Manche Filme sind einfach anders als andere – und die 2007er Veröffentlichung „Left for Dead“ ist ganz offensichtlich ein solcher Fall: In nur 11 Tagen im argentinischen Hinterland mit einem äußerst bescheidenen Budget sowie vornehmlich einheimischen Schauspielern gedreht, realisierte der seit jeher (handwerklich) relativ einfallsreiche Regisseur Albert Pyun seine eigenwillige Vision eines übernatürlichen, Genre-Konventionen bewusst ignorierenden Westerns, welcher in Sachen Anklang beim regulären Mainstream-Publikum nicht den Hauch einer Chance haben dürfte…
Eingangs werden wir, die Zuschauer, in Gestalt verschiedener Texttafeln, bei denen man auffällig oft auf das Wort „Whore“ zurückgriff, über die Vorgeschichte der sich im Anschluss daran entfaltenden Geschehnisse in Kenntnis gesetzt – zumindest grob, denn es ist nämlich so, dass sich im weiteren Verlauf einige Dinge herauskristallisieren, welche ein anderes Licht auf jene beschriebenen Ereignisse werfen. Entsprechend möchte ich, unter Berücksichtigung dieser Gegebenheit, den Prologinhalt mal wie folgt darlegen: Im Jahre 1880 gab sich ein in dem kleinen mexikanischen Örtchen Amnesty ansässiger Prediger namens Mobius Lockhardt (Andreas Bagg) einer unmoralischen Affäre mit einer Prostituierten hin, mit der er sogar ein gemeinsames Kind zeugte. Wenig später wurden letztere jedoch auf grausame Weise ermordet, und zwar von einer Gruppe dem „horizontalen Gewerbe“ ebenfalls zugehörigen Damen, welche Mobius im Rahmen dessen selbst zum hilflosen Beiwohnen des abscheulichen Blutbads zwangen. Angesichts des schieren Wahnsinns der Tat, zusätzlich genährt von Wut, Schmerz und Hass, verfluchte er daraufhin Gott und entsagte sich seinem Glauben. Seither ist er dazu verdammt, hervorgehend aus diesem Akt sowie einem geschlossenen Pakt mit dem Teufel, bis zum Erreichen persönlicher Genugtuung und/oder Erlösung als Geist bzw rastlose Seele auf Erden zu wandeln – allerdings nun ohne der Freiheit, heiligen Boden betreten sowie diesen abgeschiedenen, mittlerweile menschenleeren Ort verlassen zu können…
Die eigentliche Handlung setzt 15 Jahre nach diesen Vorkommnissen ein und präsentiert uns, direkt an den zuvor beschriebenen Einstieg anknüpfend, die toughe Einzelgängerin Clementine Tempelton (Victoria Maurette), welche sich, (ebenso) geleitet von Trauer, Verbitterung und Rachegedanken, auf der Spur ihres (Ex-) Lovers Blake Sentenza (Javier De la Vega) befindet, der sie vor einiger Zeit im Stich gelassen hat und derweil gar steckbrieflich gesucht wird. Entlang ihres Pfades schließt sie sich einer von Mary Black (Janet Barr) angeführten, aus mehreren erfahrenen wie abgehärteten weiblichen Wesen bestehenden Bande an, welche auch hinter Blake her ist, da jener Mary´s Töchterchen Michelle (Mariana Seligmann) angeblich vergewaltigt, ganz sicher aber geschwängert hat. Wie es sich herausstellt, hält sich der Gesuchte gegenwärtig im verlassenen Amnesty verborgen, wohin er geflohen war, als sich zwei Kopfgeldjäger extrem dicht auf seinen Versen befanden. Obwohl die sich um jene Stadt rankenden (Geister-) Geschichten den Frauen geläufig sind, schrecken diese sie keinesfalls ab, weshalb sie ihrer bisherigen Linie entschieden treu bleiben und es ihnen auf diesem Wege tatsächlich recht schnell glückt, den Gejagten auf jenem verfluchten Grund und Boden zu stellen. Während Mary nun augenblicklich damit beginnt, den inzwischen in Ketten gelegten Blake mit alten Eisenhaken zu malträtieren, führen einige Entdeckungen sowie in der Vergangenheit verwurzelte Offenbarungen plötzlich zu etlichen völlig anderen Voraussetzungen und Betrachtungsweisen. Außerdem entpuppt sich die vorherrschende Situation schlagartig als Falle – Lockhardt´s Vergeltungsgelegenheit scheint endlich gekommen zu sein…
Wer sich „Left for Dead“ annähert, sollte sich nicht von dem relativ unpassend gestalteten Cover der US-DVD aus dem Hause „Lions Gate“ beeinflussen lassen: Erst einmal besteht keinerlei Verbindung zwischen dem abgebildeten Motiv und dem Werk an sich (weder seitens der Kulissen noch zu sehenden Personen), dann wäre da noch der über dem Titel sofort ins Auge springende, eher abschreckende als anlockende Satz „From the Director of Ticker“ anzuführen (okay, jener Streifen lief extrem erfolgreich auf dem „Home-Video“-Sektor, aber trotzdem) – und zu guter Letzt zudem das „Saw meets the Spaghetti Western“ vermeldende Zitat eines Kritikers der „Bloody-Disgusting“-Website, dessen erste Aussagehälfte ich als nicht wirklich zutreffend bzw gar leicht irreführend erachte, da ein konkreter Bezug zu jener erfolgreichen „Torture Porn“-Franchise schlichtweg nicht existiert, vom generellen Vorhandensein einiger gewalttätiger Einstellungen mal abgesehen. Ich kann allerdings problemlos nachvollziehen, dass es einem sehr schwer fällt, überhaupt irgendeinen passenden Vergleichstitel zu benennen – dermaßen individuell und Norm-abweichend wirkt das Gebotene.
Seine ersten substantiellen Erfahrungen im Business sammelte Albert Pyun im direkten Umfeld solcher Branchengrößen wie Toshirô Mifune und Akira Kurosawa, was ihn und sein späteres Schaffen natürlich unweigerlich prägte – sichtbar zumindest in Ansätzen und Randbereichen. Bis heute inszenierte er über 40 Low-Budget-Flicks, von denen einige einen gewissen Kult-Status erlangten („Arcade“/„the Sword and the Sorcerer“) sowie andere zahlreiche hartgesottene B-Movie-Fans zu begeistern vermochten („Cyborg“/„Mean Guns“/„Nemesis“). Manchen seiner Projekte sieht man die philosophische Ader und/oder phantasievollen Ambitionen ihres Regisseurs überaus deutlich an – bloß verhinderten (bislang) im Grunde jedes Mal kaum zu überwindende, nicht nur finanziell zu verortende Limitierungen eine standesgemäße Umsetzung des angestrebten Ergebnisses (vgl. sein an „Yojimbo“-angelehntes Sci-Fi-Desaster „Omega Doom“). Jüngst ist es Albert aber gelungen, stärkeren Einfluss auf die jeweiligen Entstehungsprozesse (inklusive ihrer Vor- und Nachbetreuung) nehmen zu können, was es ihm fraglos erleichterte, ein „gewagtes cineastisches Experiment“ wie seinen 2005er Festival-Hit „Infection“ (aka „Invasion“) auf die Beine zu stellen. Bei „Left for Dead“ verhielt es sich ähnlich: Fast die komplette Pre-Production wurde per Internet durchgeführt, bevor die Dreharbeiten schließlich „on Location“ in Südamerika mit einer größtenteils einheimischen Cast und Crew innerhalb gerade mal einandhalb Wochen über die Bühne gebracht wurden. Die Mühen und Strapazen scheinen sich jedoch gelohnt zu haben: Pyun hat mehrfach betont, dass er mit dem fertigen Resultat äußerst zufrieden ist – und das kann er auch getrost sein, denn vom Gesamtbild her gehört es definitiv zu seinen besten „Schöpfungen“.
Sich am Oeuvre eines seiner größten Vorbilder orientierend, nämlich an dem des unvergessenen Sergio Leones, dessen Vermächtnis ihm bereits des Öfteren als Inspirationsquelle diente, zum Beispiel hinsichtlich der Verwendung bestimmter Close-Ups und Weitwinkel-Objektive, griff Albert vorliegend auf den traditionsreichen Genre-Archetypus eines schweigsamen, waffenkundigen Einzelgängers zurück, den ein spezielles, meist emotional geladenes Motiv (wie Rache) vorantreibt und der (damals) nicht selten im Mittelpunkt jener zum Vorbild genommenen („Italo“-) Filmgattung stand – nur dass die eigentlich in der Ausgangsbasis verankerten klassischen Geschlechterrollen hier ins Gegenteil gekehrt wurden. Ferner sorgt der Horror-Zusatz, welcher dankenswerterweise ohne aktuell gängige stilistische Standard-Zusätze á la Jump-Scares oder Stakatto-Schnittfolgen auskommt, für ansprechende Abwechslung. Ähnliche Konzepte, bei denen verschiedene inhaltliche Ausrichtungen gekreuzt bzw miteinander verwoben wurden, gab es in der Vergangenheit zwar schon mehrfach, siehe Werke wie „Satan der Rache“, „Dead Birds“ oder „BloodRayne 2“, doch muten sie (nichtsdestotrotz) in dieser Form noch immer einigermaßen originell und unausgereizt an, zumal die übernatürlichen Elemente die Story in diesem Fall sowohl vorantreiben als auch bereichern, etwa indem sie neue Möglichkeiten eröffnen und einer drohenden Vorhersehbarkeit merklich entgegenwirken.
Das Skript aus der Feder von Debütant Chad Leslie, welches im Übrigen seine College-Abschlussarbeit markierte, weist in Teilen einen recht ungeschliffenen Anschein auf, ebenso wie eine Reihe Schwachstellen, die nicht zu übersehen sind – allen voran diverse leicht holprig klingende, nicht unbedingt reichhaltige Dialogpartien sowie die oberflächliche Konsistenz so manch einer Charakterzeichnung, hauptsächlich bei den weniger bedeutenden Figuren. Mary´s Ladies, mit Ausnahme ihrer von der hübschen Mariana Seligmann („Imagining Argentina“) anständig verkörperten Tochter Michelle, sind nichts weiter als stereotype Nebenprotagonisten, die kaum der Rede wert sind, aber immerhin einen authentischen (Erscheinungs-) Eindruck derartiger Damen in jener Zeit und Umgebung hinterlassen, u.a. weil sie nicht vordergründig auf lässig und cool getrimmt wurden. Janet Barr („Mindbender“) spielt Mary passabel und gewollt unsympathisch, Javier De la Vega („Satanás“) liefert eine akzeptable Leistung in der Rolle des „Losers“ Blake ab, der unter seiner im ersten Augenblick auf Frauen anziehend wirkenden Schale nicht allzu viel zu bieten hat – obgleich er Clem gegenüber doch einige ernsthafte Gefühle hegt. Während die bisher aufgeführten Akteure brauchbar, aber keineswegs herausragend agieren, erwies sich die Verpflichtung bzw Wahl der beiden Leads als ein wahrer Glücksgriff. Victoria Maurette („Bulletface“/„Dying God“) transportiert alle ihr abverlangten Emotionen kraftvoll und glaubhaft: Mit einer nach außen getragenen Härte schützt Clementine ihre verletzte Seele – in ihren Augen spiegelt sich allerdings der ganze Umfang ihrer Verbitterung und Traurigkeit wieder. Entsprechend sehr gefiel mir Maurette, deren Mimik, Gestik und Ausstrahlung stimmt – meines Erachtens nach hat sie der tragischen Persönlichkeit optimal Leben eingehaucht. Unabhängig der Gegebenheit, dass der grob gestrickte Part des verfluchten Priesters Andreas Bagg („Interferencia“) darstellerisch gewiss nicht sonderlich stark forderte, sagte mir seine gebotene Performance dennoch zu, da er mit seiner zurückhaltenden, frei von Over-Acting daherkommenden Herangehensweise Mobius eine düster-geheimnisvolle Aura verlieh, was ein gutes Stück zu dem angestrebten (und letztendlich erzielten) mysteriösen Grundton der gesamten Produktion beiträgt.
„Left for Dead“ verfügt über eine interessante wie außergewöhnliche Atmosphäre – ist ein unkonventioneller, von seiner Ansiedlung und Präsentationsart her an einen Zustand irgendwo zwischen Fiebertraum und Drogenrausch erinnernder Western. Cinematographer Alejandro Millán („the Last Gateway“) bewies mit etlichen einfallsreichen Winkeln und Bildanordnungen ein hervorragendes Auge, die Aufnahmen der verwendeten High-Definition-Kameras sehen klasse aus, unterstreichen die sorgsam ausgewählten Kostüme (Mobius könnte glatt einem Comic oder Videogame entsprungen sein) sowie unheimlich stimmigen Locations (wie Dschungelimpressionen oder alte Gemäuer) perfekt und harmonieren ergiebig mit der (unter anderem) durch Filter und Ausleuchtungsentscheidungen gewählten bzw genutzten Palette an kräftigen Farbtönen. Darüber hinaus arrangierte Pyun´s Stamm-Editor Ken Morrisey einige ansehnliche Schnittkompositionen – und ergänzte diese um eine Vielzahl an Überblendungen, spezielle Momente festhaltende, mehrere Sekunden lang andauernde Freeze-Frames, nützlich platzierte Flashback-Sequenzen sowie regelmäßige Zeitraffer- und Zeitlupen-Einsätze. Beinahe befremdlich anmutende, akzentschwere Sprachrhythmen verstärken die aparte Wahrnehmung der sich entfaltenden Ereignisse, dienen der Abgrenzung von der allgemeinen Gewohnheit und Realität. Oftmals wird auch (fließend) zwischen Englisch und Spanisch gewechselt – wobei sich die sporadisch Gebrauch findenden Untertitel keineswegs auf nur eine der zwei genannten Verständigungsausprägungen beschränken. Eine weitere in diesem Zusammenhang zu nennende, förderliche, geradezu abrundende Komponente ist der klangvolle Score, welcher einige starke Melodien beinhaltet, deren Ursprünge eindeutig der geographischen (südamerikanischen) Region zuzuordnen sind. Demgemäß handelt es sich bei diesem Werk, wie ja bereits von mir hervorgehoben, um eine maßgeblich auf audiovisueller Ebene enorm reizvolle Angelegenheit.
Die Qualität der (digitalen) Special Effects ist nicht besonders hoch, was in erster Linie auf verschiedene CGI-Zusätze zutrifft: Rauch, aufblitzende Mündungsfeuer und Projektileinschläge wurden ebenso wie einige „übernatürliche Ergänzungen“ (á la „entweichende Lebensenergien“ oder eine Dämonenfratze) nachträglich im Rahmen der Post-Production hinzugefügt – man sieht ihnen ihre kostengünstige Beschaffenheit ziemlich deutlich an, bloß bildet selbst das einen zusätzlichen (sonderbar wirkenden) Faktor im rundum eigenwilligen Gesamtbild. Trotz eines minimal zu ruhigen Mittelteils geht das Tempo insgesamt in Ordnung, der Grad an direkt aufgezeigter, sich meist abrupt entladender Gewalt ebenso – obwohl eine Szene mit einem Säugling (zumindest meiner Meinung nach) doch herausragend heftig daherkam. Mit einigen netten Ideen angereichert, wie etwa dass das Berühren eines „verfluchten“ Revolvers (für denjenigen) die grausamen Momente der Vergangenheit erneut heraufbeschwört, wartet der Film mit mannigfachen, sich um einen tragischen Storykern rankenden Sub-Plots und Verwicklungen auf, bei denen allerdings, unabhängig der umfassend klaren „Style over Substance“-Tendenz, erfreulicherweise die Charaktere weitestgehend im Vordergrund verbleiben und somit den reinen Horror-Elementen stets überlegen sind.
Fazit: Alles in allem bietet „Left for Dead“ dem geneigten Zuschauer am Ende, also unterm Strich betrachtet, eine ambitionierte wie ansprechende Kombination aus einer Art „psychedelischer Spaghetti-Western“ und einer auf dem klassischen Rache-Motiv basierenden Geister-Geschichte, welche bestenfalls deutlich abseits der geläufigen Mainstream-Pfade einen gewissen Anklang finden dürfte … knappe „7 von 10“