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"Science-Fiction"-Szenarien basieren in der Regel auf Gegenwartskonflikten, die ein findiger Autor mit der Vorwegnahme von zwei bis drei Jahrzehnten zu Brennpunkten hochstilisiert, die im besten Fall vor einer weiteren Entwicklung warnen. Maurice G. Dantec griff in seinem Buch den immer größer werdenden marktwirtschaftlichen Abstand zwischen den westlichen Industrienationen und den übrigen Ländern auf. Was heute schon an der EU-Südspitze Richtung Afrika zu erkennen ist, wird in "Babylon A.D." zwischen Ländern des ehemaligen Ostblocks und den USA demonstriert. Während die reichen Länder zunehmend aufrüsten, um ihre Gebiete vor unerwünschten Zuwanderern zu schützen, versinken die armen Länder im Chaos. Nicht zufällig ähneln die ersten Bilder in "Babylon A.D." Szenen aus dem österreichischen Film "Import/Export", in denen die slum-artigen Wohnverhältnisse der Slowakei den Hintergrund bildeten.

Kassovitz Film nutzt diese gesellschaftskritische Komponente aber nicht als Plädoyer für eine andere Politik, sondern als Hintergrund für einen typischen Abenteuerfilm. Auch die Beispiele für eine rücksichtlose Benutzung der Staatsgebiete der ehemaligen Ostblockländer für technische Experimente und die Hochstilisierung kapitalistisch orientierter Sekten, die ihren Heiligenschein zur Ausbeutung nutzen, transportieren trotz des realistischen Bezugs zur Gegenwart keinerlei kritische Haltung. Niemand wird nach "Babylon A.D." seine Meinung ändern, abgesehen davon, dass die Feindbilder viel zu offensichtlich bedient werden, so dass hier kein Raum für Differenzierungen oder unterschiedliche Interpretationen gelassen wird.

Anders ausgedrückt - wer von "Babylon A.D." eine Auseinandersetzung mit Gegenwartsproblemen erwartet oder wenigstens ein nachvollziehbares Endzeit-Szenario, wird enttäuscht werden. Das liegt schon an der Typisierung des Helden, der zwar den harten Hund gibt, aber natürlich über eine schneeweiße Moral verfügt. Ähnlich dem Antlitz von Aurora (Mélanie Thierry) ,deren Gesichtszüge Reinheit und Jungfräulichkeit ausdrücken, und damit Eigenschaften, die in dieser heruntergekommenen Welt als Rarität gehandelt werden. So ist es nicht erstaunlich, dass dieser Schatz aus einem Jahrhunderte alten Kloster, dass inmitten der Chaos-Zone liegt, in die reiche USA gebracht werden soll. Für diesen Job kommt nur Toorop in Frage, der von Vin Diesel in seiner üblichen Manier als cooler muskelbepackter Kämpfer mit dem weichen Herzen dargestellt wird.

Und damit ist man beim zweiten Punkt angelangt, der darüber entscheiden sollte, ob man "Babylon A.D." konsumieren sollte, denn wo "Vin Diesel" draufsteht, ist auch "Vin Diesel" drin. Bis zur Ankunft in den USA, die in einem kurzen Vorspiel schon einmal angedeutet wird, funktioniert der Film erstaunlich gut, wenn man sich auf Diesels Charakter einlassen will. Die optische Mischung aus verrotterter Vergangenheit und zukünftigen technischen Spielereien geben einen geeigneten Hintergrund für Diesels selbstironische Darstellung ab. Auch im Zusammenpiel mit Aurora und ihrer weiblichen Aufpasserin Schwester Rebekka (Michelle Yeoh), die - wen wundert es bei dieser Besetzung - sich als hervorragende Kämpferin entpuppt, macht Diesel eine gute Figur und vermeidet überzogene emotionale Momente.

Das bei seiner Reise durch unwirtliche Gebiete keine wirklichen Überraschungen auftauchen, erstaunt nicht, lässt sich aber verkraften, da Kassovetz die an einen solchen Film gebundenen Erwartungen erfüllt. Mehr als an die Buchvorlage, erinnert sein Film zunehmend an ein Comic-Szenario, denn die CGI-Effekte wirken sehr plakativ, genauso wie die sehr schnell geschnittenen Kampfszenen einzelne Abläufe nur schwer erkennen lassen.

Diesem Effekt kommt die Tatsache zugute, dass der Film lange Zeit nur wenige Hintergrundinformationen gibt. Genauso wie Vin Diesel einfach in diese Umgebung geschmissen wird und diverse Typen wie der von Depardieu dargestellte Gorsky auftauchen, ohne das man über sie viel erfährt, bleibt auch der Grund für den Transport der zarten Aurora, die über seltsame hellseherische Kräfte zu verfügen scheint, lange Zeit im Ungewissen. Erst mit dem Auftritt von einer beeindruckenden Charlotte Rampling kommt Klarheit in die Abläufe, die aber nicht wirklich der Aufklärung dient, sondern nur zum wiederholten Mal beweist, dass Filme dieser Art an einer einleuchtenden Erklärung scheitern.

Es gibt eine Menge Gründe, "Babylon A.D." abzulehnen, der letztlich mit Vin Diesel steht oder fällt. Wer ihn mag und der hier geschilderten Thematik, die in ihrer grundsätzlichen Anlage keineswegs unkritisch ist, nicht mit zu viel Ernst begegnet, kann durchaus gut unterhalten werden, auch wenn die letzten Minuten den Gesamteindruck etwas trüben (6/10).

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