Gesichter, die Bände sprechen
Ingmar Bergman dirigiert Ingrid Bergman… was für eine legendäre Paarung, die nur einmal/hier zustande kam! Doch auch neben diesem Zusammentreffen der schwedischen Ikonen des Weltkinos kann man „Herbstsonate“ auch heute nur als höchst potentes, trauriges und leidenschaftliches Familientheater und wahres Meisterwerk beschreiben. Einer der besten Filme beider Bergmans. Und das heißt was… Über eine Mutter und berühmte Konzertpianistin, die nach Jahren ihre solide Tochter besucht, was alte Narben, Leidenschaft und Konflikte zwischen den beiden aufreißt…
Eine der ultimativen Mutter-Tochter-Beziehungen
Wenn ich nur eine Filmographie mit auf eine einsame Insel nehmen dürfte, wäre Ingmar Bergman sicher in der sehr engen Auswahl. Denn aus seinen menschelnden und oft tieftraurigen, philosophischen und doch nahbaren Filmen kann ich auch nach mehrmaligem Schauen einfach unendlich viel ziehen, Neues wie Altes. Sie wachsen mit mir, ich wachse in sie hinein. Ein wahrer Meister seiner Zunft, wenn es je einen Meister gab. Filmkunst und Historie, die zur Grundausbildung wurde. Noch heute studiert wird. Und „Herbstsonate“ ist da keine Ausnahme. Eher eine seiner feinsten Stunden. Seine Darsteller geben alles, seine Figuren sind tragisch und verlässlich, seine Dialoge messerscharf und seine Bildsprache klarer als Kloßbrühe. Fast ein Kammerspiel. Bitter und doch nie ganz ohne Hoffnung. Herbstlich und hochgradig sensibel. Klassisch und doch zeitlos. Gefühlvoll, aber nie sentimental. Ein kompromissloses Kunstwerk. Schauspielkunst vom Allerallerallerfeinsten. Die Bergman darf endlich mal außerhalb des Hollywoodsystems, in ihrer Heimat, eine brachiale Leistung bringen. Legendär. Ihr letztes Auftritt. Unvergesslich. Delikate Klaviatur der Emotionen. Schmerzhaft und pur. Auch Liv Ullman als Ingmars Muse und Langzeitkollaborateurin ist wieder unfassbar gut. Immer zwischen Zerbrechlichkeit, Anmut und Wut. Das Durchbrechen der dritten Wand. Die Rollen und Traumata von Frauen in unserer Gesellschaft. Die Gegensätze von Beruf und Mutterschaft. Die klassische Musik und allgemeine Kraft der Kunst. Die vollkommen schutzlose Ehrlichkeit. Zutiefst persönlich und intim, auch im Metasinne auf den Workaholic Bergman selbst gesehen. Es tun sich Gräben auf. Es ziehen Wolken auf. Die Augen werden glasig. Die unkaputtbare Liebe zur Mutter ist mehr als nur angeknackst. Und Ingmar Bergman hat’s mal wieder geschafft… Ganz, ganz nah an der Höchstnote. Perfekter Einstieg auch in Bergmans Schaffen. Hat mir richtig Lust gemacht endlich ALLES von Bergman in der näheren Zukunft zu sichten und suchten. Das wird ein Fest. Denn, ich will nicht übertreiben, aber in "Herbstsonate" gibt es ein paar der krassesten Offenbarungseide, Dialoge und Gefühlsausbrüche, die je auf Zelluloid gebannt wurden...
Fazit: Bergman + Bergman = emotionales, tiefgründiges und menschliches Meisterwerk!