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Da wären wir. „Der dunkle Ritter“ ist präsenter denn je, ganz ohne kunstvoll märchenhaft düstere Monster-Schminke eines Tim Burton oder der Popkultur entsprechenden, unreflektiert übernommenen, knallbunt oberflächlichen Comic-Adaption eines Joel Schumacher. Genug der Adjektiv-Überhäufung. Ein bis zwei Etagen tiefer und wir sind in der Realität, die Regisseur Nolan als Liebhaber des Sujets zum Ausdruck bringt. Es bedarf nur die Achtung eines animierten Zeichentricks, um den Charakter von Batman (Christian Bale) zu erfassen. Er ist nicht „Superman“, der nur böse wird, wenn irgendwelche Materialien seine Gehirnwindungen manipulieren. Die personifizierte Fledermaus liegt zwischen schwarz und weiß – er verbindet den dogmatischen Kodex eines Ritters mit der dunklen Seite eines „Sith-Lords“, der sich symbolisch in schwarze Umhänge hüllt. Ja, wir sind dem Inneren genauso nahe wie Christopher Nolan, Batman ist ein Mensch und kein Superheld. Der dunkle Ritter eben.

Hier geht jemand zurück zu den Wurzeln, die „Batman-Comics“ immer als etwas Außergewöhnliches gebrandmarkt haben. Ein stinkreicher Playboy, der chice Frauen um sich scharrt, nachts aber mit Hilfe von eingeweihten Helfern (der stoisch stets in Nebenrollen überzeugende Morgan Freeman bzw. Butler Alfred bestens spielende Sir Michael Caine) traumatisch seine Rachegefühle dürstet. Batman steht genau zwischen Idealisten [Bezirksstaatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart)] und zynischen Anarchisten wie den Joker (Heath Ledger). Sein engster Verbündeter ist Lt. James Gordon (Gary Oldman), der nicht mehr an die Effektivität des Rechtssystems glaubt bzw. seine eigene Suppe kocht und den „schwarzen Ritter“ als zweite Instanz akzeptiert bzw. respektiert. So stoßen unterschiedliche Mentalitäten aufeinander, leben die plastische Interaktion und sorgen somit für zwischenmenschliche Dynamik.

Das ist über eine lange Zeit hinweg großartig, argumentativ pure Philosophie im Action-Mantel gehüllt. Batman ist eben doch nicht so einfach zu (er)fassen, wie man ihn oftmals verkaufen wollte. Es geht um sexuelle Bedürfnisse (Maggie Gyllenhaal), freundschaftliche Bewunderung eines Idealisten (Harvey Dent), persönlichem Erfolg und dem Bedürfnis die Stadt zu säubern. (Chicago), aka Gotham City, ist offensichtlich durch den „Rächer“ „cleaner“ geworden. Es herrscht in jeder kriminellen Schicht Angst vor dem schwarzen Ritter. Dennoch wird das Treiben wegen eines furchtlosen Clowns belebt. Wegen des gesetzlosen, Selbstjustiz praktizierenden Batman und dem idealistischen, hart durchgreifenden Bezirksstaatsanwalts stockt der Weg zur reinen Kriminalität allerdings. Die Mafiabosse klammern sich sukzessiv an jenem „Freak“ namens Joker, der keine Angst kennt und sich Respekt schafft. Er lebt das Chaos, das zu Anarchie führt und in dieser Welt die seiner Meinung nach einzig wahre Gerechtigkeit ist. Man hört bösartig anrüchige Witze, zynische Kommentare, sieht brillant spielerisches Mimik- und Gestikspiele und glaubt tatsächlich, dass ein Toter energetisch auferstehen kann. Wer ist schon Jack Nicholson, wenn man Ledger derart eindrucksvoll in Aktion sieht? Die Zunge bewegt sich demonstrativ nach jedem lakonischen Satz als markantes Zeichen der gelebten Schwelle zwischen Genie und Wahnsinn, der Sinn des Chaos fließt in die eigenen Adern, so dass man immer mehr die Bösartigkeit des Narben überschminkenden verstehen mag. Es sind vermutlich tiefe Narbe, die solch einen Zynismus hervorbrachten. Er zelebriert Humor, wo es in der Realität gesellschaftlich gesehen eigentlich keine geben darf.

Trotzdem genießt man immer wieder jene Situationen, die solche Grauzonen gewährleisten. Batman ist dagegen ein Mensch, der im Gegensatz zum Joker reaktionär emotional handelt und alles andere als der über den Dingen stehende Superheld. Harvey wird zum Monster, da die Realität ihm grausam eines Besseren belehrt, so dass er dem Zufallsglauben erliegt. Eine Chance von 50/50 ist die die wahre Gerechtigkeit in dieser infernalen Welt. Objektive Chancengleichheit statt subjektive Emotionen. Batman wird überschätzt, hochstilisiert, in Wahrheit schlummert sein dunkler Meister hellwach in den Straßen von Chicago (Gotham City). Der Joker vergleicht ihn mit sich, als Monster. Dabei glaubt man ihm immer mehr, weil die Aktionen beider aktiv bzw. passiv zu Opfern führen. Den einen tangiert es, den anderen ganz und gar nicht. Wir sehen ein Duell der emotionalen Extreme, was sich gemäß der Comic-Vorlage lange hinziehen wird und in „Dark Knight“ einen bestens unterhaltenden, tiefsinnigen Film gewährleistet. Es geht nicht darum, wer die Protagonisten sind, sondern was sie darstellen.

Der Joker hat nur seinen destruktiven Spaß im Sinne einer belehrenden Überlegenheit, die auch schauspielerisch jeden anderen in den Schatten stellt. Man kann die Gefühllosigkeit förmlich spüren und dank Heath Ledger an der Leinwand greifen. Stärke durch Nihilismus, der in dieser Stadt sukzessiv gelebt wurde – bis Batman kam, den wankelmütige Verantwortliche im Sinne einer Hassliebe die schmutzigen Aufgaben der Selbstjustiz gerne anvertraut haben. Es dreht sich alles um die Fledermaus bis der böse Clown kam und zeigt, welcher Irrsinn diesen Mikrokosmos nährt. Im Grunde gibt es nur einen Idealisten, der wirklich an die Sache glaubt, die er zunächst auch konsequent ausführt. Harvey Dent ist das wahre Ziel, der Dorn im Auge von Jokers Denke. Ihn gilt es zu brechen, so dass die Welt in gerechter Anarchie ersaufen kann. Batman ist nur ein Spielball, ein Anti-Held, der die Stadt kurzfristig säubert, aber nicht nachhaltig wie der Bezirksstaatanwalt ummodeln kann. Der dunkle Ritter dreht mit seinem Handeln lediglich an einer Gewaltspirale.

Diese Erkenntnisse kommen viel zu spät, es werden Realitäten trotz einer bösartigen Mutation des Harvey Dent geschaffen, damit die Leute Hoffnung schöpfen können. Der Joker gewinnt, seine Chaos-Theorie, wenn er spekuliert, dass sich die Guten und Bösen gegenseitig in die Luft sprengen, geht zwar nicht immer auf, aber der zynische Clown mit dem ewigen Lächeln drängt durch seine Handlungen immer mehr die Frage auf, ob es Schwarz und Weiß, Gut und Böse überhaupt gibt. Da wären wir beim Kern, den Nolan reflektiert. Dem schwarzen Ritter, den wir trotz offensichtlicher Widersprüchlichkeit gerne als Held sahen und nun sehen, was er wirklich ist. Gordon und Batman schaffen pragmatisch Welten, damit sie ihre eigene Niederlage kaschieren und den Menschen Hoffnung geben können, so dass der Joker mit seiner wie sich rausstellte richtigen Theorie, doch noch zum Verlierer werden kann. Das ist schon fast „Film noir“, aber vielmehr tiefgründig interessante Sozialforschung durch einen kaltblütigen Irren, der allerdings auch dem Genie gar nicht so weit entfern ist, wie wir es gerne hätten.

So nimmt man auch ein paar oberflächliche Makel nur am Rande wahr. Beispielsweise, wenn Nolan, sonst konsequent subtil, dem zum halb bösen mutierten Harvey Dent, eine übertrieben CGI-lastige zweite Gesichtshälfte verpasst und den konservativen Weg der alten Schule verlässt. Man ist viel zu sehr im Geschehen involviert, um das Lächeln auf den Lippen aufgrund der zynisch schwarzen Seite des Humors zu verlieren. Das ist (K)(C)omi(c)(k) aus einem Blickwinkel, der in jeder Hinsicht atemberaubend ist. (9,5/10)

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