Review

Auf Paranormal Activity bin ich ganz zufälig gestoßen, als ich im Internet aus Jux ein paar Geistervideos angeschaut habe. Irgendwann landete ich bei einem Trailer zum Film und nach einiger Überlegung habe ich mich entschlossen, ihn zu kaufen. Ich darf also behaupten, neutral und unge-hypt an den Film herangegangen zu sein. (Ich wusste bis zum zufälligen Entdecken des Trailers nichts von seiner Existenz)

Als großer Filmfan habe ich natürlich schon jede Menge Filme aus dem "Horror"-Genre gesehen Diese Art von Filmen gehört vermutlich sogar zu meiner Lieblingssorte. Allerdings ist es so, dass man, je mehr Filme dieser Art man sieht, immer resistenter gegen Schockmomente, Angst oder Gewaltexzesse wird. Ich will nicht cool oder hart wirken oder sowas, aber ich kann mit Recht behaupten, dass mich nichts mehr schockt. (Auch, wenn auf den DVD-Hüllen sowas steht, wie "Lässt auch Kennern des Genres das Blut in den Adern gefrieren" oder "Definiert das Horrorgenre neu und wird auch an alteingesessenen Fans nicht spurlos vorbeiziehen", "Verstörend", "Nervenaufreibend" etc. ... alles nett gemeint, trifft nur leider nie zu.)

Wobei ich ohnehin vorweg anmerken möchte, dass mindestens 80% von dem, was uns seit einigen Jahren als "Horror" verkauft wird, mit echtem Horror nichts zu tun hat. Gar nichts. In Bezug auf Paranormal Activity habe ich oft den Vergleich zu anderen "Horror"-Filmen wie Saw, Scream oder Freddy vs. Jason gelesen, was natürlich - verzeihung - reichlich bescheuert ist. Saw z.B. ist eine wundervolle Filmreihe, die schon jetzt als eine Art Kult anzusehen ist, ob man sie nun mag oder nicht. Ich persönlich finde jeden einzelnen der 84 Saw-Filme echt klasse. Aber ich bin mir dennoch im Klaren darüber, dass dese Reihe alles, nur eben kein Horror ist. Saw ist slasher, vielleicht sogar schon Splatter, vermischt mit Thriller-Elementen und einem Hauch von modernem Exploitationkino. Ähnlich verhält es sich mit Filmen wie Scream, Freddy vs. Jason oder Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast - das alles sind tolle Filme, die echt Spaß machen. Aber genau da liegt auch das Problem: Echter Horror macht keinen Spaß. (Das ist quasi ein Widerspruch in sich!)

Das Horrorfilm-Genre durchlebt seit knapp zwei Jahrzehnten eine starke Wandlung. Es geht nämlich nicht mehr, wie anfangs, darum, beim Zuschauer ein Gefühl des Schreckens, Unbehagens oder gar der Angst zu erzeugen, sondern mittlerweile mehr und mehr darum, Ekel zu erzeugen, indem man auf immer exzessivere Gewaltdarstellungen setzt. Naürlich erschrickt man sich hin und wieder, wenn irgendein Killer hinter einer Ecke hervorspringt. Aber ein kurzes Erschrecken ist in keinster Weise mit echter Angst zu vergleichen, die einen noch Nächte nach dem eigentlichen Ansehen eines Films verfolgt. - Und niemand kann mir sagen, dass er oder sie nach einem Streifen wie Saw Angst im Dunkeln hat.

Bei Paranormal Activity ist das anders. Wenn man sich, wohlgemerkt, angemessen auf den Film einlässt. Wer ihn sich mit zwei oder drei Freunden ansieht, nebenbei Chips knabbert und sich außerdem noch darüber unterhält, wann den eigentlich mal wieder die nächste Party steigt, der wird den Film vermutlich als lahm, langweilig und sogar lächerlich ansehen.

Man muss diesen Film, wie schon oft empfohlen wurde, um Dunkeln ansehen, wenn es still ist. Man darf sich nicht unterhalten oder ablenken. Am besten ist es vielleicht sogar, ihn ganz allein zu sehen. Dann enfaltet er - das garantiere ich - eine absolut furchteinflößende Atmospäre. Der Film lebt nämlich von subtilen Mitteln, die so präsentiert werden, dass man sie wirklich glaubt. Alles gezeigte wirkt im Rahmen des Geschehens irgendwie vollkommen real und glaubwürdig. Nichts wirkt überzogen oder weit hergeholt. Gerade die Wahl einer Handkamera, die ganz offen und absichtlich quasi einer der Hauptdarsteller ist, wirkt brilliant.

Sie ist wohl ein Grund für viele, den Film mit dem Blair Witch Project zu vergleichen. Das ist verständlich, da die Filme von der Machart her eben wirklich sehr ähnlich sind. Ich habe The Blair Witch Project ebenfalls gesehen und fand ihn recht gelungen und interessant, war jedoch keineswegs geschockt oder gar verängstigt. Wer also dem BWP nichts abgewinnen konnte, sollte diesen Film dennoch nicht gleich abschreiben. Der grund dafür liegt auf der Hand. Das komplette BWP  spielt im Wald. Wälder sind durchauch gruselig. Nur kommt es eben relativ selten vor, dass man sich mir nichts dir nichts allein und verlassen im Wald wiederfindet.

Paranormal Activity ist da um einiges fieser: Der Film holt das pure Böse direkt ins traute Heim. Noch schlimmer: direkt ins Schlafzimmer. Somit wird dieser eigentliche Ruhe- und Rückzugsraum seiner Abgeschiedenheit völlig beraubt und im Gegenteil sogar zum Zentrum allen Übels. Wer sich ein wenig mit Geister- oder Dämonentheorien beschäftigt, der weiß, dass die Erklärungen und Motive, die der Film abliefert, keineswegs stumpf oder einfallslos sind. Im Gegenteil wurde gut recherchiert. Auch das Medium, das die Protagonisten zu Rate ziehen, wirkt und handelt glaubwürdig. Seine Erklärungen stimmen mit "echten" Theorien über paranormale Wesen überein. Und auch die Tatsache, dass er selbt regelrecht flieht und nichts mit der Angelegenheit zu tun haben will, weil er sich auf Geister und nicht auf Dämonen spezialisiert hat, macht durchaus Sinn und ist nicht, wie einige anscheinend denken, bescheuert. Ich persönlich glaube nicht an Geister oder Dämonen oder sowas, finde aber die Thematik an sich sehr interessant und beschäftige mich recht gern damit. Und es stimmt in der Tat, dass man in diesen Themengebieten streng zwischen unterschiedlichen Wesenheiten, wie eben Dämonen und Geistern unterscheidet.

Diese "realitäts"nahen Aspekte, zusammen mit der absoluten Willkür, mit der das alles den Figuren passiert, lassen eine wirklich beängstigende Atmosphäre entstehen. Es könnte quasi jedem passieren. Egal wann, egal wo - auch, oder ganz besonders dann, wenn am hilflosesten ist: Im Schlaf, in den eigenen vier Wänden.

Jeder Mensch hat schonmal komische Geräusche im Haus gehört, wenn es still ist. Und ganz egal, wie man bisher mit sowas umgegangen ist, spätestens nach intensivem und bewusstem Ansehen dieses Films wird man solche Geräusche in Zukunft öfter, deutlicher und bewusster hören und sich evtl. den ein oder anderen unerfreulichen und unangenehmen Gedanken dazu machen. Und das ist es, was ein echter Horrorfilm zu bewirken vermag: Angst und Unbehagen anstelle von Ekel wegen Blut und Gekröse.

Wer also Gore, Splatter und unzählige Leichen braucht, der kann mit diesem Film ganz sicher nichts anfangen. Wer jedoch auf der Suche ist nach einem Film, in dem es mal wieder um Grusel, Unerklärliches und Unheimliches geht, was einen auch bzw. besonders nach Ausschalten des Fernsehers, wenn es wieder still und ruhig ist, noch beschäftigt, der sollte sich diesen Film (im Dunkeln, vielleicht sogar allein blablabla ... ihr wisst schon) ansehen. - Denn in dieser Hinsicht macht Paranormal Activity alles richtig!

10/10

Der erste echte Horrorfilm, den ich seit langer Zeit gesehen habe.

Ich bin gespannt auf den zweiten Teil und hoffe, dass man dem Konzept treu bleibt und nicht versucht, durch Auffahren von "schwereren Geschützen" noch "einen draufzusetzen". Das ist nämlich wirklich überhaupt nicht nötig.

- H.

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