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Als dessen Boss spurlos verschwindet, beschließt Kakihara (Tadanobu Asano), diesen ausfindig zu machen. Es ist nicht nur seine Loyalität, die ihn dazu veranlasst, sondern auch seine Geilheit nach Schmerz, die sein Boss am besten befriedigen konnte. Diesen Umstand erkennt man auch an seinem ungewöhnlichen Gesicht, da dieses nicht nur von Narben und Piercings geschmückt wird, sondern sein Mund "verbreitert" wurde. Jedenfalls verscherzt er es sich bei seiner Suche mit seinem übergeordneten Syndikat, findet aber heraus, wer für die Übel verantwortlich ist, die über die Beseitigung seines ehemaligen Bosses hinausgehen: Ichi!

Ichi (Nao Omori) ist ein krankes Individuum, das von dem manipulativen Gigi (Shinya Tsukamoto) einst hypnotisiert worden ist und nun an einem vermeintlichen traumatischen Erlebnis in seiner Kindheit zu kauen hat. Scheinbar wurde er verprügelt und musste mit ansehen, wie ein Mädel vergewaltigt wird. Für ihn sind nun Erregung und Töten untrennbar voneinander vereint, was es Gigi erleichtert, ihn durch die Anjogang, in der ja nun Kakihara das Sagen hat, metzeln zu lassen.

Wie man bereits erkennt, lebt der Film von abgefahrenen, kultigen Charakteren. Ichi ist verweichlicht, aber mit seinem von Waffen bestückten Anzug die gefährlichste Tötungsmaschine im Viertel. Kakihara ist eigentlich um ein vielfaches kranker, weil im Film nichts zu seiner Motivation gesagt wird und man nicht erfährt, was ihn zu seinem schmerzgeilen Dasein treibt. Doch liebt er es nicht nur, Schmerzen zu erleiden, sondern auch welche zu verteilen. So sind Kakihara und Ichi Hauptgarant dafür, dass im Film die eine oder andere Gewalttat verübt wird. Gigi hingegen steht gar nicht auf von ihm ausgeübte Gewalt, viel eher ist er durchaus feige. Er ist eigentlich auch nicht sooo verkommen, aber wohl der durchtriebenste Charakter des Films, der den Wiedersehwert in die Höhe treibt. Wirklich als durchtrieben zu nennen, sind eigentlich nur noch Kakiharas Freunde von der Polizei; Zwillinge, die ähnlich grausam sind wie Kakihara selbst.

Aus den uberzeichneten Figuren und dem schönen Szenario resultiert auch ein herzlich erfischender Humor, meisten in Form von Situationskomik. Alleine die Idee, einen total verweichlichten Charakter wie Ichi zum Killer avancieren zu lassen und ihm dann auch noch eine damit einhergehende Erektion aufzubürden, sorgt für eine unterhaltsame Grundstimmung. Doch auch Kakiharas stellenweise ruhige Art mit seiner provokanten Spontanität, sich einfach mal seine Zunge abzuschneiden, ist für einige Lacher gut.

Glücklicherweise ist der Film aber nicht nur auf diese Faktoren zu reduzieren, denn mit seinen zahlreichen Nebencharakteren offenbart die Geschichte erstaunlich viele Facetten, die im Film aber teilweise etwas unharmonisch und zweifelhaft gewichtet präsentiert werden. Alleine an Gigi und seinem Rachetrip hängen noch zwei Individuen dran und auch die beiden wichtigsten Gefolgsleute Kakiharas haben ihre eigene Geschichte. Einer der beiden trifft ironischerweise bei der Suche nach Ichi eben diesen, ohne aber zu wissen, um wen es sich handelt. Er erkennt ob der herrschenden Zustände sich selbst in dem gerade zur Sau gemachten Ichi, was für Miike Grund genug ist, erstmal eine kleine Hintergrundgeschichte über diesen zu erzählen. Dann sind da aber auch noch die anderen Yakuza des Syndikats wie Takayama (Shun Sugata in einer ähnlichen Rolle wie in Kill Bill) oder die heiße Freundin des Bosses Karen (Paulyn Sun).

Überhaupt ist die Gewichtung der Figuren im Film reichlich unkonventionell: In der ersten Hälfte des Films scheint Kakihara eindeutig die Hauptfigur zu sein, Namensgeber Ichi hält sich dezent im Hintergrund auf. Erst nach dieser Phase, die sich hauptsächlich mit der Suche nach Kakiharas Boss beschäftigt, tritt Ichi immer mehr in den Vordergrund. Dieser Wandel, der wie bereits erwähnt auch Nährboden für den Aufbau der Nebencharaktere ist, kommt recht tranig rüber. Hier verliert der Film deutlich an Spannung und schafft es erst wieder am Ende, diese zu erhöhen.

Die Darsteller sind größtenteils perfekt für die Rollen gewählt und spielen stellenweise grandios, was bei vielenn anderen Miike-filmen nicht der Fall ist. Besonders toll gefiel mir Paulyn Sun als Karen, die nicht nur super scharf ausschaut, sondern auch schöne Dialogzeilen bekommen hat. Am besten ist hier die Szene kurz vor ihrem Tod, in der sie Ichi bequaselt. Im japanischen Original spricht sie sogar stellenwiese Englisch, was wirklich erotisch klingt. Daneben ist natürlich noch Tadanobu Asano als tragende Figur Kakihara hervorzuheben, der delikat die gelangweilte Art seiner Figur hervorhebt, aber auch auf der anderen Seite deren Euphorie gegenüber Ichi. Insgesamt fand ich die Dialoge des Films auch sehr gelungen, die vor Dynamik nur so strotzen und etwaige Spannungen zwischen den Charakteren gekonnt betonen.

Audiovisuell ist der Film ausgesprochen stimmig. Die Musik ist teilweise unkonventionell, verleiht den Szenen aber einen unverwechselbaren Charakter. Die visuelle Interpretation des Stoffes erinnert an andere Miike-Streifen, wobei ich die Handkamera als dezent uninspiriertes Darstellungsmittel empfand. Der gute und dynamische Schnitt macht aber dieses Manko wieder wett.

"Ichi the Killer" ist ein herausragender und kreativ unterhaltender Film mit unglaublich vielen Facetten und netten Gewalttaten. Einige Längen im Aufbau stören mich aber doch und zerstören das ungewöhnliche aber irgendwie stimmige Gesamtgefüge. Trotzdem ein weit überdurchschnittlicher Film mit Kultpotential.

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