Biopics über Musiklegenden sind in den vergangenen Jahren zu einer neuen Modeerscheinung geworden. Doch bevor das Leben von Größen wie Ray Charles und Johnny Cash verfilmt wurde, war es im Jahre 1999 der Jazzmusiker Emmett Ray, dessen Leben vom genialen Woody Allen verfilmt wurde. Allen erzählt in „Sweet and Lowdown“ die in den 30er Jahren angesiedelte Geschichte des „zweitbesten Gitarristen der Welt“, der Zeit seines Lebens im Schatten der Gitarristenlegende Django Reinhardt stand. Größtes Problem an diesem Biopic jedoch ist: einen Emmett Ray gab es nie!
Allen versucht dieser fingierten Biographie das Erscheinungsbild einer Dokumentation zu geben, indem er immer wieder eigene Kommentare sowie Kommentare von Kennern der Musikszene und vermeintlichen Kennern & Biographen des Protagonisten einstreut. Kommentare, die immer dann, wenn der Zuschauer kurz davor steht, wieder die Fiktion hinter dem Erzählten zu entdecken, der doch mitunter recht abgefahrenen Story ein Stück dokumentarischer Glaubwürdigkeit zurückgeben. Und es gelingt im tatsächlich. Für 90 Minuten vergisst man, dass man es mit einer fingierten Geschichte zu tun hat; die Einbindung der historischen Figur Django Reinhardts verstärkt dieses Empfinden umso mehr.
In der Rolle des egomanischen Emmett Ray überzeugt Sean Penn auf voller Linie. Er verleiht seiner Figur, die so seltsamen Hobbys wie dem Erschießen von Ratten auf der Müllkippe und dem Beobachten von vorbeifahrenden Zügen nachgeht, eine ungeheure Glaubwürdigkeit. Er begeht in einer schauspielerischen Ausnahmeleistung eine Gratwanderung zwischen Egozentrik und elegantem Charme und liefert damit in „Sweet and Lowdown“ eine der besten Leistungen seiner Karriere ab! Dieser herausragenden Leistung steht Samantha Morton als Emmetts stumme Lebensgefährtin Hattie in nichts nach. Sich lediglich auf das Spiel von Gestik und Mimik verlassend läuft sie zur Hochform auf und erzielt so den wohl gewünschten Effekt: als liebenswert naives Gegenstück zu Emmett Ray stellt sie die perfekte Ergänzung zum selbstverliebten Musiker dar und spielt sich so in die Herzen der Zuschauer. Hattie scheint auch die einzige zu sein, die Emmett das entgegenbringt, was er sich so sehnsüchtig wünscht: Respekt. Sie respektiert und liebt ihn, und er liebt sie dafür, dass sie ihn respektiert, an seinen Träumen über die Karriere als Weltstar partizipiert und – wenn es auch nur eine Kleinigkeit ist – selbst in schlechten Zeiten an seinen Geburtstag denkt: Respekt- und Liebesbekundungen, die er so nie zuvor und auch später nie wieder erfahren hat. Die darstellerischen Leistungen sind es dann auch, die „Sweet and Lowdown“ so sehenswert machen. Das, was der Plot über weite Strecken vermissen lässt – Tiefe und Entwicklungsfähigkeit – bringen Penn und Morton, aber auch Nebendarsteller wie Uma Thurman, mit sich. Dieses Schauspiel lebt in der Tat vom Schauspiel selbst.
Woody Allen erschuf mit „Sweet and Lowdown“ eine mittlerweile zu wenig beachtete fiktive Biographie, die komisch und tragisch zugleich ist. Das Zeitkolorit der 30er Jahre, das Allen durch Kulissen und Kostüme, vor allen Dingen aber durch erstklassige Untermalung schöner Bilder, einfängt, läd den Zuschauer dazu ein, sich in jener „Lebens- und Schaffenszeit“ von Django Reinhardt und Emmett Ray wohlzufühlen; ein überragender Sean Penn rundet die ganze Sache ab. 8 von 10 Punkten!