Review

Batman ist immer dann am besten, wenn er richtig benutzt wird. 

Denn er ist in erster Linie ein Werkzeug für Kreative, ein zu füllendes Gefäß.
Ohne Freunde, Familie oder Privatleben hetzt dieser getriebene Charakter durch den Moloch Gotham City von Psychopath zu Psychopath, dabei immer selbst auf der feinen Linie zwischen Recht und Unrecht wandelnd. Aber er ist keine Figur wie „Spider-Man“ Peter Parker, den seine Mitmenschen drangsalieren, bemuttern, entnerven, und der seine Superheldenidentität gerade noch so zwischen zwei Vorlesungen gequetscht bekommt. Er ist einfach nur da.
Von Tim Burton wurde dies seinerzeit wunderbar in „Batman Returns“ umgesetzt, als er, unfähig, sich anderweitig zu beschäftigen, grübelnd auf das Batsignal wartend, in seinem Anwesen hockte. Von sich aus erzählt dieser Charakter keine Geschichte, ja, man muss diesem Getriebenen etwas zu tun geben, ihn für die eigene Ideenwelt missbrauchen. Burton tat es mit seinem zweiten Bat-Film über das Monster in uns allen, das Ergebnis war fabelhaft. Frank Miller tat es mit seiner hard-boiled-Comic-Variante, das Ergebnis war ein Meilenstein. 

Und nun kommt Christopher Nolan, befreit von allen Zwängen seines Franchise-Neustarts „Batman Begins“. Wie sein Held tritt Nolan über die Kante, begibt sich mit „The Dark Knight“ in den freien Fall, um endgültig seine Sicht auf das Phänomen „Batman“ zu etablieren. Schubst dieses Kultungetüm in ein filmisches Säurebecken, um ihm alles popkulturelle, über die Jahrzehnte und Adaptionen gewachsene Fleisch von den Knochen zu schälen - um den Kern offen zu legen.
Den Kern, von dem Comicfans so gerne sprechen, wenn sie skeptischen Mitmenschen erläutern müssen, dass sie sich doch bitte nicht von all’ den bunten Kostümen und bizarren Figuren blenden lassen sollen, denn im Kern ginge es ja um… 

…die Dinge, die Nolan nun ohne inszenatorisch-verspielte Umwege benennt und dafür von der etablierten Kritik gefeiert wird. Man könnte nun böse sein (und man muss es wohl auch) und bemängeln, dass das Feuilleton erst diese mundgerecht zugeschnittene Fassung als Delikatesse würdigt, nachdem die Fettkante der Comicästhetik abgetrennt wurde. Nun, Fett ist Geschmacksträger, das wollen wir nicht vergessen.

Nüchtern und unterkühlt geht es demnach zu, wenn Gotham zur durch und durch realen Großstadt gerät, in welcher sich das Drama rund um eskalierendes Verbrechen, die Ohnmacht des Rechtsstaats und den Platz des Individuums in Zeiten allumfassenden Terrors entspinnt.
Aber auf diese Art ist Christopher Nolan ganz bei sich, prägt nach seinem unentschlossenen Erstling nun endlich seine Fassung des Dunklen Ritters. Und nimmt dabei, in nicht uninteressanter Parallele zum zweiten Streich Burtons, ebenfalls seine Hauptfigur ein wenig  aus dem Fokus. Um ihn uns, gebrochen und gespiegelt durch sein Umfeld, umso näher zu bringen. Wie viel Ohnmacht liegt in den Schlägen, die er auf den manisch lachenden Joker niederprasseln lässt? Wie viele Narben werden sich noch zu denen gesellen, mit denen er jetzt schon gezeichnet wurde? Und wie viele Menschen werden noch von seinem Kreuzzug gegen die Mühlen des Verbrechens aufgerieben werden? Erst mit dem Schritt zurück, den der Film nach dem diesbezüglich doch sehr strengen Erstling unternimmt, kann man einen Blick auf das tragische Gesamtbild dieses Charakters werfen.
Die häufig beklagte Ballung an Handlungssträngen fernab der Hauptfigur sind fraglos gewöhnungsbedürftig, in ihrer Effektivität, ihrem Dienste für selbige aber unverzichtbar. Das Ergebnis ist, nach dem doch recht schwer zu akzeptierenden Flattermann aus „Batman Begins“, ein Batman, der wirklich ein Teil unserer Realität sein könnte. Zweifellos eine beeindruckende künstlerische Leistung.  

Der Preis dafür ist allerdings besagter Verzicht auf alles Verspielte, auf jegliche Comic-Überhöhung, ja, auch auf jede etablierte erzählerische Schiene der Vorlage im Sinne des Kommentars zu unserer Gegenwart. Der vierfarbige Papier-Batman sorgt dafür, dass Gothams Bürger ruhig in ihren Betten schlafen können. Nolans Batman schaut ihnen sogar ins Schlafzimmer. Da ist der konzeptuelle Bogen fast schon überspannt, das Werkzeug scheint in seiner Ernsthaftigkeit bis zur Unkenntlichkeit deformiert. Aber eben nur fast.
Denn uns bleibt immer noch der Joker. Der nicht nach den Regeln spielt. Einfach so den größten Geldbündelhaufen der Filmgeschichte in Brand steckt. Sich uns damit schon fast als helfende Hand in dieser Finsternis der Institutionen andient.
Als wäre das neue Konzept des realistischen, in einem glaubwürdigen Rechtssystem operierenden Batman überhaupt nur erschaffen worden, um von diesem methodisch irrlichternden Kasper, einer Sandburg gleich, wieder niedergetrampelt zu werden. Radikaler kann ein Blockbuster kaum sein. Aber auch all’ dies, wenn man es so sehen möchte, ein Dienst an dem, der sich und seine Prinzipien hinterfragen muss; der Dunkle Ritter.

Den uns der Film nicht als spaßiges Spektakel, sondern mehr denn je als gesellschaftlichen Kommentar verkauft. Nolan zielt hoch mit den Themenkomplexen, die er seiner Figur auf der Reise durch die Dunkelheit aufbürdet.
Aber er weiß halt genau, dass er mit ihr das richtige Werkzeug zur Hand hat.

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