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Charles Chaplin (16. April 1889 - 25. Dezember 1977) war ein begnadeter Komiker. Seine geniale Kunstfigur "Der Tramp" (Markenzeichen: Melone, Stock, und Zweifingerschnurrbart) begeisterte das Publikum über Jahrzehnte und ist eine amerikanische Filmikone, die aus der Filmgeschichte nicht mehr wegzudenken ist. Daß er auch ohne den Tramp imstande war, einen großartigen Film abzuliefern, bewies er 1947 eindrucksvoll mit Monsieur Verdoux, einer "Comedy of Murders", die ihrer Zeit weit voraus war und in den USA spektakulär floppte. Dieser so bitterböse wie subversive Film basiert lose auf dem französischen Serienmörder Henri Landru, der während des 1. Weltkriegs zehn Frauen getötet haben soll. In Chaplins Bearbeitung dieser Geschichte (ursprünglich übrigens ein Projekt von Orson Welles, dem Chaplin die Idee abkaufte) heißt der Frauenmörder Henri Verdoux, wird vom Regisseur selbst gespielt und stellt sich zu Beginn - bereits einen Kopf kürzer und begraben - auf folgende Weise vor: "Good evening. As you see my real name is Henri Verdoux, and for thirty years I was an honest bank clerk until the depression of 1930, in which year I found myself unemployed. It was then I became occupied in liquidating members of the opposite sex." Vom Bankangestellten zum Serienmörder, ein etwas seltsamer Berufsweg, aber in seinem neuen "Job" blüht Verdoux so richtig auf. Und recht einbringlich ist das ganze auch noch, schließlich hat er (eine gelähmte) Frau (Mady Correll) und Kind (Allison Roddan), die versorgt werden müssen.
Charles Chaplin ist toll als Antiheld Verdoux, ein gerissenes, sympathisches Schlitzohr, das die Schwachstellen seiner Opfer (fast alles veritable Schreckschrauben) in kürzester Zeit ausfindig macht und diese aufs schamloseste ausnutzt. Dabei erweist er sich als Meister im Süßholz raspeln, und seinem Charme und seiner Beharrlichkeit haben die Frauen nichts entgegenzusetzen. Chaplin setzt hauptsächlich auf bissig-pointierte Dialoge und hintergründigen Humor und liefert dank seines nuancierten Spiels eine glaubhafte Performance ab. Natürlich gibt es auch den einen oder anderen Brüller, der jedoch geschickt in die Handlung integriert ist und niemals zum Selbstzweck gerät. Herausragend ist z. B. die Szene im Ruderboot, als Verdoux plant, eine (ahnungslose) Frau zu versenken und dabei von einem Jodler (!) gestört wird. Diese köstliche Sequenz ist einfach zum Schreien komisch und beeindruckt außerdem mit einem sagenhaft perfekten Timing. Daß Chaplin auch punktgenau ins Herz zu treffen vermag, beweist er in einer wundervollen Szene, in der Verdoux beim Dinner ein Straßenmädchen (Marilyn Nash) zu vergiften gedenkt, er es sich im Laufe des Gespräches jedoch anders überlegt und diese Sequenz schließlich auf eine schöne und sehr emotionale Weise enden läßt. Ein weiterer Höhepunkt ist sein süffisant vorgetragenes Schlußplädoyer: "As for being a mass killer, does not the world encourage it? Is it not building weapons of destruction for the sole purpose of mass killing? […] As a mass killer, I'm an amateur by comparison.", resümiert er da verbittert. Monsieur Verdoux ist trotz der unaufgeregten, kühlen und distanzierten Regie ein fabelhafter Film (mit einigen wenigen Ausreißern in Richtung Genialität), provokant, sozialkritisch und sehr persönlich, dessen Anliegen vielleicht etwas zu sehr mit dem Holzhammer präsentiert wird. Nichtsdestotrotz uneingeschränkt empfehlenswert.

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