„Sag ja zum Leben!“
Mit der Romanverfilmung „Trainspotting“ gelang dem britischen Regisseur Danny Boyle („The Beach“, „28 Days Later“) sein wahrscheinlich kultverdächtigster Streifen. In Form einer dramatischen Komödie wird das Leben einer Clique schottischer Heroinabhängiger dokumentiert, voll schwarzen Humors und menschlicher Tragödien.
Erzählt wird die Geschichte der ungleichen Freunde aus der Sicht Rentons (Ewan McGregor), der mit Spud (Ewen Bremner), Sick Boy (Jonny Lee Miller), Tommy (Kevin McKidd) und Begbie (Robert Carlyle) abhängt. Tommy und Begbie sind dabei zunächst nicht „drauf“ und während Tommy später selbst in die Heroinabhängigkeit gerät, lässt Begbie seine Finger bis zum Schluss von dem Zeug. Stattdessen frönt Begbie als gefährlicher Soziopath der Gewalt in Form wüster Kneipenschlägereien und hat ansonsten die Weisheit mit Löffeln in sein vorlautes Mundwerk gestopft. Dass Tommy ebenfalls dem Heroin verfällt, liegt zu einem großen Anteil daran, dass seine Beziehung in die Brüche geht, woran Renton eine entscheidende Mitschuld trägt. Als auch noch das Baby eines der Jungs verwahrlost stirbt, ist die Kacke schwer am dampfen und die anfängliche Unbeschwertheit weicht letztlich einer erfolgreichen Therapie Rentons. Bis man die Gelegenheit bekommt, gemeinsam ein paar große Scheine zu machen…
„Trainspotting“ beginnt als eine Komödie um einen Haufen abgefuckter Typen und bietet viel derben Humor sowie denkwürdige und häufig zitierte Mono- und Dialoge. Doch ab einem bestimmten Punkt ist die Party vorbei und der Humor bekommt immer öfter eine stark zynische Note, bis einem das Lachen gänzlich im Halse stecken bleibt. Perfide wirkt sich dabei der Umstand aus, dass Renton unweigerlich zur Identifikationsfigur für den Zuschauer wird, dieser aber alles andere als ein lupenreiner Sympathieträger ist. So wird beispielsweise nicht näher thematisiert, welche Schuld er in Hinblick auf Tommys Drogenabhängigkeit auf sich geladen hat, obwohl dies unterbewusst allgegenwärtig ist. Auch ansonsten bekleckert er sich nicht gerade im Ruhm; trotzdem erwischt man sich dabei, wie man im Finale mit seinem Alleingang mitfiebert und Verständnis entwickelt – weil er einem selbst so fremd nicht ist. Dadurch wird der Zuschauer gezwungen, sich auf eine Ebene mit einem Junkie zu begeben, weshalb jeder pädagogisch erhobene Zeigefinger überflüssig wird, „Trainspotting“ aber auch nicht Gefahr läuft, Drogenabhängigkeit zu verherrlichen.
Vielmehr ist „Trainspotting“, zeitlich angesiedelt gegen Ende der 1980er, als bissige Gesellschaftssatire zu verstehen, die die Verrohung und Verelendung der Clique als Allegorie auf eine egomanische britische Gesellschaft einsetzt, deren Verhaltensmuster selbst Totalverweigerer wie Renton & Co. unbewusst reproduzieren. So ist von wahrer Freundschaft oder Außenseiterromantik nicht viel zu bemerken; ein Problem, dem sich viele vermeintlich von der Gesellschaft distanzierende Gruppierungen bei näherer Betrachtung ausgesetzt sehen.
Doch nicht nur inhaltlich hat „Trainspotting“ viel zu bieten, denn surreale Rauschszenen wie die berüchtigte Klosequenz oder Rentons Horrorvisionen während des kalten Entzugs werden visuell geradezu zelebriert. Die schauspielerischen Leistungen insbesondere Robert Carlyles als Begbie, aber prinzipiell auch aller Anderen, sind über jeden Zweifel erhaben und helfen, echte, faszinierende Charaktere zu erschaffen. Begleitet von einem geschmackvoll ausgewählten Soundtrack voll zeitgenössischer Musik von Künstlern wie IGGY POP, NEW ORDER, JOY DIVISION, DAVID BOWIE oder PULP ergibt sich ein Gesamtpaket von Kultfilm, das immer wieder gesehen werden will und einfach nicht von seiner Sogwirkung einbüßt. Meines Erachtens einer der besten Filme der 1990er und ein Paradebeispiel für gleichsam intelligentes und unterhaltsames, eigenständiges Kino, das den Mainstream ordentlich durchrüttelt.