Für einen erwachsenen Reszensenten ist es nicht leicht, sich in die Gedankenwelt von Kindern hinein zu denken, aber in diesem Fall sollte man zuerst berücksichtigen, dass sowohl die Buchvorlage, als auch der danach entstandene Film, vor allem Kinder ansprechen soll. Und in dieser Hinsicht macht "Die Insel der Abenteuer" erst einmal alles richtig, denn im Mittelpunkt steht ein Kind, während die Erwachsenen nur die Nebenrollen abgeben.
Die Besetzung der titelgebenden Hauptrolle Nim (Original "Nim`s Island") mit Abigail Breslin, die zu den erfahrensten Kinderdarstellern gehört ("Little Miss Sunshine"), ist ebenfalls folgerichtig. Wohltuend ist dabei, dass der kindliche Charakter der Protagonistin nie durch frühpubertäre Anwandlungen verwässert wird, sondern das der wilde, freiheitsliebende Stil, der sich auch in der konsequenten Verwendung von Schlabberklamotten zeigt, bis zum Schluss durchgehalten wird.
Angesichts der Tatsache, dass die kleine Nim alleine mit ihrem Vater auf einer in Seekarten nicht verzeichneten Insel im Südpazifik lebt, fragt man sich, was an diesem Leben kindgerecht sein soll, da keine anderen Kinder in der Nähe sind. Doch damit verkennt man den Abenteuergeist der kindlichen Zuschauer, die hier weniger anderen Kindern beim gemeinsamen Spielen zusehen wollen, sondern wie schon einst Pippi Langstrumpf auf "Takatukaland" von einer Insel besonders fasziniert werden.
Besonders wenn besagtes Kind auf sich allein gestellt wird, da ihr Vater Jack (Gerald Butler) von einer zweitätigen Forschungsreise nicht wieder zurückkommt, da sein Schiff bei einem Sturm stark beschädigt wurde. Die Rolle des Vaters hat sich damit dann auch (fast) erledigt, denn Butler wird daraufhin nur noch in kleineren Szenen eingeblendet, in denen seine Versuche gezeigt werden, doch wieder zur Insel zurückzukommen. Allerdings spielt Butler noch eine weitere Rolle, in der er den Helden Alex Rover personifiziert.
Alex Rover ist Nim's liebster Buchheld, von dem sie jedes seiner Bücher gelesen hat. Da der Autor den selben Namen trägt, glaubt sie, dass hier ein Held seine wahren Abenteuer niederschreibt, und bittet in ihrer Verzweiflung über das Fernbleiben des Vaters, diesen per E-Mail um Hilfe. Sie ahnt nicht, dass es sich bei dem Autor in Wirklichkeit um eine Autorin namens Alexandra Rover handelt, bei der es sich - ganz im Gegensatz zu dem unbesiegbaren Helden - um eine neurotische Stubenhockerin handelt.
Und damit bekommt der Film auch Aspekte für den erwachsenen Betrachter, was vor allem der Tatsache zu verdanken ist, dass Jodie Foster die Rolle der Autorin einnimmt. Ihr gelingt es die Schwierigkeiten der mit allen möglichen Phobien ausgestatteten Schriftstellerin so darzustellen, dass ihre Anwandlungen zwar komisch, aber nie albern wirken. Auch der Prozess der Selbstüberwindung ist trotz aller optimistischen Sichtweise nachvollziehbar und keineswegs unrealistisch oder zu schnell. In Kombination mit den selbstironischen Taten des vermeintlichen Helden Alex Rover, der immer Zwiesprache mit ihr hält, entwickelt der Film einen intelligenten Verfremdungseffekt, der für Kinder zwar unterhaltend, aber schwer nachvollziehbar ist, auch weil Gerald Butler darin teilweise eigene (filmische) Heldenrollen durch den Kakao zieht.
Diese Szenen werden zwar regelmässig eingeblendet, aber im Mittelpunkt bleibt immer Nim und ihr selbstbewusstes Leben auf der Insel. Angesichts der Souveränität, mit der sie mit dem Leben dort zurecht kommt, fragt man sich, warum sie überhaupt Alex Rover um Hilfe bat, und selbst als ein Piratenschiff ihre Insel erobern will, weiss sie sich zu wehren. Natürlich handelt es sich nicht wirklich um Piraten, sondern "nur" um Touristen, die glauben, es sich auf der vermeintlich unbewohnten Insel gemütlich machen zu können. Interessant in diesen Szenen ist ihre Begegnung mit einem dicken Jungen, der sich als intelligenter und aufmerksamer als sämtliche Erwachsenen erweist, und Nim später zu Hilfe kommt. "Die Insel der Abenteuer" vergisst nie, welches sein Zielpublikum ist. Vater Jack und Autorin Rover sind zwar sympathisch, aber nachdem sich der vermeintliche Held Alex Rover als Illusion herausstellte, hinterlässt Nim eindeutig den fähigsten Eindruck.
Die hier dargestellte anarchische Lebensform wird natürlich nicht konsequent durchgehalten und auch wenn sich der Film nur die letzten Szenen für eine Begegnung zwischen Papa Jack und der aus der Schaumkrone geborenen Alexandra aufspart, so winkt schon die "Patchwork"-Familie am Horizont - alles wird gut. Insgesamt wirkt "Die Insel der Abenteuer" in seiner darstellerischen und optischen Perfektion, die auch ausgiebig CGI-Effekte verwendet, etwas glatt und fast zu gewollt.
Ausgerechnet Abigail Breslin trägt zusätzlich zu diesem Eindruck bei, denn ihrem gekonnten Spiel fehlt trotz aller noch vorhandenen Kindlichkeit das überraschende Element, dass sich manchmal im amateurhaft spontanen Spiel zeigt. Die fast altmodische Magie, die Pippi Langstrumpf Filme trotz der geringeren technischen Möglichkeiten noch heute ausstrahlen, kann "Nim's Island" nicht erreichen. Doch die Macher müssen sich keine Sorgen machen - das merken, zumindest bewusst, nur die Erwachsenen (6,5/10).