Der Roman „Trainspotting" von Irvine Welsh war Anfang der Neunziger ein Bestseller. Welsh verstand es das eher trostlose Dasein im Überlebenskampf der Edinburgher Heroinjunkies nicht nur bitterböse, bierernst und mit dem obligatorischen erhobenen Zeigefinger darzustellen, sondern das trostlose Leben dieser Menschen so aufzuzeigen, wie es viel realistischer ist: Mit einer großen Portion Lebensgefühl und einer art original britischen, schwarzen Humor, den nur Menschen haben können, die sich täglich durch die Gosse, direkt in den nächsten Gully schlängeln. Als Drehbuchautor John Hodge und Regisseur Danny Boyle beschlossen diesen Stoff zu verfilmen, war ihnen klar, dass sie genau diesen Humor und dieses Lebensgefühl im Film einfangen müssen. Es sollte kein neuer „Christiane F." daraus werden. Wenn man sich das Ergebnis im Film ansieht fällt einem in der Tat auf, dass hier das Leben dieser Junkies teils grotesk-komisch und in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit dargestellt wurde, die sehr düstere Seite der Abhängigkeit, die sich da um Tod, Siechtum und den menschlichen Verfall - sowohl auf körperlicher als auch auf moralischer Ebene - dreht, keinesfalls vernachlässigt wurde.
Bei der Handlung geht es dann auch nicht um weltbewegende Dinge. Das alltägliche (Über)Leben der Junkies ist das Abenteuer. Im Mittelpunkt der Story steht eine Clique fünf junger Männer: Der unscheinbare Tommy (Kevin McKidd) wird erst während des Films zum Junkie. Nicht weil er überredet wurde, eher das Gegenteil ist der Fall. Sick Boy (Jonny Lee Miller) ist ein ziemlich irrer Sean Connery Fan. Im Drogenrausch fängt er an in unendlichen Monologen Filmkritiken über James Bond Filme abzuhalten, die die anderen nur deshalb ertragen können, weil sie ebenso dicht sind. Der cholerische Begbie (Robert Carlyle) rührt die „Chemiescheiße" nicht an. Seine Droge ist der Alkohol. Begbie ist wahrlich ein kranker Psychopath. Obwohl körperlich eher schmächtig kann eine Kleinigkeit, ein dummer Spruch eines Ahnungslosen o.ä., von jetzt auf gleich einen Killer aus ihm machen - eine tickende Zeitbombe. Das krasse Gegenteil ist der friedliebende Spud (Ewen Bremner). Allein ihn reden zu hören (gerade im Originalton) ist es wert, den Film anzusehen. Comedy in Reinkultur. Spud ist sicher keine Intelligenzbestie, wen es aber darum geht Jobs abzulehnen ist er ein Meister seines Fachs darin, zwar den Eindruck vorzuheucheln, wirkliches Interesse zu haben, den Job dann aber aufgrund seines grotesken Benehmens ganz sicher nicht zu kriegen. Für ihn ein Drahtseilakt, der ihn ein arbeitsfreies Leben ermöglicht, für den Zuschauer Stand-Up Comedy vom Feinsten. Hauptdarsteller ist aber Renton (Ewan McGregor). Renton begleitet die Szenerie teilweise als Stimme aus dem Off und nimmt somit auch die Rolle des Erzählers ein. Renton ist ein Typ so irgendwo dazwischen. Eigentlich ein ganz normaler Kerl. Renton hat zum ja sagen nein gesagt, wie er selbst es ausdrückt. Renton will ein anderes Leben führen, kein gewöhnlicher Mensch sein. Ein Grund für ihn zum Heroin zu greifen. Renton ist kein Held und auch kein Psycho. Er ist auch noch nicht so kaputt, dass sich der Zuschauer nicht mit ihm identifizieren könnte. Ich finde hier ist auch die richtige Stelle die phantastischen Darsteller mal zu loben. Ganz sicher ist „Trainspotting" eine reinrassige schottische Low Budget Produktion und es ist völlig ungewöhnlich hier so eine qualitativ hochwertige und glaubhafte Darstellung zu erleben, wie in diesen Film. Natürlich war die Leistung von Ewan McGregor brillant, der die Hauptfigur Renton spielt, ganz besonders hervorheben möchte ich aber Ewen Bremner. Als dumpfbackiger Spud liefert er hier ein tragisch-komisches Meisterwerk schottischer Schauspielkunst ab, die so ganz sicher von niemand anderem hätte gespielt werden können.
Regisseur Danny Boyle ist es gelungen mit „Trainspotting" ein Stück Zeitgeist einer Subkultur einzufangen. Er wollte den genauen Zeitrahmen des Films offen lassen, grenzte ihn aber zwischen Mitte der Achtiger bis Mitte der Neunziger ein. Er nutzte dazu eine breite Spannweite der damaligen Popkultur und setzte Songs aus Punk, New Wave, Brit Pop und Techno von Interpreten wie Iggy Pop, Blur oder New Order (um nur wenige zu nennen) zu einem einzigartigen Soundtrack zusammen, der das Lebensgefühl der Protagonisten in einer einzigartigen Weise zum Ausdruck bringt. Ich habe nur wenige Filme gesehen, in denen Musik so passend in einem Film integriert wurde. Die Musik ist der Herzschlag von „Trainspotting".
Der Film ist temporeich und sehr unterhaltsam erzählt. Beste Unterhaltung - zum Nachdenken bleibt wenig Zeit - sollte man meinen. Die aber dennoch teilweise makabren Bilder aus der Drogenszene, werden den Zuschauer jedoch nachhaltig im Gedächtnis kleben bleiben. „Trainspotting" ist ein Film, der lange nachwirkt und trotz seiner Komik nicht oberflächlich ist - in keiner Weise! Das einige Kritiker dem Film vorwerfen, Drogenkonsum zu verherrlichen ist lachhaft. Es zeigt einzig und allein, wie unfähig einige Kritiker sind, einen Film und dessen Aussage zu interpretieren. Nein, einen Moralapostel habe mich bei „Trainspotting" nicht finden können und ja, es existiert Spaß und Lebensfreude auch im Drogenmilieu. Einen Film zu drehen in dem alle nur in Depression versinken, war nicht die Intension von Danny Boyle. Er hat es geschafft auf sehr unterhaltsame Weise auch das Übel in drastischen Bildern darzustellen. Bilder, die einem auch lange nach Filmende nicht aus dem Kopf gehen.