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Wenn in den Credits ganz am Ende der Name "Bob Kane" auftaucht, wirkt das angesichts des zuvor Dargebotenen beinahe wie ein Anachronismus. Mit der Ende der 30er Jahre von Kane erfundenen Figur, hat Christofer Nolans "Batman" kaum mehr als das Kostüm gemeinsam. Erst Frank Millers Graphic Novel "The Return of the Black Knight" erhob in den 80er Jahren den kindgerechten Verbrechensbekämpfer zum "Schwarzen Ritter" - eine Sichtweise, an der sich schon Tim Burton in seinem zweiten Batman - Film orientierte.

"Gotham City" wurde bei Miller zum heruntergekommenen, von Verbrechen geschüttelten Moloch, der Nolan in "Batman Begins" ein comichaft überzeichnetes Antlitz gab, und wenn er in "The Dark Knight" wieder zum eigentlichen Ausgangspunkt als Abbild von New York zurückkehrt (auch wenn er auf die typischen Insignien der Stadt verzichtet), dann ist das nur konsequent. Mit "The Dark Knight" ist Batman in der Realität angekommen, verfügt nur noch über wenige an Comics erinnernde Elemente und holt sich seine Düsternis und Verdorbenheit nicht mehr aus dunklen Bildern und überzeichneten Bösewichtern, sondern aus einer selten gezeigten Radikalität im menschlichen Handeln. Selbst dem geschminkten Gesicht des Jokers (Heath Ledger) fehlt die maskenhafte Plakativität, sondern lässt die grotesken Narben unter der zerlaufenen Farbe erkennen.

Die Personen und damit verbundenen Gefahren, denen sich Bruce Wayne/Batman (Christian Bale) ausgesetzt sieht, wirken direkt aus der Gegenwart entnommen. Staatsanwaltschaft und Polizei versuchen der mafiösen Strukturen in ihrer Stadt Herr zu werden, indem sie diese an deren empfindlichsten Stelle treffen wollen - an ihrem Geld. Ein Bankraub scheint ihnen dabei als Vorbild zu dienen, als eine gerissene Bande ausgerechnet eine Mafia-Bank überfällt und sich so den Zorn der ortsansässigen Bosse zuzieht. Der Bankraub als solcher verläuft gewohnheitsgemäß, auffällig dabei ist nur, dass sich die Bankräuber gegenseitig dezimieren, bis nur noch ein Maskierter übrig bleibt, der zum Schluss ohne zu zögern seine Maske absetzt - der Joker. Nolan setzt damit erste Anzeichen, dass es nicht bei dieser verbrecherischen Normalität bleiben wird.

Auch die Geschehnisse um den "Dunklen Ritter" selbst verzichten auf äußerliche Heldenhaftigkeit. Batman, der von der Polizei gesucht wird, gerät in den Zwiespalt, dass er mit reiner körperlicher Action nur wenig ausrichten kann, was Nolan mit dem Verzicht auf befriedigendes Kampfgetümmel betont. Selbst einzelne erfolgreiche Aktionen, wie die Entführung des asiatischen Gangsterbosses aus Hongkong, können nicht überdecken, dass Batman zunehmend hilflos und uneffektiv wird. Deshalb ist Bruce Wayne daran interessiert, dass die Verbrecher mit gesetzlichen Mitteln bekämpft werden, weshalb er über seine Kontaktperson Detektiv Leutnant James Gordon (Gary Oldman) den Staatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart) unterstützt. Diesen will er zur moralischen Instanz in der Stadt aufbauen.

Auch technische Gimmicks wie das Batmobil können nicht verbergen, wie karg Batmans Leben geworden ist und immer mehr in den Untergrund gerät. Nach der Zerstörung seiner Villa in "Batman Begins" fehlt dem Milliardär das entsprechende Ambiente und Nolan versetzt seinen Protagonisten in große, leere und hell ausgestrahlte Räume, die seinem Handeln die Romantik austreiben und an das reduzierte Leben eines Widerstandkämpfers erinnern. Christian Bales zurückhaltendes Spiel unterstützt diesen Eindruck noch, denn er verzichtet auf jede martialische Attitüde und wirkt fast verzweifelt in seinem Anrennen gegen das Verbrechen. Er agiert nicht mehr, er reagiert nur noch.

Heath Ledgers unglücklicher Tod nach den Dreharbeiten hat dem Film mehr geschadet als genutzt, denn ein solches Schicksal fordert beim Betrachter geradezu den Wunsch nach einer extremen Betrachtungsweise heraus, dabei liegt Ledgers Leistung darin, dem Joker ein menschliches Antlitz zu geben und weniger dämonisch oder extrem (wie zuvor Jack Nicholson in derselben Rolle) aufzutreten. Wäre er nur ein besonders skrupelloser und intelligenter Bösewicht, verkäme die gesamte Thematik zum Possenspiel. Auch der Nihilismus, der dem Joker gerne angedichtet wird, greift zu kurz, denn sein Zusammenspiel mit Batman funktioniert nur, weil Beide zutiefst moralische Menschen sind. Während der Eine fast naiv an das Gute glaubt, ist der Andere von einem völligen Fatalismus geprägt, aber der Joker versteht genau, dass sie sich letztlich gleich sind – und dass der Tod Eines von ihnen keine Lösung brächte.

Die Position der Gesellschaft nimmt in „The Dark Knight“ Aaron Eckard als Staatsanwalt Harvey Dent ein und es ist nur folgerichtig, dass er zwischen den zwei Polen Batman/Joker aufgerieben wird, obwohl er scheinbar die besten Voraussetzungen hat. Gerade die strahlend intelligente Art Eckards kommt der Rolle zugute, denn er verbindet mühelos Anständigkeit und Esprit. Hier ist kein bürokratischer Jurist am Werk, sondern ein engagierter Kämpfer für das Recht, der ganz offensichtlich das Zeug zum Helden hat. Wann hätte man jemals einer Nebenfigur verziehen, dass er eine Beziehung zu der Frau hat, die von dem Titel gebenden Protagonisten begehrt wird? – Auch Rachels (Maggie Gyllenhaal) Liebe zu Harvey ist nachvollziehbar und der Film verzichtet auf das übliche Stilmittel einer unterschwelligen Unzufriedenheit zwischen den Partnern, die dann zum Schluss zu Tage tritt.

Dents Spiel mit der Münze, die seine Entscheidungen nach dem Zufallsprinzip bestimmen, steht als Symbol für die Unsicherheit, sich innerhalb einer Welt zurechtzufinden, deren Zuordnung, was Gut oder Böse ist, zunehmend schwieriger wird. Zu Beginn blufft Dent nur, aber nachdem dramatische Ereignisse sein Leben fast völlig zerstört haben, überlässt er konsequent der Münze die Entscheidung. Zu einem eigenständigen moralischen Handeln ist er nicht mehr in der Lage. Seine Wandlung in „Two Face“ verläuft inszenatorisch sehr schnell und optisch plakativer als im Film sonst üblich. Diese überraschende Kehrtwende eines lange Zeit so souveränen Charakters verdeutlicht die Fragilität einer moralischen Haltung, die durch persönliche Befindlichkeiten in Kürze gebrochen werden kann, was des „Jokers“ Meinung zu bestätigen scheint.

Dass „The Dark Knight“ im abschließenden Höhepunkt, als der Joker sein perfides Spiel auf die gesamte Bevölkerung ausweitet, noch Zeichen der Hoffnung setzt, wirkt wie ein kleines Zugeständnis an das Blockbuster-Publikum, ist letztlich aber nur konsequent darin, Eindeutigkeiten zu vermeiden. Den Zwiespalt zwischen Massenkompatibilität und pessimistischer Betrachtung der Gegenwart kann auch „The Dark Knight“ nicht lösen, dessen spektakuläre Inszenierung, optische Wucht und Ansammlung von Stars den Schwerpunkt auf Unterhaltung setzt – gut schon an der Aufregung zu erkennen, die Ledgers tragischer Tod verursacht hat, und die mit dem Film nichts zu tun hat. Aber wann hat es jemals einen Blockbuster-Film gegeben, dessen Botschaft letztendlich darin mündet, dass die Gesellschaft betrogen werden muss, um - vielleicht - gerettet zu werden? (9/10).

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