Tja, das war wohl unausweichlich, nach Jahren des Rätselns ob und wann, ist der Mann mit Hut tatsächlich noch in den Lichtspielhäusern dieser Welt angekommen. Nach ein paar Jahren der kreativen Differenzen, unvereinbarer Terminpläne und einigen Drehbuchversionen (unter anderem von Frank Darnabont) konnten sich Spielberg, Lucas und Ford noch einmal zusammenraufen um den berühmtesten Archäologen der Welt ein viertes Mal auf ein großes Abenteuer zu schicken.
Wenn man sich ein wenig die Besprechungen und Meinungen seitens der Kinogänger im Internet anschaut, muss man feststellen, dass das Ergebnis mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurde. Von purem Hass über teilweise enttäuschte bzw. erfüllte Erwartungen bis hin zu ausufernden Lobpreisungen ist jede Reaktion zu finden. Nach verlassen des Kinosaals muss ich feststellen, alle haben sie irgendwie recht, jede Seite hat valide Argumente für oder gegen den Film. Wo man letztendlich seine persönliche Bewertung festlegt hängt viel mit der Erwartungshaltung und vor allem von der eigenen Kapazität ab, wie viele der offensichtlichen Schwächen man ignorieren kann während man sich auf den ebenso eindeutig vorhandenen Spaß konzentriert.
Worum geht’s, um Spoiler zu vermeiden nur ein kurzer Abriss der Handlung. Indiana Jones, inzwischen jenseits der 60 wird im Jahre 1957 von einer russischen Spezialeinheit in die Area 51 verschleppt um dort ein von ihm entdecktes Artefakt zu bergen, welches die US-Regierung unter Verschluss hält. Nachdem die Russen mit der Beute entkommen sind, wird Indy von einem alten Freund kontaktiert, welcher bei der Bergung eines ähnlichen Artefakts in Schwierigkeiten geraten ist. So schnallt sich Indy seine Peitsche um und zieht mit seinem neuen Sidekick gen Südamerika um das Geheimnis des Kristallschädels zu lüften und ein paar alte Freunde aus der Gewalt der Russen zu befreien.
Die größte Schwäche ist ohne Zweifel das Drehbuch, man kann vom mythologischen Hintergrund halten was man will, jedoch ist die Geschichte ab dem Moment, in dem der titelgebende Kristallschädel enthüllt wird absolut vorhersehbar. Es gibt keinerlei Überraschungen oder spektakuläre Enthüllungen. Die gesamte Plotentwicklung wirkt bei weilen arg überkonstruiert und entfaltet sich zu schnell, so ist Indy in der Lage jedes Rätsel, jede geheime Inschrift sofort richtig zu deuten und weis somit jeder Zeit wo er als nächstes hin muss. Hinzu gesellen sich noch einige arg zufällige Entdeckungen und Begegnungen, welche zwar das Tempo hoch halten, aber leider zu tollpatschig eingebaut sind, als dass sie der Zuschauer nicht bemerkt. Gerade die erste Hälfte des Films gibt sich erfolgreich Mühe Dr. Jones in der neuen Zeit, 1957, zu etablieren. Spielbergs Auge für Details und Kamera machen sich hier am besten bemerkbar, die Kommunistenhysterie wird auf süffisante Weise zum Plotinstrument gemacht, dann aber wieder völlig fallen gelassen. Hier bleiben ganze Sublots auf der Strecke die wohl nur eingebaut wurden um ein paar Actionszenen mehr in der ersten Filmhälfte zu erzwingen. Einige Sachen sind wohl nur eingebaut worden, weil jemand der Meinung war, ein Indiana Jones Film braucht eine Szene in der Indy… Die Eingebornen Gegen Ende sind so ein Beispiel, sie sind storytechnisch völlig irrelevant, ihr Anwesenheit an diesem Ort ist nicht mal unbedingt logisch, aber Hauptsache man hat eine Szene in der Indy von einem Haufen Pfeile und Schleudernutzender Eingeborener flieht. Szene abgehakt, weg mit dem unnützen Handlungskonstrukt. Auch die vorherigen Episoden hatten unrealistische übernatürliche Elemente, aber diese kamen mehr oder weniger überraschend, wenn die Bundeslade von den Nazis geöffnet wurde, war absolut unklar was nun passieren wird wenn man den Film nicht kannte. Diesmal ist das anders, nicht nur ist die Auflösung meilenweit vorhersehbar, sie ist dann auch noch äußerst einfallslos und unspektakulär umgesetzt. Man fühlt sich als Zuschauer quasi um das Finale betrogen, denn es gibt keines. Mit Cate Blanchett hat der Film zwar eine tolle Schurkenrolle, nutzt diese aber kaum effektiv, ihre Anwesenheit in den letzten 20 Minuten ist bestenfalls schmückendes Beiwerk. Indy’s allerdings auch, das Finale läuft komplett auf Autopilot ohne Interaktion mit den Figuren und ist der mit abstand schlechteste Teil des Films, eigentlich der ganzen Serie. Ein weiteres Ärgernis sind einige völlig überzogene Stunts, diese gehen dann meist mit exzessiven CGI Einsatz einher. Klar, es ist ein Abenteuerfilm, ein Actionfilm, da muss nicht alles super realistisch sein, allerdings gibt es eine Grenze, was an Realitätsbruch zumutbar ist und Indy4 überschreitet mehrfach diese Grenze bei weitem, und erreicht damit fast einen Comicgrad der an Kung-Fu Hustle erinnert. Bei diesen Szenen, Stichwort Kühlschrank, Tarzan, Wasserfall Nr.3, wird man fast gewaltsam aus der ansonsten brillanten Atmosphäre gerissen.
Das klingt jetzt vielleicht alles arg negativ, jedoch lässt das Hauptargument für den Film, viele dieser Kritikpunkte abperlen oder hält sie zumindest geschickt unter dem Teppich. Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels ist ein wahrer Indiana Jones Film! Er ist kein müder Abklatsch, kein halbgares Remake, kein Schatten seiner Selbst, es ist Indy4 von Anfang bis Ende. Wir haben Spielbergs meisterhafte Inszenierung, John Williams’ zeitlosen legendären Soundtrack und natürlich Harrison Ford als Indiana Jones. Er hat graue Haare und einige Falten, aber ist nach wie vor Indy. Es gibt eine Szene in Jones Büro, in der er einen historischen Brief entschlüsselt. Vorher wollte er ja mit der Story gar nichts zu tun haben, aber in diesem Moment blüht der alte Mann noch einmal richtig auf, er wird von einem alternden Professor wieder zum zielstrebigen Abenteurer. Harrison Ford spielt brillant, voller Charme, Selbstironie und einer Energie, die man ihm vorher gar nicht zugetraut hätte. Der Rest der Besetzung ist auch in Top-Form, wenn auch leider nicht wirklich sinnvoll integriert und mit zu wenig Screentime, aber das ist ein Drehbuchproblem, kein darstellerisches. Man kann über die Notwendigkeit von Shia LaBeauf’s Rolle streiten, aber er hält tapfer gegen die unüberwindbare Präsents von Ford gegen und lässt sich nicht an die Wand spielen. Wie bereits erwähnt Cate Blanchett als russischer Spezialagent auf der Jagd nach einer übernatürlichen Superwaffe ist eine tolle Schurkin, vielleicht hätte sie etwas böser sein dürfen. Aber im Punkt Gewalt gibt sich der Film völlig harmlos, alle drei Teile davor, waren um Welten härter in den Actionszenen, hier bleibt alles jederzeit jungendfrei und die Anzahl an Toten hält sich in sehr überschaubaren Grenzen (das muss jetzt nicht unbedingt schlecht sein, aber es ist definitiv eine Diskrepanz zu den alten Teilen). Einzig Ray Winstones Rolle ist sehr undankbar, comichaft überzeichnet und eigentlich völlig unnötig, aber auch er spielt gut. Selbiges gilt für Karen Allen und John Hurt, auch wenn beide einfach zu wenig eingesetzt werden und leider erst etwas spät im Handlungsverlauf einsteigen.
Fazit: Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels ist ein ungeheuer unterhaltsames Stück Kino. Es gibt wenige Streifen die so stark allein über die erweckten Nostalgiegefühle punkten können wie dieser. Ein Spielbergstreifen mit John Williams Musik und Harrison Ford als Indiana Jones! Was kann man mehr verlangen als ein solch rasantes spaßiges Abenteuer für jung und alt. Klar objektiv muss man festhalten, dass das Drehbuch leider extrem schwach und unausgegoren ist und sowohl Plot als auch Actionsequenzen das ein oder andere Mal stocken oder übers Ziel hinaus schießen. Jedoch kann man durch die reine Freude hier einen waschechten Indiana Jones Film zu sehen über diese Ungereimtheiten gerne hinwegsehen. Das Warten hat sich also gelohnt, so viel Liebe zum Detail bekommt man ansonsten in seinem Sommer-Blockbuster nicht geboten. Indy 5 kann kommen, aber dann bitte mit einem besseren Script…
PS: Indiana Jones and the Fate of Atlantis hatte eine weit bessere, überraschendere Geschichte als dieser Film. Das tut zwar für dieses Review nichts zur Sache, aber ich musste es an dieser Stelle einfach noch loswerden.