Frauenbekanntschaften, Selbstverliebtheit und Inhaltsleere seiner Laufbahn. Dass diese offene Selbstanalyse nicht in Kitsch und Pathos versinkt, ist ein Verdienst des Schauspielers van Damme. Der Belgier offenbart hier ungeahnte mimische Qualitäten, die er jedenfalls jahrelang gut verborgen gehalten hatte.
Ins eher humoristische Lager schlagen die zahlreichen Seitenhiebe auf Genrerivale Steven Seagal. Das Aikido-Moppelchen tummelt sich inzwischen in denselben filmischen Niederungen und hat ihm offenbar eine Rolle nur deshalb direkt vor der Nase weggeschnappt, weil er versprochen hatte, seinen Zopf abzuschneiden. Wenn man weiß, das sich die beiden zu ihren erfolgreichen Zeiten regelmäßig über diverse Printmedien anbrunfteten, gewinnen diese Szenen zusätzlich an Unterhaltungswert.

Eingebettet wird das Ganze in eine Thriller-Rahmenhandlung. Eine durchaus sinnvolle Idee, da van Dammes Selbstreflexionen sicherlich keinen ganzen Film tragen würden. So gerät der Schauspieler auf Heimaturlaub in Brüssel ausgerechnet in einen Bankraub mit Geiselnahme. Auch hier bleibt immer wieder Raum, um Seelenzustand und Lebenssituation des Titelhelden zu beleuchten. Hinsichtlich Verlauf und Ausgang der brenzligen Situation spielen die Macher clever mit der Erwartungshaltung vornehmlich van Damme-erprobter Zuschauer.

JCVD
ist ein melancholisches, selbstironisches und dabei erstaunlich offenherziges Starportrait der ehemaligen Actionikone Jean Claude van Damme. Mit viel Mut zu ehrlicher Selbstreflexion und überraschenden mimischen Fähigkeiten spielt der einstige Kickboxweltmeister sich selbst. Eingebettet in eine Thrillerhandlung geht es insbesondere um seine trostlose Karriereentwicklung. Trotz der eher tragischen Ausrichtung gibt es gerade für Genrefans aber auch einiges zum Schmunzeln. Vor allem die Seitenhiebe auf Hintergründe aktueller Direct-to-DVD-Produktionen früherer Actionstars sowie die Anspielungen auf die jahrelange Rivalität mit Haudrauf-Kollege Steven Seagal haben hohen Unterhaltungswert. Auch für wehmütige Fans von Dolph, Wesley und Steven eine absolute Empfehlung. Sollte man deren Ausschuss der letzten Jahre allerdings für Genrehighlights halten, ist eher Vorsicht geboten. Denn hier droht ein ordentlicher Punch in die Fan-Magengrube. Aber Jean Claude konnte ja auch immer kräftig einstecken, bevor er als strahlender Sieger aus dem Ring stieg. Also gebt dem Mann eine (letzte) Chance. Er hat es sich verdient.

(7,5/10 Punkten)

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