Irgendwann ist auch der größte eingeräumte Kredit mal aufgebraucht, dann haut man daneben, produziert einen Rohrkrepierer, wie er im Buche steht.
„Written, Produced and Directed by M.Night Shyamalan“ war bisher (und das sind immerhin fünf Filme) ein Garant für suspensereiche Genreware mit ureigenster Handschrift, nicht immer überoriginell, aber immer mit bestechender Bildsprache und einem Händchen für den richtigen (unheimlichen) Ton zur rechten Zeit. Auf jeden Fall war das Endprodukt aber immer diskutabel, auch wenn Lob und Kritik sich nicht selten die Waage hielten und das letzte Projekt „Lady in the Water“ bei Publikum und Kritik durchfiel. Dennoch, als modernes Märchen gegen den gewohnten Erzählstrom gab es da für Liebhaber immer noch etwas zu entdecken.
Jetzt ist Shyamalan zurück und nicht „Lady“, sondern „The Happening“ ist zu seinem Rohrkrepierer geworden.
Auf den ersten Blick scheinen wir wieder auf vertrautem Terrain zurück zu sein: ein mysteriöse Prämisse setzt die Dinge in Gang, im Central Park in New York scheint aus heiterem Himmel eine große Masse Personen erst verwirrt und desorientiert, dann scheiden die einzelnen Elemente nacheinander graphisch durch eigene Hand aus dem Leben – und das setzt sich so fort.
Eine mysteriöse Kraft, ein unheimlicher Effekt, eine landesweite Katastrophe – willkommen im modernen B-Movie, der Heimstatt großangelegter Hysterie-, Katastrophen- und Invasionsthriller. Und der Rest vom Film scheint in der Nacherzählung dieser klassischen Form zu gleichen: ein Ehepaar mit Problemen, ein Kind von Freunden, eine Flucht erst aufs dann über Land, immer kleinere Gruppen, mehr Todesfälle und die bange Frage, was denn nun eigentlich geschehen ist.
Wie gemacht für Shyamalans Spezialität, den Schlußtwist, der das Persönliche der Figuren immer mit einer überraschenden Wendung, nicht selten übernatürlicher Natur, verband.
Doch genau diesen Weg wollte der Regisseur diesmal offenbar nicht gehen, es gibt keinen Twist, keine Wendung – stattdessen das genaue Gegenteil. Binnen 15 Minuten im Film wissen wir schon recht gut, was denn nun eigentlich los ist, während die Figuren auf der Flucht noch sehr viel länger über die Hintergründe sinnieren und häppchenweise Infos über die Medien auffangen.
Und prompt tut sich auch hier gleich das erste monumentale Problemloch auf. Ist der Gegenstand der Geschehnisse erst einmal identifiziert, hält sich die Spannung in überschaubaren Grenzen und Überraschungen gibt es so gut wie keine mehr.
Das wird noch mehr betont durch die Tatsache, daß Shyamalan ein Sujet gewählt hat, das sich visuell nur schwierig bis gar nicht überzeugend auf der Leinwand darstellen läßt – es ist nämlich schlicht unsichtbar.
Hier wehrt sich die Natur gegen den Menschen und alles was bedrohlich auf die Charaktere niederfährt oder blickt, sind Bäume, Sträucher, Gräser und eine Menge Wind.
Wind, der beängstigend sein soll – so angsteinflößend, daß in einer Szene die Figuren sogar versuchen, vor ihm zu flüchten, was auf der Leinwand so lächerlich aussieht, wie es geschrieben sich liest.
Den Kardinalfehler, nämlich das Publikum nicht die Ereignisse zusammen mit den Hauptfiguren entdecken zu lassen, sollte man nicht begehen.
Passiert es aber doch, so muß man eben noch andere Pfunde haben, mit denen man wuchern kann.
Hier wird jedoch nicht mal mit Milligramm gefeilscht, der Film beschreibt einzig und allein eine 24stündige Flucht vor einem Phänomen, das nach und nach die Ostküste der Vereinigten Staaten entvölkert und laut herausposaunt, das man das Problem zwar identifizieren, aber eben nicht erklären kann – man macht es sich einfach. Gesäumt von ein paar graphischen Sequenzen, in denen Menschen auf drastische Art ihr Leben lassen, müssen wir halt unserem Ehepaar Eliot und Alma Moor folgen, wie sie ums Überleben kämpfen. Und das auch noch in einer Umgebung, wo nicht einmal filmische Logik noch irgendeine Bedeutung zu haben scheinen, so willkürlich erscheinen die Umstände des Ausbruchs.
Nichts kann man irgendwie begründen, von der Begrenzung des Infektionsgebietes über die Ausbreitungsmodalitäten bis zu der Frage, warum sich einige Leute umbringen und eine andere Gruppe 10m weiter am Leben bleibt. Und warum unsere Helden in einem Haus überleben, das nicht mal ansatzweise Schutz vor irgendwelchen Neurotoxinen bietet.
Aber das ist eh egal bei Figuren wie diesen: einem Naturwissenschaftslehrer, den ein denkbar fehlbesetzter Mark Wahlberg mit der Emotionalität und dem Interesse eines Museumswächters herunterspult. Noch schlimmer seine Frau Zooey Deschanel, die als hauchendes Seelchen Alma mit starken Gefühlsproblemen zu kämpfen hat und auch noch einem angeblichen Vertrauensbruch einer Beinah-nun-gar-nicht-Affäre mit sich herumschleppt, immer kurz vor dem In-Tränen-Ausbrechen. Gemeinsam händeln beide nebenbei ihre nicht vorhandenen Eheprobleme auf Loriot-Niveau und müssen sich immer im unpassensten Moment zu Dialogen herablassen, die mehr Heiterkeit verbreiten, als beabsichtigt war. Und wenn es denn mal lustig sein soll, etwa wenn Wahlberg sich plötzlich von einem Riesenficus bedroht sieht und den mit Beschwichtigungen ruhig stellen möchte, die eines Homer Simpson würdig wären (heißt: er labert einen Plastikbaum mit Schwulst voll), dann kommt dabei die dümmste Szene des Filmjahres heraus.
Die Nebendarsteller sind alle nur Kanonenfutter, selbst John Leguizamo wird relativ schnell verheizt, was auch besser ist, denn die Dialoge sind sperrig und unpassend, an den falschen Stellen emotional und verkantet, an den richtigen Stellen platt und sülzig.
Als wäre das noch nicht genug, hinkt die Dramaturgie ganz gewaltig, der Film verflacht immer mehr, bietet keine Steigerung, keine Spannung und destilliert sich selbst zu einer Art süßlichen Familienzusammenführung zusammen. Von Höhepunkt am Schluß oder Showdown keine Spur, besonders ärgerlich aber, daß Shyamalans Lieblingsthema, die Familie und der Verlust samt Wiedergewinnens von Vertrauen in diesem Zusammenhang keine Bindung findet, die Themen laufen geistlos nebeneinander her.
Das alles ergibt eine Nettospielzeit von gerade mal 85 Minuten (ohne Vor/Abspann), die unfreiwillig lang wirken und mit der Einführung einer halbverrückten Einsiedlerin auf einer verfallenen Farm noch einen absurden Schlenker ins Horrorfach machen.
Mag sein, daß das Grundthema an sich vielleicht kein schlechter Ausgangspunkt war, doch der Flickenteppich an bekannten Motiven und Versatzstücken und die Tatsache, daß es hier fast nichts zu erzählen und noch schlimmer, nichts zu zeigen gibt, lassen jeden Ansatz im Keim verrecken.
Das größte Rätsel hier ist, wie Shyamalan diese kreative Bankrotterklärung als etwas zum filmischen Erzählen Würdiges ansehen konnte und ob ihm im Laufe der Querelen um „Lady“ jegliche Finesse und alles Fingerspitzengefühl abhanden gekommen ist.
„The Happening“ wird seine Karriere nicht ruinieren, aber vielleicht sollte er genau jetzt wieder klein anfangen – mit Ideen und wenig Geld, dafür kann man durchaus mal Form über Inhalt stellen und dennoch Erfolge erzielen.
Re-boot yourself, Mr.Shyamalan! (2/10)