Review

Fast möchte man meinen, "Sex and the City" steht unter Artenschutz, angesichts der ständigen Betonung, dass es sich um einen Frauenfilm handelt. Indoktriniert wird damit, dass man als Mann diese Art Film gar nicht beurteilen kann, weil hier das männliche Geschlecht nicht nur kaum eine Rolle spielt (höchstens als Love-Interest), sondern dazu noch hauptsächlich urweibliche Interessen bedient werden. Auch die oft hinzugefügte Argumentation, dass es für Männer schliesslich genug Filme a lá "Rambo" gäbe und Frauen endlich einmal auch ihr Recht auf persönliches Vergnügen bekämen, scheint Kritik von vornherein auszuschliessen. Dabei sind diese sogenannten "Männerfilme" oft grausam schlecht und bedürfen nicht weniger einer entsprechenden Kritik als "Sex and the City".

Merkwürdigerweise wird am ehesten das schamlose "Product-Placement" kritisch betrachtet, obwohl es sich dabei um den ehrlichsten Bestandteil des Films handelt. Wer "Manolos" mag und wissen will, was die Damenwelt von New York heute trägt, wird hier ausführlich informiert. Wenn sich Assistentin Louise (Jennifer Hudson) unglaublich über ihre Handtasche freut, die ihr Carrie (Sarah Jessica Parker) schenkt, dann ist das ein nachvollziehbares Gefühlt und so authentisch, dass man glatt vergisst, sich darüber zu wundern, dass die fähige Louise ihren Job aufgibt, weil sie zum Heiraten wieder in ihre Kleinstadt zieht.

Denn um etwas Anderes geht es - storymässig - gar nicht in diesem Film, als möglichst schnell unter die Haube zu kommen. Carrie scheint es gerade noch so geschafft zu haben, denn wie sagt die Chefin des Modemagazins so schön : "mit 40 ist es gerade noch nicht peinlich, in Hochzeitsklamotten fotografiert zu werden!" - "Puh, noch mal Glück gehabt!". Doch so einfach und undramatisch soll "Sex and the City" nicht ablaufen, denn während Carrie schon ihr Buch darüber vorbereitet, dass man mit 40 noch nicht zum alten Eisen gehört, und Vorträge darüber hält, dass auch Frauen ihres Alters (und Aussehens) noch vermittelbar sind, zieht ihr Mr.Big ausgerechnet am Hochzeitstag den Schwanz ein und lässt die arme Carrie sitzen.

Bis zu diesem Zeitpunkt war nur an äußeren Merkmalen zu erkennen, dass der Film auf der gleichnamigen Fernsehserie basiert, denn bis zum Tag der Hochzeit drehte sich alles nur um das Hochzeitskleid, die Einrichtung der zukünftigen gemeinsamen Wohnung und die Gästeliste für das große Fest. Die Freundinnen Samantha (Kim Catrall), Charlotte (Kristin Davis) und Miranda (Cynthia Nixon) bildeten bisher die applaudierende Staffage, aber schon naht das Unheil in einer frustrierten Miranda. Deren Mann Steve (David Eigenberg) beichtete nämlich seiner Angetrauten, dass er sie betrogen hätte, weswegen sie ihn nicht nur sofort verliess, sondern Mr.Big (Chris Noth) ausgerechnet am Tag vor der Hochzeit fragt, wie er so blöd sein könnte und heiraten wollte. Die Ehe würde alles nur kaputt machen.

Angesichts der psychologischen Nachvollziehbarkeit der hier Handelnden, muss die Frage gestattet sein, ob es sich tatsächlich um über 40jährige handelt, um die es sich hier dreht. Fähigkeiten wie partnerschaftliche Aussprache, Vermitteln eigener Gefühle oder verantwortliches Handeln sind im Film nur selten zu erkennen oder werden zugunsten einer dramatisch sein wollenden Geschichte zeitlich verschoben. Auffällig ist in dieser Hinsicht der Verlust der Qualitäten, die die Fernsehserie "Sex and the City" ausgemacht hatte. Die Eigenständigkeit der weiblichen Persönlichkeiten stand hier wesentlich stärker im Mittelpunkt, betont noch durch die Lässigkeit ihrer Gespräche. Natürlich drehte sich dort auch fast alles um Klamotten und Männer, aber aus einer selbstbewussteren Haltung heraus, die sich nicht nur darin definierte, möglichst schnell eine gute (und gut angezogene) Ehefrau abzugeben. Da wo die Serie frech war, ist der Film brav.

Auch Samanthas Rolle, die sich als Einzige gegen ein festgelegtes Partnerleben wehrt, und noch für die wenigen frivolen Momente zuständig ist, kann dieses Rollenklischee nicht kaschieren, denn sie taugt nicht als Vorbild. Ihre Träume lebt sie - im Versuch solide zu werden - nicht mehr real aus und wirkt im Gegensatz zu ihren Freundinnen latent frustriert. Kim Cathrell kämpft mit ihren Anfang 50 optisch durchaus erfolgreich gegen das Altern an, aber der Film kann nicht verbergen (und will es wohl auch nicht), dass sie sich, wenn sie nur von Sushi bedeckt auf ihren Freund wartet, auch ein wenig lächerlich macht.

Die Lächerlichkeit ihrer Freundinnen wird dagegen als ernstes Auf und Ab verkauft, das schliesslich aber doch zum gewünschten Erfolg führt - die Ehe und möglichst schnell Nachwuchs zeugen. Es mag sein, dass es sich bei "Sex and the City" um einen Frauenfilm handelt, aber hinsichtlich seiner familienpolitischen Ansichten wirkt dagegen jeder "Doris Day"-Film aus den 50er Jahren revolutionärer. Der Beruf, den die Damen ausüben und der ihnen ein gutes Auskommen beschehrt, wird immer nur behauptet - niemals sieht man eine der vier Freundinnen bei der Arbeit. Carrie gibt vorsorglich schon mal den Vorschuss für ihr nächstes Buch aus, dass man sie aber nie schreiben sieht. Zudem scheinen die Männer noch deutlich besser zu verdienen, was die Verhältnisse wieder ins rechte Licht rückt.

Natürlich kann "Sex and the City" Spass bereiten - Spass an coolen Klamotten, geilen Männerkörpern, anzüglichen Frauengesprächen und einer Geschichte, die sich der Erfüllung von Träumen nach einem wohlhabenden Leben mit der grossen Liebe widmet - garniert mit kleinen Irritationen, die dem ganzen einen realistischen Anstrich geben sollen. Der Fernsehserie gelang es, dank sprachlicher Ironie und dem Angriff auf die amerikanische Prüderie, den weiblichen Rollen Emanzipation einzuhauchen, aber auch Carries manchmal selbstkritische Worte aus dem Off können nicht übersehen lassen, dass damit Schluss ist. Wenn so Frauenfilme aussehen, können sich die Männer genüßlich die Hände reiben (2/10).

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