Review

Die wahre Geschichte des Fabrikanten Oskar Schindler (Liam Neeson), der über 1.000 Juden vor dem Tod in Auschwitz bewahrte, indem er sie als kriegswichtige Arbeiter in seiner Fabrik einsetzte.

Wenn man dem Film nicht so ganz kritikfrei gegenübersteht, ist SCHINDLER’S LISTE schwierig zu besprechen. Eigentlich kann man sich nur in die Nesseln setzen. Die Geschichte ist ergreifend, die Bilder sind grandios, und die Schauspieler jenseits aller Kritik, das ist so die allgemeine Meinung. Vor allem als Deutscher tut man sich oft schwer damit, anspruchsvolle Filme über das Nazi-Regime oder über die Judenvernichtung nicht ganz so großartig zu finden, da hier schnell ein Geschmäckle aufkommen kann. Dieses Geschmäckle möchte der geneigte Rezensent natürlich unter allen Umständen vermeiden, Spielberg ist sowieso so etwas wie ein Gott, und SCHINDLER’S LISTE, herrje, das ist doch wirklich passiert, das muss man doch gut finden, da muss man betroffen sein und einen Kloß im Hals haben …

Und wenn nicht?

Was haben wir hier denn, was alle so überaus großartig finden, und wo der böse Maulwurf müde abwinkt: Zuerst mal ein ganz hervorragender Schauspieler, der bekannt dafür ist schlichtweg alles zu können. Gleich ob indische Friedensstifter, sexy Gangster oder dem Tod geweihte Juden, Ben Kingsley kann alles. Was auf keinen Fall negativ gemeint ist! Kingsley gibt den Mann am Rande des Todes, der über Wochen, Monate, Jahre hinweg immer mit einem Bein im Vernichtungslager steht, mit der ihm eigenen Perfektion. Mit jeder Geste und jedem Satz kämpft er um sein Leben, schafft er es, das Unvermeidliche ein klein wenig länger hinauszuzögern. Überleben im Angesicht des unbeschreiblichen Grauens, wenn um einen herum alle anderen sterben. Keine überwältigende Performance, dazu kommen wir später, aber immer wieder begeisternd anzuschauen, was der Ben Kingsley alles kann.

Dann haben wir einen Schauspieler der immerhin guter Durchschnitt ist – nicht schlecht, aber auch nicht überwältigend, durchschnittlich eben, und im Rahmen seiner Möglichkeiten sogar gut. Dumm nur, dass ihm hier die Hauptrolle zugefallen ist, die er so gar nicht ausschöpfen kann. Liam Neeson beginnt als geldgieriger Fabrikant, der stückchenweise, durch Erfahrungen und Erlebnisse, ein Gefühl dafür bekommt, dass außer Geld auch noch etwas anderes zählt. Aber so richtig transportieren kann Neeson das nicht. Bis zum melodramatischen Ende wirkt er immer wieder arrogant, herrenrassig, und wenn er im Keller von Göths Villa Chelene (Embeth Davidtz) zu etwas Lebensmut und Selbstachtung verhilft, dann scheint er eher verloren und allein gelassen. Aber vielleicht ist das auch Absicht und ich unterschätze ihn auch nur, vielleicht bin ich einfach nur voreingenommen. Aber Liam Neeson hat hier ein Problem, und das heißt Ralph Fiennes.

Dass Ralph Fiennes ein hervorragender und recht unterschätzter Schauspieler ist weiß ich spätestens seit BRÜGGE SEHEN … UND STERBEN? In SCHINDLERS LISTE kommt dann dieser hervorragende Schauspieler zu einer Rolle wie man sie sich nur wünschen kann: Er spielt einen bösen Menschen. Jemanden, der durch ein verbrecherisches Regime die Möglichkeit hat seine kleinbürgerlichen Gewalt- und Machtphantasien auszuleben. Ein Traum für einen Schauspieler – er kann Abgründe ausloten, sich austoben, böse sein, … Wo aber ein durchschnittlicher Schauspieler entweder hoffnungslos überagieren würde (oder alternativ finster vor sich hinstarren), hält sich Fiennes zurück. Seine Bosheit schimmert durch, ist zu ahnen, bricht sich immer wieder Bahn, um dann, in privaten Momenten, auch etwas wie Zärtlichkeit durchzulassen. Zwar immer nur im Rahmen seiner Bosheit, aber gerade hier zeigt sich Fiennes’ Meisterschaft: Wenn er Schindler gesteht, dass er Chelene, eine Jüdin, nach dem Krieg mitnehmen will nach Wien und mit ihr leben will, dann tut sich für den Zuschauer, der mit Chelene längst mitfühlt, ein Abgrund auf, der wie ein schwarzes Loch alle Hoffnung verschlingt. Ganz große Kunst die Ralph Fiennes da zeigt, und damit ist er in jeder Szene, in der er zu sehen ist, absolut beherrschend. Und (im künstlerischen Sinne) begeisternd.

Und dann haben wir noch einen Regisseur, dessen Werke frenetisch bejubelt werden, und deren künstlerischer und narrativer Gehalt mittlerweile längst hinter dem Mythos verschwindet. Dass Spielberg keine wirklich großen Filme macht, sondern meistenteils gehobenen Durchschnitt abliefert, geht hinter seinen tatsächlichen Meisterwerken wie DER WEISSE HAI oder INDIANA JONES (der erste!) vollkommen unter. In SCHINDLERS LISTE sind die Augenblicke, die das Martyrium der Juden zeigen, am intensivsten. Wenn das Krakauer Ghetto geräumt wird, oder wenn die endlosen Menschenmassen durch Schneefall (was sonst?) zum Sterben nach Auschwitz getrieben werden, dann zeigt Spielberg was er in seinen besten Momenten kann: Sehr nachdrückliche Bilder zeigen, die große Emotionen wecken, und noch lange nachhallen. Aber zwischen den großen Bildern eine packende Geschichte zu erzählen, das hat er im Lauf der letzten 20 bis 30 Jahre leider verlernt. Gleich ob MÜNCHEN, MINORITY REPORT, AMISTAD, oder eben SCHINDLERS LISTE. Die Geschichte steht immer hinter den Bildern zurück. Und wenn dann noch so ein entsetzlich schwülstiges Ende wie bei SCHINDLERS LISTE dazukommt, welches selbst die deprimierenden KZ-Bilder aus dem Kopf verdrängt, dann verliert auch so ein ambitioniertes Projekt wie dieses an Wert. Schade eigentlich, weil die Geschichte es wert gewesen wäre besser erzählt zu werden. Aber so bleiben ein schaler Nachgeschmack, einige bittere Bilder im Kopf, Ärger über ein an Kitsch grenzendes Pathos sowie das Wissen, einem hervorragenden und unterschätzten Schauspieler bei seinem künstlerischen Höhepunkt gesehen zu haben.

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