Ganz langsam über Festivals angelaufen, ist Paranormal Activity ein Paradebeispiel dafür, wie die aktuelle Filmästhetik, die Ideenarmut (und während des Autorenstreiks Ideenverweigerung) der großen Studios ermöglichen, daß ein Film mit einem Minimalbudget von 15000 Dollar so erfolgreich vermarktet werden kann, daß er die Kosten um ein unermeßliches Vielfaches wiedereinspielt.
Es gibt wenige Dinge, die es braucht, um einen Film wirklich gruselig zu machen. Zunächst ist da die Ausgangssituation, die dem Zuschauer zugänglich sein muß. Er muß sich hineinfühlen können. Und dann muß etwas Ungewöhnliches passieren, etwas Fremdes, vielleicht sogar Unerklärbares, welches dem Publikum jedoch so nah ist, daß es den Bezug zum Geschehen nicht verliert. So etwas kann gänzlich ohne bildliche Darstellung passieren. Es darf jedoch nicht billig, nicht entlarvbar erscheinen, nicht so sehr, daß es den Kredit übersteigt, den man dem Film als Zuschauer gegeben hat.
Oren Peli gestaltet seinen Paranormal Activity als Amateuraufnahme über eine Kamera, die ein Pärchen aufstellt, als Micah (Micah Sloat) in der ersten gemeinsamen Bude mit seiner Freundin Katie (Katie Featherston) feststellt, daß diese von einem Spuk heimgesucht wird, dem er auf die Schliche kommen will. Es mischen sich verwackelte Spaßaufnahmen mit sehr ruhigen Bildern aus dem Schlafzimmer der zwei. Bei liebevollen Annäherungen schaltet man die Kamera diskret ab. Nachtsichtoptik, ein Bett, zwei schlafende Menschen. Dann bewegt sich etwas!
Paranormal Activity ist im Wesentlichen ein Kammerspiel, ein Verschmelzen von Blair Witch Project und Poltergeist. Die technischen Möglichkeiten für einen Filmemacher, simple Filmtricks aus der Mottenkiste von Georges Méliès anschaulich zu reproduzieren sind einfacher denn je und so überreizt Peli drängend darauf etwas nicht Sichtbares zu illustrieren die Notwendigkeit dessen, ohne die psychische Belastung seiner zwei Hauptakteure ausreichend zu betrachten.
Es sind die kleinen Momente, die den Zuschauer in Paranormal Activity einsaugen und eine Gänsehaut verursachen, doch Oren Peli hält an diesem Zustand nicht fest, gibt immer Freiraum, sich dem Gezeigten zu entziehen. Er ist nicht geübt auf dieser emotionalen Klaviatur. Es scheint ihm noch das Gespür zu fehlen, wann er piano mit welchen dynamischen Mitteln verfeinern, wann er Spannungen anschwellen oder plötzlich manipulieren soll.
Dennoch sind die Figuren einem Crescendo ausgeliefert, welches sein Finale auf der Paranormal Activity DVD gleich in zwei optionalen Varianten findet, von denen die Alternativfassung noch die weniger überzeichnete darstellt. Es scheint als wolle man all den stimmungsbegünstigen Verzicht auf ein Grand Guignol umstoßen, um den Zuschauer zu überrumpeln oder gehässig in seiner Gier nach Reizung der verkümmerten Rezeptoren zu befriedigen. Eine Filmwelt quasi nach dem Eindruck von The Ring und Internetvideos, die Konzentrationsübende durch einen apprupten Schockeffekt vom Bürostuhl fegen.
Trotz all der harten Worte, man muß eine gewisse Wertschätzung üben für das, was schließlich erreicht werden konnte. Man sollte nicht damit hinter dem Berg halten, daß Paranormal Activity schon soviel mehr geschafft, als verhältnismässig immens größere Produktionen. Es sollte ein Zeichen sein, daß es einen Platz gibt für kleine Filme und deren Gestalter. Man sollte die Popularität dieser Produktion nutzen, um dem Kino eine natürliche Ausgeglichenheit zu verschaffen, in der es Nischen gibt für Dinge, die nicht mit viel Geld auf einen statistisch definierten Massengeschmack geschliffen wurden. Der Zuschauer sollte die Wahl haben können und die Möglichkeit einen Horizont zu entwickeln, der weiter ist, als der eines durchschnittlichen Megaplexes.
Die traurige Wahrheit ist, daß ein hoher Cash-In nur als Überraschungserfolg gewertet wird und maximal seine Epigonen nach sich zieht. Wir Zuschauer hingegen müssen darunter leiden und Paranormal Activity wird schließlich ein Film bleiben, von dem uns weißgemacht wurde, daß wir ihn sehen wollten. Wenn es rein danach geht geleitet zu werden, kann man sich das Ding getrost sparen, dessen Dichte zu unstet für einen bemerkenswerten Film ausfällt. Doch wenn es darum geht, seine Erfahrungen zu vergrößern, Kino als solches zu erleben und mit ein bisschen Grusel die Möglichkeiten geringer Mittel sowie die Veranschaulichung von Funktionalität und Dysfunktionalität, dann ist Paranormal Activity ein Schulexempel.