Als das junge Paar Micah und Katie ihr erstes gemeinsames Haus in einem beschaulichen Vorort bezieht, scheint es, als könne ihrem Glück nichts mehr im Wege stehen. Doch der oberflächliche Schein trügt, denn alsbald werden die Nerven der beiden von einer Reihe wiederkehrender und beunruhigender Vorfälle auf eine harte Probe gestellt. Nachts sind immer wieder unerklärliche Geräusche oder undefinierbare Laute in dem großen Haus zu vernehmen, fast so, als würde irgendjemand oder irgendetwas durch den dunklen Korridor neben dem Schlafzimmer schleichen. Im Gegensatz zu Katie, die schon als Kind mit derartigen Vorgängen konfrontiert wurde, glaubt Micah nicht an den Einfluss von etwas Übersinnlichem oder gar eines bösen Geistes und zeichnet die nächtlichen Ereignisse fortan mit einer Videokamera auf. Tatsächlich wird Micah und Katie auf diese Weise erst der schreckliche Ernst ihrer Lage bewusst, denn die Vorkomnisse scheinen sich von Nacht zu Nacht noch zu verschlimmern. Ein hinzugezogener Parapsychologe vermutet einen Dämon hinter dem Spuk und legt dem jungen Paar nahe, auf garkeinen Fall mit diesem in Kontakt zu treten. Als Micah sich jedoch über diese Warnung hinwegsetzt und das unheimliche Etwas auch noch provoziert, beschwört er den nächtlichen Terror schließlich vollends herauf...
Obgleich er Horrorfans und Mainstream-Kinogänger seinerzeit gleichermaßen in zwei Lager spaltete, ist es zweifellos dem Überraschungserfolg und Grusel-Hit Blair Witch Project zu verdanken, dass die subjektive Handkamera im Filmgeschehen erstmals Fuß fassen konnte und einem größeren Publikum zugänglich gemacht wurde. Mit Filmen wie Cloverfield und [Rec] wurde dieses Konzept in den letzten Jahren erneut aufgegriffen und weiterentwickelt, doch im Gegensatz zu Blair Witch Project gelang es diesen Werken nicht, dem Publikum das Beweiwohnen eines womöglich sogar tatsächlich geschehenen Ereignisses glaubhaft zu machen. Erst im Jahr 2007 griff mit dem Regie-Debutanten Oren Peli ein weiterer Filmemacher das Konzept des Pseudo-Dokumentarstils in derart überzeugender Art und Weise auf, dass das Ergebnis, Paranormal Activity, trotz minimalen Budget schnell zum Kassenschlager avancierte. Mit nur 15.000 Dollar und keiner direkten Erfahrung als Regisseur inszenierte Peli einen subtilen Gruseltrip, der in den USA durch Mundpropaganda und geschicktes Internet-Marketing noch vor seinem eigentlichen Erscheinen einen immensen Hype aufbauen konnte, der schon nach kürzester Zeit das dutzendfache der Produktionskosten in die Kinokassen spülte. Inzwischen konnte Paranormal Activity sogar mühelos die 100 Millionen Dollar Marke hinter sich lassen und darf somit, gemessen an seinem Budget, zweifellos als phänomenaler Erfolg bezeichnet werden. Dadurch stellt sich natürlich die Frage, ob der Film der damit einhergehenden Erwartungshaltung des Publikums gerecht werden kann?
Bei der Beantwortung dieser Frage muss berücksichtigt werden, dass Paranormal Activity ursprünglich nicht in der Erwartung gedreht wurde, jemals ein weltweites Publikum zu erreichen. Erst als der Film über Umwege in die Hände von Steven Spielberg fiel, war dieser von dem vorliegenden Material derart überzeugt, dass er sich für einen Kino-Release einsetzte. Zuvor trug er Oren Peli allerdings noch einige kleinere Änderungen auf und empfahl diverse Nachdrehs, die Paranormal Activity für ein breiteres Publikum zugänglicher machen sollte. Obgleich der Erfolg des Films inzwischen natürlich für sich spricht, wird er sicherlich noch ordentlich polarisieren. In Zeiten, in denen das Kino von Hochglanz-Horror à la Saw und Co. dominiert wird, hat dies auf Dauer auch bleibenden Einfluss auf die Sehngewohnheiten und Ansprüche des Zuschauers. Viele haben sich inzwischen vermutlich so sehr an den Zusammenhang von hohen technischen Standards und ausufernder Gewaltdarstellung im Horror-Genre gewöhnt, dass es Ausnahmeerscheinungen wie Paranormal Activity zunächst einmal schwer haben werden, beim Mainstream-Publikum überhaupt Anklang zu finden. Wer jedoch bereit ist, seine Vorurteile gegenüber einer Low-Budget-Produktion in verwackelter Homevideo-Optik über Bord zu werfen, der wird dafür mit einer der schaurigsten Filmerfahrungen seit geraumer Zeit belohnt werden.
Das Funktionieren des grundsätzlich einfach gehaltenen Plots resultiert dabei aus den vielfältigen Identifikationsmöglichkeiten, die Paranormal Activity seinem Publikum offeriert. Nicht nur, dass der Film mit der Furcht vor der Dunkelheit und dem darin lauernden Unbekannten geschickt eine der Urängste des Menschen gegen sein Publikum ausspielt, auch legte Regisseur Oren Peli größten Wert auf Authentizität. Das junge Paar Micah und Katie wirkt derart natürlich und aus dem Leben gegriffen, dass man in den ersten Momenten beinahe vergessen könnte, dass man sich da im Moment einen inszenierten Spielfilm und kein wirkliches Homevideo ansieht. Mit ungekünstelter Natürlichkeit halten Micah und Katie ihren Alltag, sowie die nächtlichen Ereignisse fest und wirken dabei derart greifbar und glaubwürdig wie das sympathische, junge Paar von nebenan. Auch die Dialoge sind einfach gehalten, entbehren zu keinem Moment der Plausibilität und lassen durch den Zynismus des Charakteres Micah sogar einigen Raum für humorvolle Auflockerungen zum anderweitig unheimlichen Geschehen. Dies schleicht sich derweil gemächlich an. Anfangs nur durch leise, undefinierbare Geräusche oder das kurze Öffnen der Schlafzimmertür angekündigt, steigert sich das Grauen in jeder Aufnahme mehr, die sich Micah und Katie an den darauf folgenden Morgen beunruhigt ansehen. Auch für das Publikum werden die Szenen bei Nacht irgendwann zur nervlichen Belastungsprobe. Über die Hintergründe des unheimlichen Treibens zunächst ebenso wie die Charaktere im Unklaren gelassen, fahren einem eiskalte Schauer den Rücken hinunter, wenn das nächtliche Geschehen immer kompromisslosere und beängstigendere Formen annimmt. Zwar benötigt Paranormal Activity zu Beginn eine kurze Anlaufzeit, um seine Zuschauer mit den beiden Hauptprotagonisten und der (funktinierenden) Simplizität des Plots vertraut zu machen, doch sobald man sich auf das Geschehen einlassen kann, eröffnet sich einem das perfide inszenierte Grauen, das sich dabei durchaus im Unterbewusstsein festsetzen kann und so manche Zuschauer noch lange nach den eigentlichen 88 Minuten des Films verfolgen wird.
Im Detail kommt all das natürlich auch nicht ganz ohne Makel daher. So wird manch einem die recht lange Aufwärmphase zu Beginn als langatmig erscheinen, während auch das Ende noch einige Fragen unbeantwortet lässt. Stellt man dies aber den positiven Aspekten von Paranormal Activity gegenüber, so ist dem Film daraus kaum ein Strick zu drehen. Für das Minimalbudget von 15.000 wurde von Seiten der Special Effects erstaunliches geleistet, hier hätte auch eine hochkarätige Hollywoodproduktion nichts Überzeugenderes auf die Beine stellen können. Das größte Lob geht insgesamt aber definitiv an die Schauspieler Katie Featherston und Micah Sloat, deren Chemie in jeder einzelnen Szene absolut stimmig erscheint und denen man ihre Figuren von Anfang bis Ende abnimmt.
Zusammenfassend ist Paranormal Activity sicherlich einer der interessantesten Filme des Kinojahres 2009 und zugleich der wohl polarisierendste Beitrag zum Horrorfilm seit geraumer Zeit. Wie auch all die anderen Filme, die zuletzt auf die strittige Handkamera-Präsentation gesetzt haben, wird Paranormal Activity zu einigen Diskussionen führen und sein Publikum in zwei Lager spalten. Was hier von Oren Peli und seinem Cast mit geringsten Mitteln geschaffen wurde, ist ein sich langsam vorantastender Trip in die Tiefen der menschlichen Angst, der sich im Unterbewusstsein fesetzt und dort sein subtiles Grauen voll ausspielt. Eine äußerst unruhige Nacht ist nach der Betrachtung dieses Films gewiss vorprogrammiert und somit stellt Paranormal Activity ein Pflichtprogramm für alle Gruselfreunde dar, die bereit sind, sich auf diese außergewöhnliche und beunruhigende Filmerfahrung einzulassen.
Paranormal Activity
USA 2007, 88 Min.
Freigabe: FSK 16
Regie: Oren Peli
Darsteller: Katie Featherston, Micah Sloat, Amber Armstrong, Mark Fredrichs, Tim Piper