Review

Fraglich, ob es nötig gewesen ist, die anfängliche Idylle der Provinz Surat Thani derartig ins Prätentiöse zu überstilisieren, dem weißen Strand, dem traumhaft blauen Meer, der klaren Luft zu huldigen, als wäre es das Schlaraffenland schlechthin. Die noch unbeschwerte Kindheit als verklärende Epoche, als herrliches Eldorado der Freiheit und einzig wahren erfreulichen Lebensabschnitt zu beschreiben und auf den Thron des genießerischen Lustgefildes zu stellen, ist im Nachhinein des Werdegangs zwar verständlich, wirkt allerdings als fast Einziges im eh launenhaften Film zu extravagant verzerrt. Ein wahrlich frommer Wunsch, aber dem Gesetz der Gesellschaft kann man nicht entrinnen. Erst, wenn es den steinigen Weg hinab geht, wenn die Zukunft ihre rosigen Aussichten abblättern lässt und die Zeit nach vorne viel düsterer aussieht als der Blick zurück, dann verlässt man auch die träumerischen Heilsversprechungen, die wie karikiert wirkenden Beanspruchungen der Tourismusindustrie und die trügerischen Fluchtbilder im irdischen Jenseits. Und landet in der Realität. Das Erwachsenwerden als Verlust der Illusionen, mitsamt der ungetrübten Sicht auf die Umstände von Besitzergreifung und Herrschaftsaneignung. Ein breites, trotzdem torsohaft schematisches Historienpanorama mit schmerzhaftem Reifeprozess, bei dem auch schon mal Jemand, auch noch als geringstes Übel, mit dem Kopf voran durch den Bretterboden getreten wird:

1972.
Die drei Freunde Phao [ Thawatchai Phanpakdee ], Sa-maw [ Sonthaya Chitmanee ] und Piak [ Akara Amarttayakul ] kennen sich seit frühester Kindheit. Als Phao seinem Vater Thiew [ Samart Payakarun ] und dem älteren Bruder Kraengseuk [ Prawit Kittichantheera ] nach Bangkok folgt, ist es nur verständlich, dass ihm die beiden Anderen, wenn auch mit jugendlichen Flausen in den Kopf in die unbekannte Metropole folgen. Während Phao einige unliebsame Erfahrungen über seine doch nicht so heile Familie macht, muss Piak nach einigen Versuchen als Fighter in der offiziellen Kampfarena zusammen mit Sa-maw in den illegalen Untergrund abwandern, wo sie immer mehr und bald auch aktiv in den Sog von Drogen, Alkohol, Gewalt und Korruption geraten.

Denn anders, als das Marketing andeuten möchte ist das titelgebende Muay Chaiya, das Muay Thai der königlichen Krieger, hierbei nicht im Vordergrund platziert und auch nicht rein für den eventuell fairen Turnierkampf mit Regeln und Schiedsrichter verantwortlich; sondern entlädt sich nach einigen prozessionshaften Aufführungen schnell in die Brutalität nicht nur um des Schauwerts, sondern des nackten Überlebens willen. Bereits die ersten Veranstaltungen lassen unter Ellenbogenstössen und Fausthieben aufgequollene Gesichter, Blut, Schweiß und Tränen zurück; im kriminellen Schattenreich, gleich neben den Hahnenkämpfen als belustigender Zeitvertreib, geht es nur noch um das Recht des skrupellosen Stärkeren, ohne der Frage nach Technik, Akrobatik und Eleganz.
Doch die wüsten Auseinandersetzungen mit Gusseisernem Hammer, Leitungsrohren, Schwert, Tau sind nur die Begleiterscheinungen einer Szenerie, die ansonsten mit der Schusswaffe in der Hand oder gleich mit der geworfenen Handgranate agiert und am Ende gar in einen heftig eskalierenden Amoklauf mündet.

Das Solodebüt von Kongikat Khomsiri orientiert sich in der Aufzeichnung der widerstrebenden und doch eng verwachsenen Fügungen und korrespondierenden Echobeziehungen an vielen Genres und mehreren prominenten Vorbildern, zwischen Kitsch, Comic und Kunst. Das Sujet ist vitales Gangsterdrama, mit Einflüssen einer Dreiecksromanze, der Heroic Bloodshed Struktur, der modern day kung-fu cult classics wie Duel of Fists. Ähnlich, wie einzelne Handlungen der Figuren immer mit dem Ganzen verkettet sind und wie Aktion auf Reaktion trifft, so werden auch skripttechnisch und dramaturgisch grundverschiedene Ausgangsmentalitäten zu Rate gezogen und so entgegengesetzte, aber unzertrennliche Qualitäten als Ergänzung in anregender Kraft oder auch alter Ergebenheit vereint. Kollision und Kollusion. Auszumachen sind in einzelnen Szenen, je nach Situation und Fortschritt oder Stagnation in der Kunstgriff-Dramaturgie die Grundidee des Bullet in the Head, der die Belastungsprobe aus Die durch die Hölle gehen als Prämisse aufgriff, aber die Extremsituation auf die gesamte Ereignisabfolge ausdehnte. Das lückenhafte skizzierte Charakterporträt bezieht sich direkt auf einen Schauplatz, der zwischen dem autobiografischen Milieu des Hexenkessel, dem exhibitionistischen Mythos des Good Fellas und gekünstelt magischen Fabulierwillens des Carlito's Way wandelt.

Wo die Schurken im gleichjährigen Pahuyut: Fighting Beat erst auf das Land mussten, um dort die Dorfbevölkerung intrigierend zu schikanieren, werden die potentiellen Gegner hier bereits frühzeitig aufgekauft und abgeworben. Eine diametrale Invasion der Landflucht, eine fortschreitende Urbanisierung, die 700km weiter nördlich die Gefahr auf engstem Raum bündelt und aus dem einstmals entspannten Alltagsallerlei einen Kampf um Weiterkommen und Vormachtstellung, um Sieg und Niederlage, um Leben und Tod hinein moduliert. Vom Bedingten zu den Bedingungen, vom Besonderen zum Allgemeinen, eine Drehung der Betrachtungsweisen und des Schicksalsrades. Eine regressive Erzählform voll Chaos und Hässlichkeit, in der die Beteiligten erst nicht wissen, was sie machen sollen. Und dann nicht wissen, wie es in der Unausweichlichkeit weitergehen soll. Und ob ihre geschworene Freundschaft auch dann noch Bestand hat, wenn die Interessen und Motive ebenso unterschiedlich geworden sind wie die Gegenwart zu der längst weit zurückliegenden Vergangenheit.

Dem period piece gemäß steht sogar die Zeit still, manchmal verrennt man sich im Nirgendwo aus abgebrochenen Plotsträngen, unausgegorener Überinformation und sinnentleerter Konvention. Mal dient es als konkret fühlbare Metapher für den Wunsch nach Brüderlichkeit, Freiheit, Gleichheit, dessen vorübergehende Erfüllung man nicht einfach so auf ewig festhalten kann, sondern jederzeit und immer wieder neu daran arbeiten muss. Die Welt der Kriminellen mit ihrer Ordnung der Abhängigkeit und Zuverlässigkeit als Belastung für Diejenigen, die sich dem entweder anpassen wollen, anpassen müssen oder dem entgegen stellen. Wobei die Selbsterkenntnis, wenn überhaupt, auf Garantie immer nach dem zitierten Klischee kommt und man zudem an leicht hypochondrischer Überdramatisierung und einer eklatant deftigen Fehlbesetzung hadert. Und der Film eher nicht die Darstellung von inneren Zuständen moralisieren kann, sondern Vorsehung und Verhängnis, Aufstieg und Fall, Schuld und Sühne, Reue und Buße, Vergebung und Ausdauer im Leid mit Hilfe audiovisueller Elemente konterfeien will.

Regisseur Khomsiri als eifrig rekonstruierender, stilsicherer, inszenatorisch ausdrucksstark artikulierender Nachahmer, der das Festfahren von Ideen ewiger Wahrheiten mit eigenem Herzblut und effektvollem Rhythmusgefühl aufschwemmt und der nichtverbalen Kommunikation zu Recht viel Stellenwert eingeräumt. Virtuos, wenn auch nahezu tumultuarisch durcheinander werfend statt erfinderisch werden split-screen, Parallelmontage, expressive Lichtsetzung, schlagartig aggressive Momente und elegisch überfließende Studien mit dem jeweiligen Affektpotential voll überraschender Frische und nervös unbändiger Energie intensiviert.

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