Review

Nachts. Eine verlassene Straße. Ein Auto fährt langsam auf die Kamera zu. Die schwenkt mit dem Vorbeifahren des Autos um 180°. Nun sieht der Zuschauer ein Close-Up des Gesichts eines verstörten Mädchens. Dann sieht er es von hinten. Sie ist nackt. Und man erkennt, ein großes Stück Haut wurde ihr vom Rücken entfernt. Dann wird das Mädchen von vorne gezeigt, wie sie langsam auf eine Kreuzung läuft. Und von einem vorbeifahrenden Bus erfasst wird. Der Bus verunglückt und explodiert. Aus den Flammen erscheint das Titelbild:

"Tattoo"

Danach wird die Hauptfigur eingeführt. Es ist ein Junge, der gerade in einer Disco das Tanzbein schwingt. Dann plötzlich eine Razzia. Der Junge kann entkommen, wird aber dann von einem glatzköpfigen, ruppig aussehenden Polizisten gestellt, den der Junge aber niederstreckt. Nicht unbedingt von Vorteil, denn der Junge ist Marc Schrader und hat es jüngst gerade noch so zur Polizei geschafft. Nun verlangt der Polizist, der ihn gestellt hat, Hauptkommissar Minks, dass Marc mit ihm zusammenarbeiten soll. Es wurde nämlich eine verbrannte Mädchenleiche gefunden, deren Zunge in der Mitte geteilt ist. Marc erkennt dies sofort als Bodymodifikation und muss daher auf Befehl von Minks nach dem Namen der Toten recherchieren. Mehr und mehr geraten die Beiden dabei auf die Spuren von perversen Tattoo-Händlern, denen alles zuzutrauen ist.

Klingt doch schon mal nicht schlecht. Ist es auch nicht. Zu Beginn überzeugt vor allem die Ästhetik der Bilder, der Anfang erinnert ein wenig an "The Hole", bei dem auch ein durch und durch entsetztes Mädchen durch die Straßen irrt. Gesprochen wird in "Tattoo" nicht viel, was sehr an "Sieben" erinnert, den der Film meines Erachtens sowieso als Vorbild hat. Da sind offensichtliche Gemeinsamkeiten wie die Tatsache, dass der Neuling mit dem routinierten Polizisten zusammenarbeitet. Aber auch eher versteckte Gemeinsamkeiten wie das andauernde Geräusch im Hintergrund. So ein Brummen. Wie von einer Fabrikmaschine oder ähnlichem. "Tattoo" kommt natürlich nicht an "Sieben" ran, macht aber seine Sache durchaus gut und weiß zu fesseln und zu unterhalten. Auch an Gewalt und blutigen Szenen wurde nicht gespart, im Gegenteil, vom Härtegrad übertrifft die deutsche Antwort auf Finchers Meisterwerk dieses vielleicht sogar. Spielt aber keine Rolle, ein Qualitätsunterschied aufgrund dieses Punkts ist natürlich nicht auszumachen.

Punkte verliert "Tattoo" aber wegen der fehlenden genauen Charaktereinführung. Oder allgemein gesagt: der Film beschäftigt sich zu wenig um seine Hauptpersonen. Ist ja gut und recht, dass Minks Frau bei einem Autounfall ums Leben kam und er darüber nicht erfreut und daher andauernd schlecht gelaunt ist, aber in ein Leben von Marc wird fast nicht geschaut. Gut, sein wochendliches Tanzen in der Disco wird gezeigt, aber zur Identifizierung mit der Hauptperson hilft das nicht bei. Schon allein die eine Szene bei "Sieben", wo Mills, seine Frau, und Somerset gemeinsam im Haus der Mills essen, bringt da viel mehr Tiefgang und Dialoge mit, als "Tattoo" im ganzen Film. Teilweise erscheint mir das so, als ob er fast übertrieben düster gehalten wurde. Gesprochen wird sehr, sehr wenig, und wenn, dann nichts Fröhliches oder Eindeutiges, sondern eher Zweideutiges, Verstecktes.
Diese Punkte sind nicht unbedingt von Nachteil, weil an der Kurzweile und der Düsternis nichts verloren geht, nur ich erwähne diese kleinen Mankos deswegen, da "Tattoo" ansonsten wirklich ein Film sein würde, der einem im Gedächtnis bleibt. Doch so verliert er sich zwar nicht im Mittelmaß, aber dennoch ist er zu, naja, vorhersehbar und klischeehaft, um dann eben ein richtig "eigener" Film zu sein. Das Ende weißt womöglich auf einen zweiten Teil hin, doch weder diese Tatsache noch der Schluss an sich überzeugen. Aber mehr dazu verrate ich nicht.

Die Schauspieler machen ihre Sache ganz gut, getragen wird er natürlich von den beiden Polizisten, die aber beide nicht sehr viel Einblick in ihre Gefühlswelt geben. Dennoch verbindet die Beiden nach einer Zeit eine gewisse Freundschaft, auch wenn sie sich zunächst nicht ausstehen konnten und sehr unterschiedlich sind.

Meine Meinung ist dagegen nicht unterschiedlich, "Tattoo" ist ein guter Film, keine Frage, der den Sprung zu etwas ganz Großem aber schon viel zu früh verpasst hat. Etwas weniger Düsternis (vor allem weil die so Möchtegern und gezwungen erscheint) und mehr Einblick in das Privatleben der Polizisten und dann hier und da noch etwas, und fertig wäre vielleicht der beste deutsche Film seit Jahren. Einen Anspruch wie "Sieben" hätte er sowieso nicht erreicht, aber vielleicht immerhin das Gedächtnis vieler Filmfans, die sich in ein paar Jahren noch an "Tattoo" erinnern. So verpufft der Film aber trotz seiner Qualität spätestens nach ein paar Wochen und wird einer unter den Vielen, die man schon gesehen hat.
7/10 Punkte, aber dennoch schade, man hätte noch mehr rausholen können!

Details
Ähnliche Filme