Review

Gesamtbesprechung

„Die Kinder vom Mühlental“ war das erste Ergebnis eines Abkommens zwischen dem Warschauer Komitee für Hörfunk und Fernsehen und dem Westdeutschen Rundfunk aus dem Jahre 1984, also noch zu zweiten des Kalten Kriegs. Polen gehörte zu den sozialistischen Staaten, Westdeutschland zu den kapitalistischen, doch im kulturellen Bereich gab es frei von Politik fruchtbare Zusammenarbeiten wie für diese Kinder- und Familienserie, 1985 unter der Regie des bereits in diesem Bereich erfahrenen Polen Janusz Leski („Familie mit Bommel“) in Polen und mit polnischen Darstellern entstanden und in Deutschland erstmals 1986 in der ARD ausgestrahlt.

Die Bewohner eines polnischen Dorfs erwarten wie jedes Jahr freudig die Rückkehr des Storchs Jacki aus dem Süden, der die wärmeren Monate auf der Mühle Müller Dendeks (Krzysztof Kowalewski, „Die Kreuzritter“) zu verbringen pflegt. Von dort beobachtet er das bunte Treiben im Dorf, insbesondere der Dendek-Sprösslinge Stanni (Tadeusz Horvath-Sienkiewicz, „Janna“), Bärbel (Monika Sapilak, „Mr. Kleks in Space“) und Anja (Agnieszka Krukówna, „Janna“) und ihrer Freunde, der Zwillinge Jacek (Piotr Jankowski, „Hotel 52“) und Wacek (Arkadiusz Wojnarowski, „Janna“) sowie Martha (Olga Piotrowska). Für manch kleines Abenteuer sind auch Knecht Philipp (Jacek Wójcicki, „Schindlers Liste“) und Bauer Wronka (Roman K?osowski, „Big Bang“) gut. So erlebt er mit, wie mit Hausgans Klementinchen ein Zirkus veranstaltet wird, man sich gegenseitig Aprilstreiche spielt, die Kinder sich mit dem dann doch gar nicht so grimmigen Kapitän Groschny (Bogusz Bilewski, „Ich hasse Montage“) anfreunden, das Haus der Dendeks gestrichen wird, Stanni schwimmen lernt, ein Familienfoto für die Oma aufgenommen werden soll, eine diebische Elster Frau Dendeks (Ewa Zi?tek, „Die Verlobte“) Schmuck stibitzt usw.

Die zwölfteilige Serie erzählt ihre Geschichten in jeweils rund halbstündigen Folgen, die in je zwei Episoden aufgeteilt sind und vom Frühjahr bis Weihnachten reichen. Storch Jacki führt als Erzähler durch sie, in der deutschen Synchronisation herrlich sonor gesprochen von Heinz Schimmelpfennig. „Die Kinder vom Mühlental“ porträtiert ein weitestgehend unbeschwertes Leben im Einklang mit der Natur, in dem die Kinder ihre Freizeit kreativ selbst gestalten und sich auf Abenteuersuche begeben, sich mit den Tieren beschäftigen, Indianer spielen etc. Besonderheit der örtlichen Fauna ist die als Haus- statt als Nutztier gehaltene Gans Klementinchen mit einer roten Schleife um dem langen Hals, um die sich Bärbel, die Kleinste, voller Hingabe kümmert. Auftauchende Konflikte werden stets gewaltfrei pädagogisch und gemeinsam zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst. Jeder Dorfbewohner, ob klein oder groß, verfügt über einen individuellen Charakter, den die Schauspieler prima verkörpern. Die Jungdarsteller geraten lediglich dann an ihre Grenzen, wenn man sie halbnackt Indianertänze aufführen lässt. Dem gegenüber stehen jedoch humoristische Glanzleistungen in der Folge „Ein Foto für die Oma“, die vermutlich der komödiantische Höhepunkt der häufig mit einem Augenzwinkern und ebenso kindlicher wie kindgerechter Frechheit ausgestatteten Serie ist, wozu auch Storch Jackis gern einmal süffisante Kommentare zu zählen sind.

Wer als junger Zuschauer noch keinen Bezug zum Dorfleben hatte, erfährt von den Möglichkeiten einer glücklichen und aufregenden Kindheit in ländlichen Gefilden, das eine oder andere über die Tierwelt und natürlich vom Arbeitsalltag. Bei letzterem jedoch müssen Abstriche gemacht werden, denn in erster Linie wird die Arbeit in der Mühle beäugt. Dass viele der Tiere im Dorf blutig geschlachtet werden und der Ernährung der Familien dienen, wird verschwiegen, was den größten Beitrag dazu hat, dass „Die Kinder vom Mühlental“ eben auch den Eindruck der etwas verklärten Vermittlung einer „heilen Welt“ macht. Letztlich ist’s eben dann doch eine Kinderserie, die die Kleinsten unterhalten, zu eigener Kreativität und Abenteuerlust im Freien anleiten und Verständnis für die Natur schaffen will, statt sie zu verschrecken oder zu verstören (wie z.B. die zeitgleich ausgestrahlte Anime-Serie „Alle meine Freunde“). Ob es auch Teil der Verklärung oder vielleicht doch dem reichlich vorhandenen Raum zur persönlichen Entfaltung geschuldet ist, dass die Kinder des Mühlentals keinerlei Verhaltensauffälligkeiten zeigen, dürfen dann gern die Erwachsenen entscheiden, denen bewusst werden dürfte, dass die Serie auch ganz klassische familiäre Werte auf eine angenehme, moralinfreie Weise vermittelt und die sich an einer wunderschönen Titelmelodie ebenso erfreuen können wie an niedlichen, talentierten Kindern und dem erwähnten Humor. Ob der liebevoll erdachten und inszenierten Folgen mit ihrer subtilen Pädagogik und der konfliktarmen Darstellung des einfachen Lebens in ländlicher Idylle können sie zudem wunderbar entspannen – wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann, denn die Serie hat mir als Erwachsenem ebensoviel Freude bereitet wie als Kind.

Zwei Jahre später entstand mit „Klemens und Klementinchen“ eine ebenfalls im Mühlental angesiedelte und mit denselben Schauspielern ausgestattete Serie, die zeitlich vor „Die Kinder im Mühlental“ spielt.

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