Achtung! Eventuelle Spoiler können das Filmerlebnis für diejenigen, die das Werk noch nicht sahen, intensiv beeinträchtigen! Weiterlesen auf eigene Gefahr!
"The Blair Witch Project", "[rec]" und "Cloverfield". Alle drei Filme teilen das selbe Grundprinzip. Sie nutzen das pseudo-dokumentarische Stilmittel, um ihre ganz eigene Geschichten zu erzählen. Mal mehr, mal weniger realitätsbezogen, aber stets überzeugend und teilweise sehr ominös. Was diese Art von Filmen aber tatsächlich auszeichnet, ist der ungewöhnliche Einsatz der Kamera - die in deren Fall im Grunde der Hauptprotagonist ist. Wie der Begriff "pseudo-dokumentarisch" schon bezeichnet, sind die Filme wie eine Dokumentation aufgebaut, was in manchen Fällen eine unglaublich dichte Atmosphäre schafft. Mit Daniel Myricks und Eduardo Sánchez' Low-Budget-Schocker "The Blair Witch Project" begann das Phänomen. Seit dem das Werk veröffentlicht wurde, eifern Regisseure mehr oder weniger erfolgreich dem simplen, aber effektiven Erfolgsrezept nach. So auch "Paranormal Activity", der anscheinend auf wahre Begebenheiten beruht und diese sehr frei zu interpretierbare "Wahrheit" in dem Film klever aufarbeitet und sich glücklicherweise wieder an daran orientiert, womit alles begann. Back to the Roots. Mehr Realität, weniger Fiktion. Während die Werke "[rec]" als auch "Cloverfield" ihre subjektiv-agiernde Kamera in realitätsfremde Geschichten tauchten, beginnt "Paranormal Activity" dort, wo "The Blair Witch Project" um Grunde endete. Man will mehr zeigen, aber auch nicht zu viel. Das Endprodukt kann sich auf jeden Fall sehen lassen, auch wenn es nicht an das "große Vorbild" herankommt...
Was war das? Dieser Satz wird die meistgestellte Frage im Film sein. Wie der Titel schon verrät, geht es hier um paranormale Aktivitäten, die das Paar Katie und Micah bis an ihre Grenzen führt. Das Haus in dem sie wohnen scheint von Dämonen befallen, es geschehen unerklärliche Dinge - besonders in den Nächten. Anlass für Micah, sich eine Kamera besorgen um sie immer dabei zu haben; mit der Begründung, das Unerklärliche auf Bild zu bannen um sich im Nachhinein eine Vorstellung machen zu können, was nun geschah. Aber damit der Film auch wirklich wirken kann, geschehen die unheimlichsten Dinge selbstredend nachts. Und auch da läuft die Kamera, stets mit einem Timer rechts unten im Bild, welcher leider die Spannung daran hindert, sich wirklich zu entfalten.
Der Film beginnt ruhig und noch relativ harmlos, steigert sich aber bis er mit einem Finale schockt, mit dem man nicht zwangsläufig rechnen wird. Die ersten Nächte verlaufen noch recht erträglich, aber man fiebert dennoch mit. Zuerst hört man nur Stimmen und Geräusche, dann knallt die Schlafzimmertüre zu bis man dann zu einem Punkt gelangt, an dem Paranoia die Kontrolle übernommen hat. Bettdecken werden gezogen, man sieht Handabdrücke auf dem Boden - schlussendlich wird Katie dann von einem Etwas weggezogen und verletzt. Das sind in der Tat Sequenzen, die einem Angst machen können. Ausschlaggebend ist das gespenstige Sounddesign, das im Grunde nur aus simpel konstruierten Tönen besteht; aber gerade durch diese subtile Einfachheit wird der wahre Schrecken intensiv und nachhaltig dargestellt.
Die Kamera ist nachts an einer Stelle platziert, die perfekt dazu beiträgt, dass man mitfiebert und eventuell sogar leichte Angst bekommt. Aus dem Kamerawinkel sieht man im rechten Abschnitt das Bett, in dem Katie und Micah sind, im linken Abschnitt blickt man auf den Gang. Jede Nacht schaut der Zuschauer automatisch immer links in den Gang, da man sich erhofft bzw. glaubt etwas dort zu erblicken. Ein ziemlich raffinierter Trick.
Dem Regisseur Oren Peli ist es gelungen, das Publikum stellenweise in seinen Bann zu ziehen - ohne sie jedoch zu manipulieren. Der Schrecken wird wie von selbst produziert, da er sich wirklich recht simpler Tricks bedient. Dadurch wird jedoch die elementare Urangst eines jeden erweckt, auch wenn die Aktionen in den Nächten sehr repetitiv sind. Anfangs sind die nächtlichen Szenen sehr kurz gehalten, es geschieht nicht sonderlich viel. Der Tag bekommt da leider sehr viel Raum geschenkt, was schnell ermüdend wirken kann. Die Dialoge sind zwar themenbezogen, aber auf Dauer auch sehr nervend, da sie der Story nie die Möglichkeit gibt, eine bedrohliche und standhafte Atmosphäre aufzubauen. Natürlich kann man die täglichen Szenen auch als "Durchatmen" sehen, um den Horror der Nacht zu vergessen, aber dafür sind diese "Durchatmungsszenen" doch sehr lang gezogen. Das wiederholende Gelaber mag man zwar noch ertragen, aber die Emotionslosigkeit von Katie stört manchmal schon sehr heftig. Die blanke Panik nimmt man ihr nicht ab, ihr Gesichtsausdruck bleibt erstaunlich steril und neutral angesichts der paranoiden Situationen. Auch ist die Figur von Micah etwas zu gewollt selbstsicher. Kein Mensch kann so ruhig bleiben, wenn kurz zuvor von Geisterhand die Tür mit voller Wucht zugeknallt wird. Im Normalfall erschrickt man sich und ist verschüchtert. Nicht aber der obercoole Micah. Etwas unglaubwürdig, aber naja. Die Szenen mit der dritten Person, sprich mit dem Exorzisten, der irgendwie doch keiner ist, sind nur ein Vorwand, um das irrationale Geschehen auf eine leidlich glaubwürdige und erklärende Schiene zu lenken. Verständlich, aber genauso unnötig, da man sein Palaver dann, wenn es drauf ankommt, eh wieder vergessen hat. Sein Part dient alleine dazu, den Film in die Länge zu ziehen, damit er nicht zu kurz scheint. Paradoxerweise hat der Film dadurch einiges an dramaturgischen Leerlauf einbüßen müssen.
Den Schrecken bekommt man nie zu sehen - auch nicht in der finalen Szene. Die Urangst wird nicht offenbart, jeder darf sich selbst ausmalen, wer oder was Katie da befallen hat. Jedenfalls führt der ganze Psychoterror dahin, dass Katie irgendwann nicht mehr Herrin ihrer Lage ist. Das Finale, sprich die letzte Nacht (Night # 21) ist der absolute Höhepunkt und die vielleicht spannendsten und unheimlichsten 5 Minuten. Das Grauen meldet sich zurück. Und es geschehen wieder angsteinflößende Dinge - bis dann der finale Schlag kommt. Diese schockierende Wendung lässt einen bedrückenden Nachhall im Raum stehen. Man ist gefasst, paralysiert. Man mag erst gar nicht glauben, was gerade geschah. Es ist eigentlich normal, dass man im Finale mit etwas sehr Unangenehmen rechnet - quasi als spektakulären Abgang. Dieser Abgang ist zwar weniger spektakulär als die der Vorbilder, aber dennoch sehr erschlagend und radikal inszeniert. Nicht jedermanns Sache, aber trotzdem dem Grundthema sehr gerecht.
Oren Peli ist ein Film gelungen, bei dem die Angst und Paranoia der zwei Hauptdarsteller locker auf das Publikum überschwappt. Der Film leidet zwar an dramaturgischen Schwächen, plakativ haltenden Dialogen und der etwas steifen Schauspielkunst seiner Debütanten, aber dennoch gelingt es ihm, das uralte Rezept neu zu erzählen, auch wenn dessen Schockeffekte noch so jedes Klischee erfüllen. Trotzalledem ist der Doku-Grusel spannend und stellenweise atmosphärisch inszeniert. Etwas ominös und seelenlos, aber intensiv, bedrohlich und sehr wirksam. Das nackte Grauen - ganz ohne Blut und Splatter. Zuhause im dunklen auf dem heimischen TV entfaltet sich der Horror zweifelslos am Besten.
Das der Film auf wahre Begebenheiten beruht, tut dem Film keinen Abbruch. Was heißen soll, ganz gleich ob da was wahres dran ist oder nicht, der Film schockt, da er eben realitätsbezogen erzählt wurde. Wer jedoch das ganze Mysterium um paranormal Aktivitäten näher unter die Lupe nehmen möchte, sollte sich eine Handkamera schnappen und für einige Nächte in einem verlassenen Haus verschanzen. Paranoia ist des Schlüssels Lösung, aber psst, das bleibt natürlich unter uns!