Kate Winslet und Leonardo DiCaprio spielen ein junges Paar mit zwei Kindern, das sich in den 50ern in einem wohl gesitteten amerikanischen Vorort ansiedelt. Vom Alltag gelangweilt beschließen die beiden schließlich ihrem monotonen Leben zu entkommen und nach Paris zu ziehen. Als sie dann jedoch ein drittes Kind erwarten und sich für DiCaprio Beförderungsmöglichkeiten ergeben, werden die beiden ganz schnell wieder von gesellschaftlichen Zwängen und der Wirklichkeit eingeholt.
"Titanic" ist nach wie vor der finanziell erfolgreichste Film aller Zeiten und das Traumpaar DiCaprio/Winslet eines der beliebtesten und bekanntesten aller Zeiten. Nun sollten die beiden also erneut aufeinander treffen und zwar im Vorstadt-Drama "Zeiten des Aufruhrs" von Regisseur Sam Mendes, der sich bereits in "American Beauty" mit der allgegenwärtigen und nur nach außen hin idyllischen Vorstadt-Hölle beschäftigte, in der es das Individuum enorm schwer hat, den gesellschaftlichen Normen entgegen sein persönliches Glück zu finden. Und damit auch der letzte die Parallelen zu "Titanic" finden kann, besetzte man eine Nebenrolle mit Kathy Bates, die damals ebenfalls zum "Titanic"-Cast gehörte. "Zeiten des Aufruhrs" hat es jedoch nicht einmal im Ansatz nötig, sich hinter den Meisterwerken "Titanic" und "American Beauty", die beide mit Oscars überhäuft wurden, zu verstecken, da Sam Mendes hier ein eigenständiges und vielschichtiges Gesellschaftsdrama gelingt.
Wie beim gleichnamigen Roman steht auch beim Film die Gesellschaftskritik klar im Vordergrund. An mehreren Figuren, einmal an den besten Freunden des Paares, an den Arbeitskollegen des Ehemannes, sowie an der Vermieterin werden die gesellschaftlichen Normen der damaligen Zeit hervorragend verdeutlicht und dabei gelungen hinterfragt. Als die beiden ihren besten Freunden erzählen, dass sie für immer nach Paris ziehen wollen, nehmen diese sie nicht für voll, bezeichnen es im Nachhinein sogar als naiven Traum. Als die beiden erzählen, dass die Frau in Paris arbeiten will, während der Mann zu Hause Bücher liest und sich um die Kinder kümmert, ist die Reaktion ähnlich. Die einzige Figur, die erkennt, wie den beiden zumute ist und die tyrannische Gesellschaft der damaligen Zeit entlarvt und als einzige wirklich offen über die Beziehungsprobleme der beiden und die äußeren Zwänge, denen sich vor allem der Ehemann schließlich fügt, spricht, ist ein Patient aus einer Psychiatrie, der durch seine Krankheit außerhalb der Gesellschaft steht. Aber auch hier gibt es direkt wieder die Gegenfrage: Ist er wirklich krank, oder ist er einer der wenigen Gesunden, klar Denkenden in einer kranken, biederen Welt? Der zermürbende Alltag wird lang und breit dargestellt, der amerikanische Traum, das vermeidliche Land der Freiheit, der unbegrenzten Möglichkeiten dabei überaus kritisch hinterfragt. Der Straßenname und englische Originaltitel des Films "Revolutionary Road" klingt in diesem Zusammenhang wie blanker Zynismus. Sam Mendes knüpft also mit seiner kritischen Beobachtung der amerikanischen Vorstadtidylle perfekt an "American Beauty" an und liefert damit einen vielschichtigen Film ab, der für amerikanische Verhältnisse überaus kritisch geworden ist. Der letzte Funken Zynismus, den "American Beauty" noch hatte, fehlt jedoch, auch wenn stellenweise ein paar unterschwellige Gags einfließen. Dafür sitzt der Schock beim dramatischen Finale, das zutiefst verstört sehr tief und endet, wie schon bei Schiller, Goethe und Shakespeare in der Katastrophe, die die Gesellschaft schließlich sogar als Mörder entlarvt, die anschließend versucht, so zu tun, als wäre der Pärchen selbst für seinen Untergang verantwortlich, oder die Erinnerung an die beiden möglichst schnell zu verdrängen versucht, auch wenn eine Teilschuld sicherlich auf den Ehemann abzuwälzen wäre, der sich sehr früh den äußeren Zwängen fügt.
Wer sich Edelkitsch a la "Titanic" erhofft, wird definitiv enttäuscht werden, dafür sind die Gefühlte, die Mendes einbringt zu authentisch, die Sentimentalitäten zu echt, die Handlung zu realistisch, das Geschehen zu depressiv. Mendes leistet bei der Charakterkonstruktion akribische Arbeit und knüpft auch hier an alte Glanzzeiten an. Mr. Wheeler, der als Individuum die ganze Zeit zwischen seinem eigenen Glück und den Gesellschaftsnormen hin- und hergerissen ist und immer wieder neue Gründe sucht, um nicht den Traum von Paris verwirklichen zu müssen, da er doch zu sehr an seinem langweiligen Vorstadtleben, an seinem Job, den er hasst, hängt, ist hervorragend konstruiert und steht sinnbildlich für eine ganze Gesellschaftsschicht. Mrs. Wheeler, vielleicht sogar noch besser konstruiert, versucht ein neues Leben zu starten, zerbricht jedoch daran und hält bis zum Ende an ihrem Traum fest, bis schließlich der Lebenswille, die letzte Hoffnung erlischt. Das Scheitern der Ehe, das in dieser Form immer noch Aktualität besitzt und nicht nur auf amerikanische Vororte zu reduzieren ist, wird so einfühlsam, anschaulich und eindringlich vermittelt. Die Handlung, die in groben Zügen vorhersehbar ist, da schon früh klar wird, dass die Ehe scheitern wird, legt sehr viel Wert auf die Veränderung der beiden Charaktere, womit "Zeiten des Aufruhrs" als Milieu- und Charakterstudie funktioniert.
Inszenatorisch gelingt Mendes erneut eine enorm versierte Arbeit. Der Film ist mit den einfühlsamen, melancholischen Klavierklängen stimmig unterlegt und erzeugt so schnell eine triste Atmosphäre, die vor allem in der zweiten Filmhälfte aufrechterhalten wird. Das Erzähltempo ist langsam und getragen, immer mal wieder gibt es Einstellungen, die die beiden Hauptfiguren relativ lang bei der Ausübung ihrer alltäglichen Handlungen, etwa dem Beruf, oder dem Haushalt zeigen und auch, wenn sich so die eine oder andere Länge ergibt, fesselt der Film, zumindest beim einmaligen Anschauen, durchaus und baut permanent Dramatik auf. Stellenweise setzt Mendes dabei unterschwelligen Humor ein, verbucht aber bei Weitem nicht so viele amüsante Stellen wie bei "American Beauty". Optisch ist der Film ebenfalls routiniert inszeniert, die Darsteller sind vorbildlich in Szene gesetzt, als Kulisse musste natürlich ein amerikanischer 0815-Vorort herhalten und die Ausstattung ist absolut authentisch für die 50er Jahre. Die Dialoge sind dabei geschliffen, jedes dritte Zitat könnte man im Prinzip in Stein meißeln. Ein paar kleine Schnitzer leistet sich der Oscar-Preisträger leider dennoch, ein paar übertrieben hysterische Lachanfälle von Mrs. Wheeler, die die triste Atmosphäre und den ruhigen Erzählfluss leider stören und ein paar kleinere Längen, die vor allem im Mittelteil dem dramaturgischen Aufbau erheblich schaden.
Kate Winslet gehört jetzt seit rund einer Dekade zu den besten Charakterdarstellerinnen Hollywoods und hat, wie in "Little Children", "Titanic", "Iris" und "Das Leben des David Gale" zu sehen war, ein enormes Talent für tragische Rollen und das zeigt sie auch hier unter der Regie ihres Ehemannes. Sämtliche Gefühlsregungen wirken authentisch, beinahe überlebensgroß, ihre Darstellung ist enorm emotional, teilweise rührend, ohne, dass sie ihren Charakter übertrieben sympathisch darstellt und dafür hätte sie sich ihren ersten Oscar auf jeden Fall verdient. Wenn man sich die Filmografie von Leonardo DiCaprio seit seinem Flop "The Beach" im Jahre 2000 so ansieht, könnte man den Darsteller, der in den letzten 9 Jahren Erfahrungen unter der Regie von Martin Scorsese, Steven Spielberg, Ridley Scott, Danny Boyle, Edward Zwick und jetzt Sam Mendes sammeln konnte, beinahe als Garanten für gute Filme bezeichnen und diese beachtliche Serie setzt er auch hier fort. Auch bei DiCaprio wirken sämtliche Gefühlsregungen echt, auch seine Darstellung ist makellos, zudem ist das Zusammenspiel mit seiner "Titanic"-Partnerin einfach grandios. Vor allem bei den Streitereien der beiden, bei denen sie zur Hochform auflaufen, sieht man dabei das enorme darstellerische Potential des Films. Der restliche Cast kann sich aber auch durchaus sehen lassen, Kathy Bates liefert als Vermieterin der beiden eine gewohnt routinierte Darstellung ab und dann wäre noch Michael Shannon als deren psychopathischer Sohn eine enorm hohe Leinwandpräsenz an den Tag legt, lobend zu erwähnen.
Fazit:
Mit "Zeiten des Aufruhrs" gelingt Sam Mendes erneut ein überaus gelungenes Vorstadtdrama, dass durch seine gesellschaftskritischen Ansätze und die vielschichtige Charakterkonstruktion eine hohe Tiefe erreicht. Das Schicksal des Ehepaars, das bei der Verwirklichung der eigenen Träume an gesellschaftlichen Schranken schließlich zerbricht wird emotional und einfühlsam geschildert und von den beiden grandiosen Hauptdarstellern perfekt gespielt. Auch wenn sich ein paar kleinere Längen im Mittelteil ergeben überzeugt "Zeiten des Aufruhrs", der qualitativ nicht ganz an "American Beauty" anknüpfen kann voll und ganz, wer sich aber Edelkitsch oder übertriebene Dramatik wie bei "Titanic" erhofft wird von diesem Ehe-Drama, das gänzlich ohne überproportionierte Gefühlsregungen auskommt, bitter enttäuscht werden.
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