In sich weiterhin recht beständiger Konsequenz mit dem Umfeld des Triadenmilieus befassend kann man Regisseur Billy Chung mittlerweile fast als Messgerät für das entsprechende Genre einstufen; als aktive Rolle, die seit nunmehr schon 17 Jahren vielleicht nicht gleich die Hand am Puls der Gattung, aber die jeweiligen Entwicklungen zumindest diensteifrig nach gearbeitet hat. Von Legend of Chiuchow Brothers [ 1991 ] bis hin zum letztjährigen Undercover [ 2007 ] wurden mit kleinen zeitlichen Aussetzern und Abstechern in anderen Gefilde immer wieder Geschichten um aufsteigende Gangster, sich zur Ruhe setzen wollende Aussteiger, zwischen Beruf und Gesinnung zweifelnde Polizisten und den Machtkampf zwischen Verbrechern und Gesetzeshütern erzählt.
Aufgrund der Anpassungsfähigkeit von Chung und den veränderten Umständen bezüglich des Schwerpunktes der Handlung, des Produktionsvolumens oder auch der Mit- und Zuarbeiter ähneln sich die Schilderungen materiell genauso wenig wie formell. Ein Chung - Film ist trotz der Serienmäßigkeit nicht auf den ersten Blick identifizierbar und weist auch beim näheren Hinsehen keine genau überprüfbaren, stetig wiederkehrenden Kennzeichen auf; die zusammenziehende Eigenschaft und seine spezielle Individualität und Subjektivität ist vielmehr die handwerkliche Profession, die pflichtgetreu einordnungswillige Schmiegsamkeit und der Verzicht auf ein Extravagieren.
Auch Hong Kong Bronx, sein bisher aktuellstes Werk, heimlich, still und leise für wenige Tage ins Kino entlassen, zeichnet sich vor allem durch die aufnahmefähige Flexibilität und vorgefasste Ideen aus. Von vornherein im Budget begrenzt und deswegen mit wenig Handhabe ausgestattet verschafft Chung dem Film mit Kunstgriffen eine punktweise individuelle Präsenz; eine eigentümliche, vielleicht auch ein bisschen eigenbrötlerische, aber dennoch oder eventuell auch deswegen signifikante Aura. Im Dunstkreis der Gewalt. Mit dem Nimbus einer Sackgasse, die keinerlei Entkommen zulässt. Das Endziel steht bereits am Anfang, die Uhr tickt nicht nur bedrohlich, sondern zählt schon den Countdown des vollziehenden Verhängnisses herunter und lässt sich auch nicht mehr umstellen oder anderweitig aufhalten.
Die Gelegenheit des Entkommens hat es vielleicht einmal gegeben, existiert aber nicht mehr, nur noch als befristeter Kompromiss. Die Tragik speist sich aus den Versündigungen des vorangegangenen Lebens. Egal, was die handelnden Figuren jetzt noch tun und wie sehr sie sich auch bemühen, der Hoffnungsschimmer ist reine Illusion und verschleiert die wahren Tatsachen auch nur deswegen, weil Jeder sein eigenes Päckchen Schicksal trägt und die Gesellschaft längst aufgehört hat, Miteinander statt Gegeneinander zu arbeiten. Nur für den Zuschauer ist der Sachverhalt von vornherein eindeutig, der pragmatische Zusammenhang der Teil-Episoden einsehbar und auch in seiner fatalen Gesamtwirkung spürbar. Eine Parallelkonstellation mit ungesundem Realitätsbezug, in der Jeder um sein eigenes Überleben strampelt, aber Alle zusammen der Verrohung der Triebe ausgesetzt und damit auch dem Untergang geweiht sind:
Neil Shek [ Jordan Chan ] ist nach einer achtjährigen Gefängnisstrafe seit wenigen Tagen wieder an der frischen Luft, wo er sich mit Freund und Zellenkumpan Faye [ Timmy Hung ] an einer eigenständigen Renovierungsfirma versucht. Doch kaum in Freiheit holt ihn die Vergangenheit wieder ein; nicht nur, dass sich sein ehemaliger Boss Uncle Bo [ Wong Tin Lam ] erneut an ihn heranpirscht und ihm gefährdetes Territorium anvertrauen möchte, auch die direkte Konkurrenz Johnny [ Ricky Chan ] setzt dem anständig werden Wollenden heftig zu. Die Polizei ist keine Hilfe, vielmehr wartet Inspector Cheung [ Chan Hung Lit ] nur einsatzbereit auf die nächste Straftat von Neil. Mit Leidensgenosse Bull [ Kenny Wong ] schmiedet dieser an die Wand gedrängt seine Waffen.
Letzte Verzweiflungstaten, aus Motiven der Selbstverteidigung, der Selbstrechtfertigung und des aufgestauten Frustes. Die Aussichten in das innere Geschehen, in Gesinnung und Charakter vollziehen sich dabei über eine wesenhafte Wechselrede, die den Antrieb, die Bewegung, den Vorgang und die Rückwirkung nicht einmal explizit bei der Zentralfigur Neil, sondern den ihn umgebenden Menschen aufzeigt. Die Begleitumstände sind entscheidend, ebenso wie das Hauptaugenmerk zuweilen minutiöser Beobachtungen weder auf den Anfängen noch dem Abschluss, sondern auf der Darstellung der Verlaufs, dem Handeln und dem Leiden liegt. Viele Perspektiven ergeben trotz sprunghafter Inkonsequenz und Verzögerungstaktik irgendwann das ganze Bild einer ruhelosen Existenz.
Das Drehbuch und seine Auswirkungen sind dabei im besten Fall gängig, wenn nicht sogar generisch, ohne originelle oder unerwartete Lösungen. Auch hier ist die Phantasie offenkundig nicht reicher als das Leben. Spiel und Gegenspiel, Deutlichkeit und Diskretion finden auf einer kleinen Bühne ab, die titelgebende Hong Kong Bronx als einheitliche Plattform mit markanten Ecken, die jedesmal die Begrenzung der Arena und auch die Schranken des Daseins darstellen. Neil pendelt im Wesentlichen zwischen seiner Wohnung, der Schule, in die er seine beiden jüngeren Schwestern bringt, der Nachtbar von Rivale Johnny; im späteren Verlauf kommt noch das lokale Krankenhaus der damit erschöpfenden Reflexion hinzu. Ein lautloses Akzeptieren aller Probleme, ein nüchterner Ansatz ohne Schwer- und Wehmut, der sich wie seine Figuren fern epischer Haltung oder lyrischer Dynamik eher an der unteren Stelle der Hierarchie, am falschen Ende der Fahnenstange, an der Grenze des Niedriglohns beschäftigt und trotz derselben Rituale damit im konkreten Gegensatz zum Machtgefüge des Election Zweiteilers befindet.
Demgemäß ist auch die digital video Optik dem Anschein nach sehr einfach gehalten, ohne ästhetische Würde oder schöpferische Atmosphäre, ähnlich einen Fernsehdrama formaler Strenge, oder gar dem subsumierenden Zusammenschnitt einer noch preiswerteren Seifenoper gleich. Eine unkonventionelle Natürlichkeitsimagination. Die Schauplätze sind offensichtlich vor Ort gewählt und oft wie in einer Art frustriertem Protokoll gefilmt, mit banalem Niveau, unempfänglich steril und lebensfeindlich unwohnlich bebildert, ohne Schönheit, Zauber oder andere Reize; noch nicht einmal dem der Variation.
Eine zweifelhafte, klinisch tot wirkende Einheit aus fiktiven und semidokumentarisch wirkenden Elementen, zwischen Beschränktheit und Virtuosität, Aneignung und Distanzierung, Authentizität und Inszenierung, Hartnäckigkeit und Willkürlichkeit, die ihre isolierte Kraft abseits einiger überlappender Montagen nur aus dem Schauspiel beziehen kann und selbst dort höchst selten auf Mehrdimensionalität und Einfühlung trifft. Im verfremdet romantisierenden Finale dann plötzlich ein unorthodoxer Bruch: Verselbständigt sich die eigentümliche Künstlichkeit erzwungener Abstraktion in einen mythischen Rausch aus Manga und artifizieller, sichtlich computergestützter Gewalt, werden blindwütig Gliedmaßen abgehackt, Gläser ins Auge getrieben und monströs aufgeblähte Ströme von Blut durch die nächtlichen Straßen geschwemmt. Selbst der Mond färbt sich in poetischer Ausdrucksweise glutrot.