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EISERNER HEIMATSCHUTZ

Wenn Du eine Comic-Verfilmung vor Dir hast: lass zur Sicherheit den Anspruch auf Realismus sausen, denn das kann den Filmgenuss heben. Nicht, dass Comics und ihre Verfilmungen stets überhöhte Realitäten schaffen und Unmögliches erzählen , denn dem ist nicht so, aber wenn es wie bei "Iron Man" um die Superhelden-Geschichten geht, dann sollte man sich nicht wundern, wenn sogenannter Quatsch geschieht.

All das Unglaubhafte, Absurde, Unmögliche und Unlogische, von dem der Film randvoll ist, sei also geschenkt, denn es gehört zu der Welt, in der sich der Waffenproduzent und damit indirekte Massenmörder Stark zum Retter von Menschenleben in Eigenregie wandelt. Nun ja, freilich rettet er diese Menschenleben nur, indem er wiederum tötet - klar. Allerdings sind es diesmal die Richtigen. oder besser: Diejenigen, von denen uns der Film weismachen will, dass es die "Richtigen" seien. Wenn amerikanische Soldaten oder afghanische Zivilisten mithilfe von Waffen aus Starks Produktion ermordet werden, ist das, so die Realität des Films, schrecklich und führt beim Firmenchef zu einer profunden Läuterung. Wenn er daraufhin die Bösen ermordet, die eben sehr böse aussehen (d.h. entweder Bart oder Glatze oder beides tragen und mit düsterem Blick rumlaufen), dann geht das natürlich in Ordnung und es darf applaudiert werden. Um es klar zu sagen: dieser Film wird getragen von einer dämlichen Feindbild-Konstruktion, die seit der McCarthy-Ära keine wirkliche Entwicklung erfahren hat: der reaktionäre Teil Amerikas besteht auch nach dem Zusammenbruch des Sozialismus auf einer dreist-plumpen Gut-Böse-Zeichnung, die ihr niederträchtiges Gegenüber stets ausfindig machen wird. Und das mit einer Eindeutigkeit, die den differenzierter Denkenden die menschliche Schamesröte ins Gesicht treiben kann. Schade, dass "Iron Man" sich auf dieser Ebene so Ernst nimmt. Ein wenig Ironisierung z.B. durch Kollateralschaden auf amerikanischer Seite aufgrund des zum Teil unausgereiften und unkontrollierten Einsatzes der High-Tech-Rüstung hätte zwar nicht zur Glaubwürdigkeit beigetragen, sehr wohl aber mehr Sympathie für den Film hervorgerufen. Aber natürlich wird der wegen Iron Man auf den Schleudersitz angewiesene US-Pilot von ihm gleich gerettet, was dann auch noch Applaus bei der Militärüberwachung hervorruft. Und auch die Guten sind dementsprechend gleichermaßen übergut und werden eindeutig ausgemacht: die "Strategic Homeland Intervention Enforcement and Logistics Division" erinnert natürlich an das reale United States Department of Homeland Security (zu Deutsch: Heimatschutz-Ministerium), das seit 2002 dafür sorgt, dass Amerikas rauschende Wälder etc. terroristenfrei bleiben. Dass im Film das sogenannte "SHIELD" sich selbst als autonom neben FBI und CIA bezeichnet, sollte man ruhig kritisch sehen, denn wozu Regierungsstrukturen zahlreiche einander widerstrebende Behörden braucht, weiß man aus der jüngeren Geschichte ganz gut. Nur, dass die Macher von "Iron Man" das so offenbar nicht sehen oder gesehen haben wollen.

Nun, aber das ist doch Action-Popcorn-Blockbuster-Kino: da will man doch nicht über so Sachen nachdenken, sondern da will man Action, da will man Popcorn und da will man, dass der ein oder andere Block gebusted wird. Gut, dann ist die Unglaubwürdigkeit eben Teil eines solchen Films und damit Geschmackssache und das Menschenbild zwar geschmacklos, aber zugunsten des Entertainments zu akzeptieren. Bleibt für mich immernoch die nullachtfuffzehn-Erzählung, die über weite Strecken so undramatisch ist, dass man es kaum bemerken würde, wenn man den Pause-Button gedrückt hätte. Die Storyline taugt kaum zum großen Blockbuster-Kino: die Gegner des Helden sind entweder so global oder so privat, dass sich der Zuschauer kaum betroffen fühlen kann, und eben die üblichen Verdächtigen in Amerika: die Terroristen und ein Abklatsch des Mad Scientist. Auch Starks Beziehung zu seiner Sekretärin kommt nicht wirklich aus den James-Bond-Latschen: kein Zweifel, dass diese Figurenkonstellation auf das Serielle angelegt ist. Und das bleibt vor allem als fader Nachgeschmack: den Auftakt zu einer Filmreihe gesehen zu haben, der zwar einen Helden etabliert, aber über das Niveau eines TV-Pilotfilms auch nicht hinauskommt. Für die Zuschauer, die das aus irgendwelchen Gründen nicht wahrnehmen konnten, gibt es nach dem Abspann noch eine Szene, in der der Iron Man von der Strategischen Heimatinterventions-Einsatz- und Logistikdivision rekrutiert wird: "Iron Man 2" ist für 2010 angekündigt.

Robert Downey Jr. wurde meines Erachtens in diesem Film eher verheizt, denn er kann zwar seine übliche Präsenz einbringen, aber mehr auch nicht. Er wirkt als hätte man Al Pacino in eine Würstelbude gesetzt. Überraschender, weil unüblicher ist Jeff Bridges, der mal nicht den Lieben Kerl gibt, sondern mit Glatze und Bart einen ungewohnten Eindruck macht. (Nur nebenbei bemerkt hat sich eine Szene eingeschlichen, die so gar nicht in den Film passt: als der Iron Man nach heftigem Einsatz durchs Dach seiner Luxusvilla heimkommt und nicht brennt, löscht ihn fürsorglich ein etwas tumber Roboter. Diese Szene gehört mit ihrem Soundeffekt in einen Spielbergfilm, aber das scheinen weder Faveau noch Spielberg zu wissen.) Über die Effekte braucht man nicht streiten: das sieht alles gut aus - nur: es sieht auch nicht aus, wie ein Comic. Wo z.B. "Hellboy" oder "Sin City" den Look der Comicvorlagen filmisch umzusetzen versuchen, setzt "Iron Man" auf Realismus. Moment mal - den wollten wir uns doch lieber schenken! Dann schnell zum Fazit: amerikanisch-reaktionäres Blockbusterkino ohne Überraschungen, aber mit austauschbarem Hauptdarsteller und der überdeutlichen Androhung von Fortsetzungen.

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