Vorgeschichte:
Wir schreiben das Jahr 1999. Mein elfjähriges Ich ist auf der Halloweenparty eines Kumpels eingeladen, der um die Ecke wohnt. Neben Klingelstreich und Versteckspiel im Dunkeln (ja ja, so leicht waren wir zu begeistern - und das ganz ohne Konsole und SoftAir ...) hatte der Vater meines Kumpels uns aus seiner privaten Sammlung das FSK-16-Tape (richtig gelesen, ein Tape ...) von "Scream 2" geliehen. Dieser Abend stellt meine allererste Begegnung mit dem Horrorgenre in Literatur und Film dar und dementsprechend komisch war damals der Heimweg, an sich nur einmal um die Ecke, 300 Meter höchstens, aber für mich lauerte damals hinter jedem Baum, in jedem Schatten ein maskierter Killer. Schiss pur!
Selten hat mich seitdem wieder ein Horrorfilm so sehr gepackt, so sehr geängstigt. Bis jetzt. Ich, der ich seit besagtem Ereignis überzeugter Horrorfilm-Fan und seit meinem 13. Lebensjahr auch begeisterter Stephen-King-Fan bin, habe doch tatsächlich nochmal bei einem Horrorfilm das Licht angemacht, weil's mir zu krass wurde. Und nach dem Film nach draußen gehen, ins Dunkel, um eine zu rauchen, war definitiv auch nicht die angenehmste Erfahrung meines Lebens.
Doch von vorne: "Paranormal Activity", der Debütfilm des Regisseurs Oren Peli, ist in vielerlei Hinsicht "Blair Witch Project", nur mit Geistern. Damit wäre der Plot des Films fast schon erklärt: Micah und Katie, ein junges 21st-Century-Standardpärchen, das sich vor kurzem erst ein Haus im ruhigen Vorort San Diegos gekauft hat, werden nachts im Schlaf immer wieder von seltsamen Geräuschen aufgeweckt, Lichter flackern, komische Dinge geschehen. Um zu dokumentieren, was vorgeht und um das Rätsel zu lösen, besorgt der (zunächst) ganz realistisch denkende Micah eine Videoausrüstung, die von nun an permanent mitläuft. Das ist der Film.
Schön wird im (pseudo-)dokumentarischen Stil gezeigt, was in und um das Haus des jungen Pärchens geschieht, bevorzugt natürlich bei Nacht, und tatsächlich kann man sagen, wir haben es hier mit der Geistervariante von "Blair Witch Project" zu tun. Der Unterschied ist: Während "Blair Witch Project" 1999 sein Publikum über weite Strecken mit einer nervenden Protagonisten, verwackelten Bildern und der ständigen Anwesenheit von Nichts-Passiert tierisch auf den Sack ging, nur sporadisch spannende Vorkommnisse einstreute und erst im letzten Drittel so richtig zulegte, macht Oren Peli mit seiner Geisterhaus-Version des Ganzen alles richtig. So benutzt auch er zwar eine Handkamera, die jedoch nie über so lange Strecken so stark verwackelt wird, dass man fünf Minuten lang gar nichts erkennt, sondern die geschickt eingesetzt wird, um den Zuschauer in die Doku-/Geisterhaus-Atmosphäre mitzunehmen. Auch ist "Paranormal Activity" strukturierter, man wird nicht ewig lange gelangweilt, bevor man einen kleinen Möchtegernschock vorgesetzt bekommt, wie es in besagtem "Blair Witch Project" der Fall war, sondern immer, wenn die Tageslicht-Intermezzi erschöpft sind und der Handlung nicht mehr dienlich werden, schaltet Oren Peli zu der festen Kamera, die das junge Paar beim Schlafen und damit eben auch die nächtlichen Vorkommnisse filmt. Diese Sequenzen sind gerade dadurch, dass man bei jeder von Neuem weiß, hier wird jetzt etwas passieren, höchst spannend und angsteinflößend, und obwohl sie praktisch mit Ankündigung kommen, sitzen fast alle der maßvoll eingesetzten Jumpscares und treiben den Puls in die Höhe.
In der zweiten Hälfte des recht kurzen Films (insgesamt rund 82 Minuten Spielzeit) spitzen sich die Ereignisse dann immer mehr zu, das Mysteriöse wird zwar sichtbar, aber nie wirklich, sondern höchstens als Schatten gezeigt. Die letzte halbe Stunde war dann der Zeitpunkt, wo ich das Licht wieder angemacht habe, die Spannung steigt hier ins Unermessliche, immer wenn man denkt, die letzte Nacht sei der Höhepunkt gewesen, setzt Oren Peli noch einen drauf.
So ist "Paranormal Activity" auf seine eigene Weise ein kleines Suspense- und Horror-Meisterstück, umgesetzt mit sehr einfachen Mitteln. Die beiden Hauptdarsteller machen ihre Sache gut, auch wenn kein erwähnenswerter Eindruck von ihnen zurückbleibt (was allerdings auch daran liegt, dass das Script keinerlei Szenen bietet, die ein wirklich tiefes Charakterspiel zulassen - warum auch, es funktioniert ja ohne), Kameraführung und Schnitt sind so einfach wie effektiv, dasselbe gilt für die Tonspur.
Dieser Film bietet nichts Neues, ist sehr einfach gemacht, an Special Effects wird so gut wie gar nichts geboten, und wenn doch, dann sind sie, wie der Rest des Films, sehr, sehr einfach gehalten. Freunde von Popcornkino und Teenie-Hochglanz-Horror sollten ihr Geld also lieber anderweitig investieren. Alle anderen dürfen sich auf einen der gruseligsten und spannendsten Horrorfilme der letzten Jahre freuen.
Ich weiß nicht genau, was es ist, aber dieser Film hat mich einfach gepackt. Dafür gibt es von mir acht Punkte, Abzug lediglich für die absolut gar nicht innovative Idee sowie die Tatsache, dass es immer noch keine Fake-Dokumentation (zumindest im Horrorgenre) geschafft hat, ohne das nervige "Schalt' die verdammte Kamera ab!" auszukommen.