Mit "Die Reise zum Mittelpunkt der Erde" begab sich Jules Verne in den unendlichen Weiten des Weltraums ähnlich unbekannte Gefilde. Auch die Tiefen unter der scheinbar undurchdringlichen Oberfläche boten sich für blühende Fantasien geradezu an und es gibt nur wenige Filme, wie den 1959 nach der Romanvorlage entstandenen Film, die prägend für viele Jugendliche blieben, obwohl der Film objektiv nicht besonders gut ist. Aber die Mischung aus klaustrophobischen Erfahrungen, ständigen Bedrohungen durch Hitze und Gestein und nicht zuletzt die hier noch erhaltene Dinosaurier-Urwelt strahlten in der Zeit vor der Computeranimation eine hohe Faszination jenseits von storytechnischen Überlegungen aus.
Was lag also näher, als diese Erfahrungen dem nachgewachsenen Publikum nach neuester Technologie zeitgerecht wieder zuzubereiten ? - Mit digitaler 3-D-Technik entstehen hier Bilder, die die ständigen Gefahren noch plastischer erlebbar werden lassen. Entscheidend dafür sind natürlich weniger die pseudo-wissenschaftlichen Grundlagen, die Verne und der 50er-Jahre Film noch ausführlich ausbreiteten, sondern Vulkane, Magma, riesige unterirdische Seen und viel grausliches Getier mit dem unvermeidlichen Tyrannosaurus, denn das kommt in der neuen Technik besonders gut. Und bei dem alten Film hat das schliesslich auch gereicht.
Leider schienen die Macher vergessen zu haben, dass seit "Jurassic Park" schon eine Vielzahl hervorragend animierter Urtiere über die Leinwand liefen, denn auch wenn die 3-D-Technik noch eine gewisse Steigerung darstellt, sind die hier vorgestellten Urtiere und fleischfressenden Pflanzen nicht wirklich Neuland. Das wäre auch kein Nachteil, wenn "Die Reise zum Mittelpunkt der Erde" des Jahres 2008 nicht noch weniger auf die Story achtete, als es der Vorgängerfilm schon tat. Zwar war es ein richtiger Gedanke, kein wirkliches Remake vorzusehen, aber der Storybeginn bis zum Einstieg in die Erde kann nur als lieblos bezeichnet werden.
Brandon Fraser spielt hier wieder seine gewohnte Rolle als Abenteurer, aber das er als Prof. Trevor Anderson auch noch an der Universität Forschung und Vorlesungen betreibt, nimmt man ihm keine Sekunde ab. Konsequenterweise schildert der Film diese Szenerie auch nur sehr kurz, denn noch am selben Tag steht sein Neffe Sean (Josh Hutcherson) bei ihm auf der Matte, auf den er aufpassen soll, weil dessen Mutter eine neue Wohnung in Kanada sucht. Sean ist der Sohn von Trevors Bruder, der vor 10 Jahren plötzlich verschwand. Obwohl sein Bruder auch sein größtes Vorbild war, dessen Forschungen er an der Universität weiter führte, hatte er dessen Sohn schon seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Ganz nachvollziehbar wird dieser fehlende Kontakt nicht, aber der Film setzt auf die Karte "Neffe mag den ihm fremden Onkel zuerst nicht, freundet sich aber während des Abenteuers mit ihm an". Das wird genauso oberflächlich vorbereitet wie das Love-Interest, das in Form der hübschen Hannah Ásgeirsson (Anita Briem)plötzlich in der Haustür steht, als Trevor und Sean an eine einsame Hütte im fernen Island anklopfen. Sie ist nicht nur Tochter eines ebenso skurrilen Forschers wie Trevors Bruder, sondern auch noch Bergführerin, weswegen sie Onkel und Neffe zu einem Berg führt, wo Trevor seine Forschungen beginnen will.
Das sie dann im Erdinneren landen ist dem Zufall geschuldet und nicht - wie in der Romanvorlage oder im 50erFilm - bewusst angestrebt. Sie werden verschüttet und versuchen einen anderer Ausweg zu finden. Da sie in dem geheimnisvollen Berg gelandet sind, den schon Trevors Bruder besucht hatte (und den wohl auch Jules Verne in seinem Roman meinte), konnte dieser nur zum Mittelpunkt der Erde führen. In einem solchen Film geht es nicht um Logik, aber eine gewisse Authentizität in den Charakteren und ihren Beziehung untereinander, die über blosse Klischees hinausgeht, erhöht zumindest die Spannung. Denn diese kommt während des Films keinen Moment auf, obwohl die größten Gefahren im Minutentakt auf unsere drei Freunde warten.
Die Art wie diese Gefahren überwunden werden, erinnert ein wenig an "Tom und Jerry"-Filme. Dort ist es ja auch üblich, dass man, während man gerade tausende Meter tief fällt, ohne zu wissen, was einen unter erwartet, gemütliche Gespräche führt, genauso wie man jedesmal ohne ernsthafte Blessuren davon kommt. Man fragt sich auch, wie Fraser es gelingt, so lange dem T-Rex davonzulaufen, obwohl dieser doch (O-Ton) schneller sein soll ? - Welche Chancen in dieser Form der Inszenierung bestanden hätten, erkennt man in der witzigsten Szene des Films, als Trevor gegen die fleischfressenden Pflanzen kämpft. Im Stile eines Nahkämpfers haut er der sich von hinten anschleichenden Pflanze noch einen über, wie weiland Bruce Willis, wenn einer der schon Niedergeschlagenen es noch einmal wagte, sich zu erheben - ohne Hinzugucken und mit einem coolen Spruch auf der Lippe. Auch in der Szene, in der sie die Riesen-Piranhas mit Baseball-Schlägern bekämpfen, blitzt dieser Humor auf.
Dieser Unernsthaftigkeit hätte der gesamte Film bedurft, denn das hätte zu den ständig wundersamen Rettungen der drei Protagonisten gepasst, bei denen sich kaum die Haartolle bewegt, während sie Zentimeter über der glühenden Lava agieren. Leider setzt der Film aber - von getragener Musik begleitet - auf unechte Emotionen und ständige Behauptungen, wie furchtbar gefährlich alles ist. Es mag sein, dass der Film in 3-D auch seine Fans findet, aber über diese Showwerte hinaus bietet "Die Reise zum Mittlpunkt der Erde" nur das uneinheitliche Bild, eines jenseits der Technik lieblos und schlampig gemachten Films (3/10).