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Robert Downey Jr. ist Tony Stark ist Iron Man. In Jon Favreaus kongenialer Comicverfilmung verschmelzen alle drei Personen dermaßen harmonisch ineinander, dass sogar ein Schauspielschwergewicht wie Jeff Bridges neben ihm locker verblasst. Am erstaunlichsten ist, dass die perfekt modernisierte Heldengenese neben spaßig inszenierten Verbal- und Realduellen immer wieder Zeit findet, die moralischen Aspekte eines Playboys/internationalen Waffenhändlers kritisch zu hinterfragen.

Mit Hilfe einer selbstkonstruierten Kampfrüstung entkommt der exzentrische US-Waffenindustrielle Tony Stark (Robert Downey Jr.) der Gefangenschaft internationaler Terroristen. Durch diese Erfahrung schwört er zum Missfallen seines Geschäftspartners Obadiah Stane (Jeff Bridges) der Rüstungsindustrie ab und treibt stattdessen mit Hilfe seiner treuen Sekretärin Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) und Navy Lt. Col. James Rhodes (Terrence Howard) die Konstruktion seines Kampfanzugs weiter voran. Doch dieser Schritt ruft Feinde von unerwarteter Seite auf den Plan.

Die Skepsis, speziell in Europa, war vor dem Kinostart groß: Die Comicfigur „Iron Man" galt als reaktionärer Dinosaurier aus der Hochphase des Kalten Kriegs, erfunden in einer Ära, in der blinde Fortschrittsgläubigkeit die Menschheit an den Rand eines Nuklearkriegs trieb. Zudem brachte die Transformer-Reihe (2007-2011) das amerikanische Blockbusterkino in den Verruf, wenig mehr als plumpe Werbevideos für das US-Militär und Spielzeugfiguren zu sein. Kurz: Die traditionell liberal eingestellte Kinokritik war aufs Schlimmste vorbereitet und war deshalb umso mehr überrascht, als sie schließlich den fertigen Film sahen. Auch, weil viele geflissentlich übersahen, dass die politische Umdeutung des Marvelhelden in den Comicvorlagen schon längst vollzogen war. Trotz seines martialischen Ansatzes einer globalen Selbstjustiz schafft „Iron Man" (2008) den Spagat, nicht nur ein konservatives, sondern auch ein linkes Publikum anzusprechen. Wer hätte beispielweise gedacht, dass der ehemaligen Hedgefonds-Manager Jim Cramer (als er selbst) und der ultralinken Rage-Against-The-Machine-Gittarist Tom Morello in einem gemeinsamen Film Cameos absolvieren? Regisseur Jon Favreau („Zathura - Ein Abenteuer im Weltraum", „Cowboys vs. Aliens") nimmt konservative Ideal- und Feinbilder dazu, um sie dann umso effektiver dekonstruieren zu können. So sind es im fertigen Film nur vordergründig böse Terroristen, sondern vielmehr die Verstrickungen seines hauseigenen Konzerns „Stark-Industries" in den illegalen, internationalen Waffenhandel, die Tony Stark zur Figur Iron Man machen. Solche und weitere feine Pointen platziert der Film in schöner Regelmäßigkeit, wobei man natürlich kein Lehrstück über die amerikanische Waffenindustrie erwarten sollte. Trotz seines eher düsteren Backrounds schafft es „Iron Man" (2008) wie keine andere Genrevertreter, den Superheldenverfilmung den Spaß am hemmungslos infantilen Radau wiederzugeben - passenderweise orchestriert mit einem krachendem Classicrock-Soundtrack mit AC/DC und Black Sabbath. Während sich die besten Vertreter der Konkurrenz bis dahin fast schon krampfhaft bemühten, ihre Superhelden ernst zu nehmen („Dare Devil", „Batman Begins") und sie in (wertfrei) soap-artige Dramen mit ihrem sozialen Umfeld ausfechten zu lassen („Spiderman 1-3", „X-Men 1-3") fegt „Iron Man" (2008) wie ein Orkan durch seine Umwelt und zelebriert Rock'n Roll. Und seine Umwelt? Die hat sich gefälligst auf ihn einzustellen! Besonders prägnant wird das in der perfekt geschriebenen Finalszene des Films, die auf auf erfrischende Weise, den Geheimidentitäten-Fetisch seiner Superheldenkollegen aufs Korn nimmt. Für ein großes Kind im Manne wie Tony Stark es ist kann man sich kaum jemand anderes vorstellen, als Robert Downey Jr., der als geläutertes Drogenwrack, zu dem er sich bis Mitte der Nullerjahre gemausert hatte, quasi als Experte für den exzentrischen Exzess gelten darf. Und Downey Jr. holt wirklich alles aus der Rolle heraus, die ihn über Nacht vom Superhelden zum Superstar machen sollte. Dankenswerterweise legt Regisseur Jon Favreaus einen (sehr spaßigen) Schwerpunkt auf die Charakterzeichnung seiner Titelfigur. Robert Downey Jr. nimmt diese Steilvorlage dankbar an und zelebriert nach dem obligatorischen Eröffnungsknall in den ersten 20 Minuten des Films einen völlig abgehobenen und egozentrischen Howard-Hughes-Verschnitt, ein charismatisches Arschloch bar jeglicher moralischer Wertvorstellungen oder Gewissenbisse. Ein liebenswertes Ekel, das den vollkommenen Exzess dann doch ein wenig anders zelebriert, als die Explosionsorgien der übrigen Comic-Konkurrenz. Den einzigen Vorwurf, den man seiner Performance anlasten kann, ist jene, dass seine Mitstreiter, immerhin Charakterdarsteller wie Jeff Bridges und Terrence Howard vergleichsweise blass bleiben.

Überraschenderweise ist Gwyneth Paltrow als Starks resolute Sekretärin Pepper Potts weit mehr als pure Dekoration und sticht durch einige schöne Kabbeleien mit ihrem Arbeitgeber positiv hervor. Möglich macht dies ein perfekt geschriebenes Drehbuch, das trotz vier Schreiber (den beiden Schreiberduos Mark Fergus & Hawk Ostby sowie Art Marcum & Matt Holloway) erstaunlich homogen wirkt. Es bietet neben einer Wagenladung knackiger und erinnerungswürdiger Dialoge eine äußerst stimmige Dramaturgie, die die Heldengenese Iron Mans in den Vordergrund stellt, ohne zu vergessen, einen angemessenen Schurken zu etablieren. Die alte Faustregel, dass zu viele Köche den Brei verderben, trifft hier definitiv nicht zu.Ganz nebenbei bildet „Iron Man" (2008) auch den Startschuss von Marvels „Phase1", die 2012 in der spaßigen Superheldenhochzeit „The Avengers" (2012) ihren Abschluss fand. Auch hier schafft es das Drehbuch, organisch erste Grundlagen einzuweben, ohne den Fokus der Handlung zu sehr von der Figur Iron Man abzulenken. Zu verdanken ist das auch dem Publikumsliebling Agent Coulson, dargestellt von Clark Gregg, der mit dem zurückhaltenden Charme eines Regierungsbeamten seiner Behörde, der Strategischen Heimat-Interventions-, Einsatz- und Logistik-Division, einen etwas schmissigeren Namen geben darf.

Das Endergebnis ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, weil der (immer noch sehenswerte) Nachfolger beweist, was alles schiefgehen kann und es eben nicht reicht, einen Robert Downey Jr. auf Autopilot spielen zu lassen. „Iron Man" (2008), der Startschuss für den Siegeszug von Marvel im Genre der Comicverfilmungen ist die nahezu perfekte Genese aus allen Teilen: Ein gutes Drehbuch, interessante Charaktere, eine fokussierte Regie, gut aufgelegte Darsteller und nicht zuletzt der Funken unkonventionellem Genies, der nötig ist, um aus Filmen Klassiker zu machen.

Daran werde ich mich erinnern: Der rasante Start in Tony Starks exzentrisches Milliardärsleben.

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