Umgeben von den kühlen Betonwänden einer Gefängniszelle in einer Polizeistation beginnt das Verhör. Der dunkle Rächer Gothams und dessen weißgeschminkte Heimsuchung stehen sich gegenüber. Die Polizei steht unbeteiligt um die Szenerie herum und betrachtet diese durch Panzerglas. Es entspinnt sich eine bittersüße Handlung, die wohl zu den aufschlussreichsten und erschreckendsten Szenen im neuen Batman-Streifen von Christopher Nolan zählt. Der Joker (Heath Ledger), Erzrivale Batmans (Christian Bale) und kurz zuvor von ihm gefasst, soll sich geständig zeigen und den Aufenthaltsort zweier Geiseln preisgeben, hat aber nur beißenden Spott für die Fledermaus übrig. „Schau, für sie bist du nur ein Freak wie ich“, hält er dem selbsternannten Rächer den Spiegel vor und bringt ihn derart in Rage, dass er beinahe „seine eine Regel bricht“. Das Verhör verwandelt sich in ein Folterszenario, Batman schlägt auf den Joker ein, wirft ihn durch die Zelle, während dieser jedes Mal mit einem zynischen Lachen antwortet.
Die erste Besonderheit an dieser Szenerie ist, dass sie einen erschreckend aktuellen Bezug zum Zeitgeschehen in den USA herstellt, in der Folter als legitimes Mittel zur Terrorbekämpfung gilt. Die zweite, noch weitaus verstörendere Botschaft ist jedoch, dass der Terror seine eigene Stärke sehr gut kennt. Nämlich, dass man ihm mit nichts drohen kann, denn er kennt weder Regeln, noch die Angst vor Verlust. Ein Nihilismus der Postmoderne, der in Persona des genialen und teuflischen Jokers auftritt.
Ohne Zweifel ist diese Rolle eine Glanzparade des leider viel zu früh verstorbenen Heath Ledgers. Hinter seiner weißen, verschmierten Maske ist er optisch kaum wiederzuerkennen. Auch lässt sich seine schauspielerische Leistung nicht mit seinen früheren Filmen vergleichen. Jede Körperbewegung, jedes Zungeschnalzen und jeder Blick sind mit einer solchen Intensität gespielt, dass es einem beim Auftauchen des Jokers auf den dunklen Straßen Gotham Citys kalt den Rücken hinunterläuft. Das unauslöschliche Grinsen auf seinen Wangen und sein bissiger Humor zeigen auf der einen Seite einen Mann, über den man lachen kann, der andere und sich selbst nicht ernst nimmt. Auf der anderen Seite sind aber seine unvorhersehbaren Handlungen, die zumeist mit einer Klinge tödliche Konsequenzen nach sich ziehen, Zeichen eines geisteskranken Verbrechers. Zwischen diesen beiden Extremen jongliert Ledger mit Bravour und trägt somit beinahe den gesamten Film allein.
Als darstellerische Gegengewichte müssen dann schon mehrere Schauspieler zusammenarbeiten. Allen voran Christian Bale, der zum zweiten Mal in den schwarzen Kampfanzug schlüpft, um gegen das Verbrechen ins Felde zu ziehen. Seine Motivation gerät bald ins Schwanken, als er sich selbst Vorwürfe macht, das Übel in Gotham überhaupt erst stark gemacht zu haben. In dem zielstrebigen und erfolgreichen Staatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart), der mit seiner Ex-Freundin Rachel Dawes (Maggie Gyllenhaal) liiert ist, glaubt er schon bald den wahren Helden in einer „weißen“ Rüstung zu erkennen. Doch auch dieser ist vor inneren Zerwürfnissen nicht gefeit. Der gutmütige und väterliche Butler Alfred (Michael Caine) agiert wieder als gutes Gewissen des Helden, der mit seinen weisen Worten ein fürs andere Mal durch herbe Niederlagen hilft. Der neue Batsuit und neue Gimmicks kommen wieder aus der Tüftlerschmiede des Q’s aus Gotham Lucius Fox (Morgan Freeman).
In einer sehr interessanten Szene des Films, als Batman mit einer Art Sonar sämtliche Mobiltelefone der Stadt abhören lässt, um den Joker ausfindig zu machen, stellt sich Fox mahnend Batman in den Weg: „Soviel Macht sollte sich nicht in den Händen eines Einzelnen befinden.“ Eine eindeutige Anklage an eine bestehende Situation im Hier und Jetzt, gegen die totale Überwachung in einem Staat. Ebenfalls Lt. James Gordon (Gary Oldman) reiht sich in die Schar der Helden ein, die dem Joker die Stirn bieten wollen. Meist auf sich allein gestellt in einer korrupten Welt, wo selbst jeder Polizist ein potentieller Täter sein kann. Der Joker scheint über all dem zu thronen und spielt mit einer perversen Freude die verschiedenen Seiten gegeneinander aus.
Christopher Nolan muss ein großes Lob dafür ausgesprochen werden, dass es ihm gelungen ist (wohl einmalig in einer langen Reihe von Comicverfilmungen), eine derart tiefgründige und atmosphärisch dichte Geschichte zu erzählen. Zu keinem Zeitpunkt sind die Figuren nur plumpes Kanonenfutter für eine Flut für Spezialeffekte, wie sie normalerweise für ein erfolgreiches Sequel zu befürchten gewesen wären. Im Gegenteil. Nolan nimmt sich sehr viel Zeit, seine Protagonisten ausführlich zu entwickeln, ohne jedoch die Spannung zu vernachlässigen. Auch wenn der Film durch seine zweieinhalb Stunden Laufzeit die Konzentration des Zuschauers arg strapaziert, denn die Handlung fordert höchste Aufmerksamkeit, wird es zu keiner Minute langweilig. Nur wäre es wünschenswert gewesen, wenn die verbrecherischen Konflikte, von denen im Film immer wieder die Rede ist, auch in der Architektur der Stadt deutlicher herausgestellt worden wären. Gotham sieht leider viel zu sehr wie das normale Chicago aus und die sauberen Glasfassaden und Bürgersteige lassen wenig auf eine Stadt im Chaos schließen. Dies muss wohl dem Realitätsfanatismus eines Christopher Nolan geschuldet bleiben, der hiermit aber endgültig den Batmanmythos gerettet und wiederbelebt hat und der Comicverfilmung den Weg in eine ernstzunehmende Kinozukunft geebnet hat.