Einen sehr bemerkenswerten Italowestern schuf der Franzose Robert Hossein mit seinem einzigen Genrebeitrag. Schade eigentlich, wo qualitativ hochwertige Streifen innerhalb dieser europäischen Filmbewegung, die von viel zu vielen lieblosen Schnellschüssen aufgeweicht wurde, längst keine Selbstverständlichkeit waren.
Mit wie viel Leidenschaft Hossein sich diesem Film widmete, lässt sich allein schon daran erkennen, dass er in Personalunion die Funktion des Regisseurs und Hauptdarstellers übernahm, sowie das Drehbuch zusammen mit Filmikone Dario Argento schrieb.
„Friedhof ohne Kreuze“ hebt sich gleich in vielerlei Hinsicht positiv von seiner Verwandtschaft ab. Er ist zum einen ein sehr schweigsamer Western. Die Dialoge werden auf das Nötigste beschränkt. Blicke, Mimik und die oft mit symbolhaften Motiven hantierenden Kamerafahrten übertragen die Informationen in rauen, trostlosen Bildkompositionen, denen eine latent postapokalyptische Stimmung anhaftet.
Denn Robert Hosseins konzentrierte Regie beschränkt den Handlungsraum minimalistisch auf die nötigsten Kulissen und die sind in zwei von drei Fällen in ihrer atmosphärischen Auslotung denkbar ideal inszeniert worden. Besonders die tote, zerfallene Westernstadt, die die Wüste sich schrittweise wieder einverleibt, mit ihrer gruseligen Atmosphäre, könnte kaum besser gewählt werden.
Das Leitmotiv soll auch hier wieder die Rache sein, doch in einer ungeahnten Variation und daran lässt sich dann auch schon eine weitere Stärke von „Friedhof ohne Kreuze“ ausmachen. In seinem Nihilismus ist der Verlauf des Films nie vorhersehbar, denn es geht hier nicht um Blutrache sondern Erniedrigung und Genugtuung. Der Plan und die Durchführung derselben sind lange Zeit undurchschaubar, woraus neben der versierten Inszenierung eine ungeheure Spannung resultieren.
Denn Maria Caine („Angélique“ – Darstellerin Michèle Mercier) muss mit ansehen, wie ihr Mann Ben (der legendäre Benito Stefanelli in einer kleinen Rolle) von dem skrupellosen Farmer Rogers und dessen Söhnen vor ihren Augen aufgehangen und ermordet wird, weil er ihnen Geld stahl, dass eigentlich ihnen gehört. Während jedoch Caines Brüder lieber feige über die Grenze flüchten wollen und damit dem Druck Rogers, der ihr Land will, nachgeben, sinnt Maria auf Genugtuung und bittet ihren Ex-Geliebten Manuel (Hossein selbst), der in einer menschenleeren Geisterstadt sein Dasein fristet, um Hilfe.
Der lehnt zunächst mit der Begründung ab, dass er seinen Revolver nicht mehr ziehen würde und es zu spät für sie sei nun zu ihm zurückzukehren, erfüllt ihr die Bitte aber doch und infiltriert die Familie Rogers, rettet den Söhnen sogar das Leben, nur um seine kühl durchkalkulierte Strategie zu verfolgen: Das Erste, was er ihnen nimmt, ist Johanna, Rogers Tochter, die er in die verlassene Stadt zerrt und dort von Bens Brüdern vergewaltigen lässt.
Gnade kennt hier niemand, der Grundton ist hart und verzichtet auf jegliche Ausschmückungen oder Verzierungen. „Friedhof ohne Kreuze“ kann gerade wegen seiner schnörkellosen, nüchternen Erzählweise so überzeugen.
Die Bilder bleiben ausgebleicht und schmutzig, entsprechend damit der bedrückenden Grundstimmung des Films und schmiegen sich an die Handlungen der Pro- wie Antagonisten an, wobei es hier kaum wirkliche Sympathiefiguren gibt. Wenn auch menschlich nachvollziehbar, sind sie im Inneren durch Hass, Rache, Habgier und schlichtweg verlorenes Wertgefühl einfach zu verkommen.
Mit einem rassigen Score von Robert Hosseins Vater André versehen, steuert „Friedhof ohne Kreuze“ deswegen mit seiner kargen Bildästhetik jeden in sein Verderben. Die Hoffnung keimt zum Schluss noch auf, wird allerdings sofort erstickt. Selbst Bens Brüder tauchen in Marias Gleichung plötzlich als unberechenbare, gierige Konstanten auf, die in ihrer Verkommenheit fast alles zunichte machen.
Das Geschehen kulminiert in einem Showdown, der punktgenau den richtigen Abschluss schafft und vorbehaltlos die pessimistischen Charakterzüge des Italowesterns ausdrückt.
Ihren Anteil daran tragen auch die phantastischen Darstellerleistungen, wie man sie zu oft im Italowestern vermisst. Michèle Mercier, die ihre gesamte Karriere daran zu knabbern hatte, immer mit ihrer Paradefigur Angélique gleichgesetzt zu werden, sagt sich hier mit einer grandiosen Leistung von ihr ab und begeistert ganz in Schwarz gehüllt als kühle, rachsüchtige, schmerzerfüllte Witwe, die ihren Verlust den Rogers um jeden Preis heimzahlen will und wenn es ihr Leben kosten soll.
Spontan würde ich sagen, ist dies neben Claudia Cardinale in „Spiel’ mir das Lied vom Tod“ die stärkste Frauenfigur, die der Italowestern jemals zu bieten hatte.
Ihr Zusammenspiel mit Robert Hossein ist das Zünglein an der Waage, denn gerade weil ihre beiden Figuren sich ehemals näher standen und nun durch Bens Schicksal wieder zusammengeführt werden, resultiert aus ihrer Beziehung eine ungeheure Spannung zwischen Bangen und Hoffen auf einen Neuanfang.
Hossein darf dabei unglücklich und in sich gekehrt einen unglücklichen Revolverhelden geben, der mangels Lebensziele seinen Job aufgab und sich symbolträchtig vor jedem tödlichen Schuss einen schwarzen Handschuh überstreicht. Seine Performance steht der von Mercier in nichts nach. Ihren wohl denkwürdigsten Moment haben sie beide, als sich ihre Blicke während der Vergewaltigung kreuzen und beide krampfhaft davon überzeugt sein wollen, dass ihr Handeln gerechtfertigt ist.
Fazit:
Ganz starker Italowestern, der ausgerechnet von einem Franzosen inszenierte wurde. Robert Hossein, der vor allem als sadistischer Gegenspieler von Jean-Paul Belmondo in „Der Profi“ unvergesslich bleibt, inszenierte hier wirklich einen herausragenden Genrebeitrag, der in seinem trostlosen Pessimismus eintaucht und ganz darin ergibt.
Beispielhaft summieren sich hier die charakteristischen Motive des Italowesterns zu einem wahren Highlight, dem von seiner phantastischen Inszenierung bis hin zu den tadellosen Darstellerleistungen nichts vorzuwerfen. Klasse!
P.S. Das eröffnende Titelthema ist mir aus einem anderen Italowestern geläufig, da bin ich mir sicher, kann es allerdings nicht einordnen. Wer mir da auf die Sprünge helfen und für Aufklärung sorgen kann, möge mir doch mal bitte eine Mail schicken. Besten Dank.