Da hat aber mal jemand ein grosses Frauenproblem.
Fulcis Karriere überstreckte sich über viele Zeitetappen des europäischen Kinos und so ist auch seine Filmographie an wichtigen Filmen eine recht überschaubare aber dennoch beachtliche Ansammlung von Meisterwerken wie The Beyond (1981), Woodoo (1979) und berüchtigten Schmodderstreifen wie Ein Zombie hing am Glockenseil (1981). Tatsächlich waren es auch jene, heute und damals umstrittene Filme, die ihn zu dem machten, was er heute bisweilen durch diese Werke ist. Ein Mythos, eine Legende, der Splatterpapst und "Vorbild" für viele Fans. Doch diese Hochzeit an qualitativ wertvollen Schundreissern sollte wohl so schnell wieder enden, so wie sie auch begann. Fulcis filmischer Niedergang als Parallele auf das komplette italenische Kino? Wohl ja, denn auch Fulci hatte wie viele andere seiner Genrekollegen mit dem Budget und der Umsetzung seiner Ideen zu kämpfen, wodurch seine Produktionen oftmals arg dilletantische, nichtssagende Werke wurden. Ähnlich ergeht es auch dem zwiespältigen When Alice broke the mirror, fürs italenische Fernsehen produziert und in jener zweifelhaften Zeit Ende der 80er erschienen.
Bemerkenswert ist dieser Film fürs Fernsehen ja schon, denn rein in jener Hinsicht, bezogen auf recht explizit grausame Szenen, hat auch dieser Film reichlich die Nase vorn. Sein Titel bleibt dabei aber so unverständlich, genauso unpassend wie eben auch das Interesseweckende, bildhübsche Cover. Wo Alice und der Spiegel auszumachen ist, ist mir schleierhaft, da eignet sich der Alternativtitel Touch of death schon besser, um etwas mehr in den Film hereininterpretieren zu können. Aber immerhin kann man den Werdegang des Filmes als Übertragung aufs Fulcis eigene innere Zerissenheit führen, wenn man denn möchte.
Aber erstmal vorweg:
Lester, ein verwitweter, reicher Möchtegernseriöser mit dem Hang zu illegalen Pferderennwetten befindet sich auf dem schnellsten Wege sich in den Ruin zu stürzen. Von der Spielsucht getrieben und vollkommen vereinsamt, geht er Kontaktanzeigen ebenfalls verwitweter und wohlhabender Damen durch um diese zu umgarnen und daraufhin um ihr Geld zu bringen. Das er dabei mal ein wenig Abstriche in Sachen Optik und Verhaltensmuster machen muss, stört ihn nicht weiter, solang die Kohle stimmt. Doch seine Morde an den Frauen fallen immer brenzlicher aus, sodass er desöfteren zuviele Spuren für die Polizei hinterlässt. Desweiteren scheint ein Schatten seiner selbst zu existieren, der ihm seine Morde verpfuscht. Bis er die wohlhabende und einsame Clara kennenlernt und ihm von seinen Geldproblemen beichtet. Doch Lester hat die Rechnung ohne die Ermittlungen gemacht.
Der Cocktail hier aus Mysterie, Krimi und Splatter fährt in seiner Anfangsszene schon dezent morbide auf, verwöhnt uns er schon recht verheissungsvoll mit dem Mord an einer wirklich unhübsch anzusehenden Frau. Graphisch recht wirksam wie eine Frau unter Einklang idyllisch schöner Klavierspiele mit Kettensäge zersägt und anschliessend durch den Fleischwolf gedreht wird. Das hinterlässt bisweilen argen Ekel beim Zuschauer, auch wenn die Effekte nicht gerade das Prädikat "realitätsnah" verdient haben. Dieser recht effekthascherische und fiese Grundtenor sackt auch weiterhin nicht ab, denn Schweine fressen Menschen gerne, Frauen mit Fläumchenbart werden mit Stöcken so oft geschlagen, dass ihre Gesichtshaut abpellt und Grazien im Dauertenorjolen werden mal verbittert geohrfeigt und erwürgt. Da zeichnet sich nicht nur das extreme Frauenproblem des Protagonisten durch, sondern auch des extremen Regisseurs Lucio Fulci, der uns schon mit The New York Ripper zeigte, dass er nicht so gut auf Frauen zu sprechen ist. Den Zuschauer solls freuen, denn hier spielt Fulcis Stärke absolut auf, auch wenn seine extremen Goreausuferungen sicherlich nie Hauptaspekt für einen guten Film waren.
Doch leider versinkt der bis jetzt aufgepushte Splatterfilm danach, ab gefühlter Minute 40 zu einer einfältigen Ein - Manndramengeschichte, die hauptsächlich nur mit seinen Zutaten Charakteristik, Psychespielchen und dem vermeintlichen Schatten gewinnen kann. Dass Lester arg zerrüttet zu sein scheint, zeigt ja schon sein selbst aufgenommenes Tapeband, mit dem er sich unterhält, aber allzu sehr blitzt seine Faszination und den Ursprung für seinen derartigen und skrupellosen Werdegang nicht durch. Wir wissen zwar das seine Frau tot ist, er einsam und mittellos ist, warum er der Spielsucht verfallen ist und derart Frauen töten kann, dass mag schleierhaft sein. Geht es ihm ums Geld oder das Ersetzen seiner grossen Liebe - seiner Frau? Scheinbar ums Geld, ja. Aber was tun schon gross diese Logiklücken zur Sache, die zwar beiweitem nicht die einzigen sind, aber das soll uns ja bei einem Fulcisplatter nicht wundern. Obwohl es schon recht banal und lächerlich erscheint, dass ein 10mal überfahrener Landstreicher, dem die Gedärme schon herausquillen, noch eine Zeugenaussage machen kann.
Seis drum, When Alice broke the mirror hat da dann und wann noch seine Stärken, Symphatiepunkte und Höhepunkte, die für einen Fulci schon recht ungewöhnlich sind. Fulci beweist desöfteren recht herben Slapstickhumor, wenn er dem Protagonisten einen recht tollpatschigen Charme verpasst. Da dürfen dann ruhig mal die Füsse einer Frau abgehackt werden, wenn sie nicht in den Kofferraum passt, oder bei einer Polizeikontrolle darum gekämpft werden, dass die tote Beifahrerin nicht zusammensackt. Das mögen recht unterhaltsame Szenen sein, die zum Schmunzeln anregen, aber allgemein gesehen beweist der Film einen dennoch fiesen, aber genauso abgedrehten Unterton.
Die Kamera ist bisweilen manchmal arg wackelig, ohnehin ist die Optik des Filmes als überaus steril und farblos zu bezeichnen, was aber sicherlich auf das fehlende Budget zurückzuführen ist. Wer sich an Nightmare Concert, der Flickenteppich, der etliche Szenen dieses Filmes enthält, erinnert, wird wissen was ich meine. Die Darsteller sind allesamt zufriedenstellend für solche Art von Film, vorallem die schäbigen Frauen mit ihren Eigenarten und Schönheitsfehlern wissen da zu gefallen - eher in Bezug auf Ekelfaktor. Dem Protagonisten fehlt da leider der traurige Tiefgang, Erklärungen und Hintergründe um wirklich packen zu könne. Schade, denn dieses Spätwerk Fulci hätte zu grösserer Stärke, auch aufgrund seiner filmischen Defizite, auffahren könne. Aber immerhin keine peinliche Entgleisung wie beispielsweise Haus des Bösen oder Uhr des Grauens.
Fazit:
Stellenweise recht harter Fulcikrimi mit Mysterieelementen, dem im zweiten Teil allzu sehr der Biss und die Logik fehlt. Von Alice fehlt ausserdem auch jede Spur, aber das mag in Anbetracht der fiesen Inszenierung der Goreeskapaden darüber hinwegtäuschen können, dass dieser Film inhaltlich einiges an Verbesserung verdient hätte. Immerhin ein kleines, weiteres Highlight für Fulcikomplettisten und Fans. Alle anderen würden sich eh an durchweg frauenverachtenden Splatterszenen stören und die Story als zu belanglos empfinden. Ohnehin ist das Ende vorhersehbar.
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