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Wenn man sich für das Jahr 2008 nach einem brachialen Flop umsieht, speziell in der Blockbusterabteilung, läuft man automatisch auf „Speed Racer“ zu – und auch wenn die Wachowski-Brüder wohl um das Risiko wußten, so einen Film zu produzieren, so ist es gut zu erkennen, daß es eine Herzensangelegenheit war, denn das Ergebnis ist nicht halb so schlecht, wie es die Kritiken den Zuschauer glauben machen möchten.

Sicherlich, es bedarf schon einiger Liebe zum Kino, um eine Anime-Realverfilmung in diesem Ausmaß genießen zu können, aber wenn man sich schon einmal mit den gezeichneten Serials beschäftigt hat, muß man bestätigen, daß die Matrix-Macher den Punkt getroffen haben.

„Speed Racer“ IST tatsächlich ein reales Anime, ein überbordender, allen Gesetzen der Physik Hohn spottender, grellbunt überladener Actionfilm, der so präzise an den Sehgewohnheiten vorbeizieht, daß sogar Kinder davon tränende Augen bekommen.

Die Story ist dabei praktisch nur ein gutgemeintes Vehikel: die Familie von Rennsportbegeisterten mit dem übertalentierten Sohn, dem unabhängigen Vater, der lieben Mama, der sexy Freundin und dem kleinen dicken Nervenbündel samt Spielschimpanse – alle im Kampf gegen die Mächtigen der Rennsportorganisationen (sprich: Rennsportmafia), im Kampf für Fairness und Sauberkeit.
In den Ring geworfen das Schicksal um den abtrünnigen und dann tödlich verunglückten Bruder, den der Held in dem mysteriösen „Racer X“ vermutet, der für sauberen Rennsport kämpft und fertig ist das Konstrukt, um 130 Minuten Film zu füllen.

Natürlich, die Lauflänge kann dem Zuschauer schon Angst machen, vor allem, wenn die überintensive Kitschfarbgebung, die so sehr in Primärfarben ersäuft, einem droht, Augenkrebs zu verursachen. „Speed Racer“ ist auf DVD schon ein Fest, in der dritten Reihe Parkett muß es einem Attentat gleichgekommen sein, diesen Film zu verfolgen: simpel und überbunt, noch dazu rasend schnell.

Aber gerade da wird der Film seinem Titel gerecht: er ist schnell, schneller, jenseits von schnell – und dazu vor allem jenseits jeglichen Realismus. Hier erwarten einen keine ordnungsgemäßen Autorennen, sondern futuristische Gestelle irgendwo zwischen Raumschiff und „Mad Max“, mit Fahrern die so ziemlich alles können, was wir bei „Transporter 2“ noch verlacht haben. Die Rennstrecken sind entweder monumentale Rallyes durch computerspielartig wechselnde Settings oder so sehr nach Achterbahnen geformt, daß die Physik einen Knoten in den Stirnlappen bekommt. Komplett am PC bzw. vor einer Greenscreen entstanden, geht es hier sowieso nur um den Drive.

Da sollte die Intellektualität mal Pause machen und die Story ist auch wirklich so simpel, wie funktionabel (wer sich beschwert, darf in seiner Jugend bitte nie Fan von irgendeinem Disneyrealfilm von 1950-1975 gewesen sein): Familie, Freundschaft, Aufrichtigkeit, Ehre, Ehrgeiz und der Wille zum Ruhm.
Das hätte dann auch noch viel peinlicher ausfallen können, aber alles wurde so arrangiert, daß niemand ausschließlich im Vordergrund steht, sondern sich das Geschehen durch die entsprechenden Rennen hangelt, wobei diese auch immer wieder für den Plot unterbrochen werden.

Am beeindruckensten ist aber die Realisierung des Animelooks, nicht der Farben, sondern der Erzähl- und Schnittweise. Letzterer ist hier, wie die Bewegung den ganzen Film bestimmt, stets fließend, meistens von links nach rechts fahren Szenenteile durchs Bild, grenzen Kommentatoren und Figuren das Geschehen auf der Rennbahn voneinander ab, alles ist ständig in Bewegung, wird verlangsamt, verzögert, beschleunigt, eingefroren, um Gedanken, Erinnerungen, Motivationen einzubauen. Das Auge muß in ständiger Bewegung sein, aber die Splitscreen in ihrer ureigensten Form ist Geschichte, das hier ist Fließkino und es ist so präzise geschnitten, daß man wirklich alles zugleich verfolgen kann, wenn man den nötigen Abstand besitzt.

Der Plot an sich ist natürlich ein bißchen gewollt, aber letzten Endes doch den Absichten dienlich, läßt Platz für alle und die Besetzung ist nun auch wirklich recht ansehnlich. Emile Hirsch kommt durchaus sympathisch rüber, wird aber lässig von Christina Ricci in ihrer Nebenrolle samt Pagenschnitt und hohen Stiefeln an die Wand gespielt (besonders bei Frauenschuhen erhebt der Fetischismus der Wachowskis mal wieder kurz sein Haupt).
Matthew Fox (Lost) muß sich zwar meistens unter seiner Racer-X-Maske verstecken, kommt aber imposant rüber und John Goodman und Susan Sarandon spielen genau das Elternpaar, was sich letztlich jedes Kind wünscht. Und selbst den kleinen Nervtöter samt Affen hat man so dezent eingesetzt, daß er offensichtlich nicht den ganzen Film retten sollte.

Für die Deutschen ist „Speed Racer“ dann noch eine weitere Freude fürs Mitpuzzeln, denn eine ganze Reihe bekannter Gesichter aus dem TV gibt sich in Nebenrollen die Ehre, am vergnüglichsten sicherlich Benno Fürmann als asiatisch aufgemachter „Inspector Detector“ und Ralph Herforth als fieser Streckenwidersacher, aber auch Moritz Bleibtreu und Cosma Shiva Hagen und andere sind zu entdecken – wenn man sich von der Farbdusche mal lösen kann.

Sicherlich, „Speed Racer“ ist anstrengend und an den Sehgewohnheiten des Durchschnitts vorbei inszeniert, der Look, die Machart, die Geschwindigkeit zu anspruchsvoll, die Story zu simpel, aber es ist ein Experiment, das in sich mehr als gelungen ist. Geld machen kann man damit weniger, als es vielmehr als berauschenden Meilenstein für das Computerkino sehen, vermutlich zitieren Filmgeschichtsbücher den Film später, wenn sich die Machart gänzlich durchgesetzt hat, als perfekten Meilenstein für die Wahrhaftigkeit, eine Vorlage zu adaptieren. Auf jeden Fall wird man die Qualität des Films erst später begreifen – „Speed Racer“ ist einfach zu sehr liebevolle Kunst und zu wenig massenkompatibel. Und das sollte ihn uns Seite an Seite mit „Dark Knight“ (das andere Ende der Blockbusterbalancestange was hohe Qualität OHNE große sichtbare Tricks angeht) sehr sympathisch machen, wenn Dutzendware wie „Die Mumie 3“ schon vergessen und verramscht sind. (8/10)

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