Review

Chrysalis - laut deutscher Wikipedia ein Insekt in der Metamorphose. Nach einem Blick auf den Bewertungsdurchschnitt hier muss man da befürchten, filmisch gesehen eher die Raupe als den Schmetterling zu bekommen, doch das ganze "entpuppt" sich meiner Ansicht nach als angenehme Überraschung, durchaus mit Geheimtipqualität.

Szenario ist die unbezifferte nahe Zukunft, doch "Europol-" Cop Hoffmann (Albert Dupontel) hat davon wenig mitbekommen - er ist ganz von der alten Schule, erst zuschlagen, dann verhören. Als er zusammen mit seiner Kollegin /Freundin einen Drogenschmuggler festnehmen will, gerät das zur Tragödie - der Verdächtige entkommt, die Freundin stirbt. Zusammen mit einer neuen Partnerin wird er nochmals auf den Fall angesetzt, hinter dem mehr steckt, als erwartet. Die Spur führt über eine verstümmelte Frauenleiche zu einer mysteriösen Geheimklinik, in der eine Professorin u.a. dabei ist, ihre Tochter von den Folgen eines Unfalls zu kurieren. Und es steckt noch einiges mehr dahinter...

Ich hatte den Film eher zufällig aus der Videothek mitgenommen, die Optik der Coverbilder und zugegeben etwas auch die Freigabe hatten mich angesprochen. Um mal hinten anzufangen: Warum der "ab 18" ist, kann ich schlechterdings nicht nachvollziehen. Mittlerweile muss sich die deutsche FSK schon fragen lassen, ob man jetzt wieder volldampfs auf dem Rückweg in die 80er ist, wo selbst harmloseste China-Klopper routinemäßig die 18 aufgepappt bekamen. Das ist sicher kein Kinderfilm, aber bis auf die zugegeben relativ harten Kampfszenen und die in Frankreich offenbar zum Pflichtprogramm gehörenden Misshandlung von Verdächtigen und Informanten gibt es aber auch gar nichts, was empfindsame Gemüter hinter das Sofa treiben müsste.
Im zweiten Punkt, der Optik, hat der Film die Erwartungen dagegen durchweg erfüllt. Nicht dass kalte, ausgebleichte Bilder heutzutage noch einen Originalitätspreis gewinnen würden, aber zur Schaffung einer futuristischen Atmosphäre bei überschaubarem Budget sind sie doch ein probates Mittel. Und dass der Film in der Zukunft spielt, wird erfreulicherweise nicht nur behauptet, sondern auch visualisiert, z.B. mit vielen kleinen Gadgets wie einem mobilen Gesichtsscanner, einer holographischen Operation und den zumindest ansatzweise modern aussehendem Wagenpark (auch wenn dies dann doch nur ein paar ösige Renaults in Verkleidung sind). Alles in allem ist das optisch und ausstattungstechnisch sicher kein "Minority Report", dafür fehlen dann doch ein paar Nullen hinten im Budget, aber in jeder Hinsicht ansehbar.

Trotz des modischen Ambientes möchte der Film gleichzeitig aber auch ein klassischer Cop-Krimi mit Action und Thrillertouch sein. Gleich der Anfang mit der hinter die Credits gelegten, schick inszenierten Eröffnungsschießerei setzt hier die Action- Messlatte relativ hoch, dieses Niveau kann im weiteren Verlauf nicht gehalten werden. Die Highlights der nachfolgenden 85 Minuten sind ganz klar die zwei intensiven Kampfszenen zwischen der Hauptfigur und dem östlichen (reichlich Ausländer bei den Baddies, btw) Killer, vor allem die erste auf engstem Raum in einem Badezimmer. Dank guter Choreographie und nicht zu wackliger Kamera spielen die beiden Szenen klar in der Championsliga der Fights mit, aber Actionfans werden mit dem Film dennoch nicht vollends glücklich werden, denn viel mehr ist dann auch nicht. Vor allem das Finale hätte man sich dann doch etwas spektakulärer gewünscht, da hilft auch ein zusätzlicher "Kai aus der Kiste"- Bösewicht nicht wirklich.

Ausgleich in positiver Hinsicht ist dann aber die Handlung, die dank solider Grundidee und geschickter Dramaturgie (die zwei Ebenen mit der Ermittlung und dem Geschehen in der Klinik) hinreichendes Maß an Spannung generiert. Die Auflösung/Schlusswendung ist nicht sensationell oder rasend originell und für aufmerksame Beobachter auch zu erahnen (ich gebe zu, ich gehörte diesmal nicht dazu), aber insgesamt doch hinreichend überraschend und mit überschaubaren Logiklücken (um dann doch mal eine zu nennen: Was ist denn nun mit der ersten Leiche passiert und warum musste die sterben ?).

Im Cast findet sich einmal mehr der für harte Männertypen in Frankreich wohl unvermeidbare Albert Dupontel, der sich körperlich auf der Höhe zeigt, aber ansonsten nicht sehr gefordert wird - am Anfang reicht das Standardprogramm "brummiger Machocop", die hier nicht zu spoilernde Charakter-Wendung im letzten Drittel bekommt er dann nicht so ganz in den Griff. Das Frauenpersonal - darunter mal wieder die lange nicht mehr gesehene Marthe Keller - bietet schauspielerische Standardkost.

Also: Nicht irritieren lassen von den mäßigen Noten hier, ab in die Videothek und dem Film eine Chance geben. Das ist optisch ansprechendes, durchaus spannendes Thrillerkino mit nicht zu ausgelutscher Handlung. Nur beinharte Actionfans sollten trotz der hohen Freigabe kein permanentes Blutbad erwarten - zwei sehr gute Kampfsequenzen garantieren die Grundversorgung, viel mehr gibt es dann aber auch nicht.


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