Review

Auf
den Straßen von ....

Preisfrage: Was macht jeder normale Mensch nachdem er im Halbschlaf frühmorgens den nervtötenden Alarm des Weckers ausgestellt hat?...

Los Angeles sind die Sitten und Gebräuche mindestens genauso hart und rau, wie sie vor 30 Jahren bereits in San Francisco waren. Man kann durchaus behaupten, dass es sich bei Keanu Reeves mit seinen knapp 45 Jahren schon um einen „alten Hasen" - im positiven Sinn - im Filmgeschäft handelt. Obwohl seine ersten Filme bereits im Jahr 1985 entstanden sind, wurde der kanadische Schauspieler mit libanesischen Wurzeln einem breiten Publikum vermutlich erst im Jahr 1991 ein Begriff mit dem Film „My Private Idaho" und vor allem mit dem Surf- und Actionklassiker „Gefährliche Brandung", an der Seite von Patrick Swayze. In den letzten Jahren machte er dann als Neo in der Matrix - Trilogie von sich Sprechen und eben jetzt sehen wir ihn als Tom Ludlow in „STREET KINGS". Dabei handelt es sich um eine Romanadaption des US-amerikanischen Erfolgsautors James Ellroy (z.B. „Die schwarze Dalie", „L.A. Confindential"), der auch neben Kurt Wimmer und Jamie Moss für das Drehbuch verantwortlich war. Regie führte dabei David Ayer.

Antwort: Klar, er lädt erstmal seinen Revolver!

Mit dieser Szene beginnt der vielversprechende Thriller „STREET KINGS" und was ein Vollblutpolizist ist - und eben wie Tom Ludlow auch ein Mann fürs Grobe - der ist immer im Dienst. Untermalt mit groovendem, orchestralen, nichts Gutes verheissendem Soundtrack, macht er sich nach dem Motto „und jetzt wird wieder in die Hände gespuckt" auf zur Arbeit. Ein Cop wie Ludlow, gekleidet in coolen schwarzen Klamotten mit dunkler Sonnenbrille (was unmittelabr an Matrix erinnert), vom Los Angeles Police Department ist immer im in Bereitschaft. Natürlich endet auch seine Schicht nicht abends um fünf Uhr: Wenn der gewöhnliche Durchschnittsarbeitnehmer bereits mit ausgstreckten Beinen sich auf dem Sofa räckelt, beginnt für ihn (gestärkt mit zwei Wodkas) erst die eigentliche Tätigkeit. Diese führt ihn sogleich zu einer Gruppe Asiaten, die, wie es in derartigen gesellschaftlichen Kreisen so üblich ist, mehr ihre Fäuste, bzw. ihre Kampftechnik sprechen lassen, als Worte um mit ihnen einen nicht ganz astreinen Deal mit einer Maschinenpistole auszuhandeln. Wie sollte es auch anders sein, auf Ludlows Provokationen reagieren sie kurzerhand mit Gewalt. Ludlow ist kein Polizist, der anständig mit Partner alles nach dem Polizeilehrbuch abhandelt. Er schert sich nichts um Vorschriften, sondern regelt es, wie seinerseit John McClane, Martin Riggs und Roger Murtaugh auf die genretypische unkonventionelle eigene Art: ohne langes Zaudern wird der Bösewicht (normalerweise) noch an Ort und Stelle zum Schweigen gebracht anstelle auf gerichtliche Auseinandersetzungen zu warten. Doch diese ist wie auch bei den bereits genannten Actionhelden nicht immer im Sinne der Vorgesetzten.

Die Rache Ludlow lässt jedoch nicht lange Warten. Nachdem die Asiaten mit seinem Auto samt der heißen Ware im Kofferaum das Weite gesucht haben, reicht im nur ein kurzes Telefonat, um die Gruppe wieder ausfindig zu machen. Ohne große Gesten und Worte dringt er in das Haus der Gruppe ein und erschießt sie eiskalt. Diese Szene zeigt schon eine gewisse Schwäche des Films. Manche inhaltliche Sprüge sind einfach zu schnell und zu groß, wodurch kleine logische Ungereimtheiten entstehen. Es ist schon ein wenig seltsam, dass Ludlow nur kurz telefonieren muss, um dann zu Fuß zum Haus der Asiaten zu gehen, die eine Minute vorher noch mit quietschenden Reifen davon gefahren sind. Die Actionszenen sind natürlich knallhart und wenn man so will auch sehr unterhaltsam. Das Blut spritzt aus nächster Nähe und die Kugeln durchsieben die Körper der Bösen nahezu in Großaufnahme um dann beinahe in Zeitlupe zu Boden zu sacken. So abgebrüht Ludlow allerdings im Beruf auch ist, sein Privatleben (seine Frau ist erst vor kurzem verstorben) holt ihn jedoch ebenso so rasch auch wieder ein, was durch sein Alkoholproblem angedeutet wird. Er faked den Schauplatz damit es nach Notwehr aussieht und befreit sogleich verängstige Asiatinnen aus ihrem Verließ, einem sehr beängten Gitterkäfig was einer nicht-artgerechten Hühnerhaltung, sprich einer Legebatterie, gleich kommt. Die Geiselnahme ist beendet, das Nachspiel für Ludllow und seinen Vorgesetzten beginnt jedoch erst.

Keanu Reeves ist aber nicht der einzige hochkarätige Schauspieler in „STREET KINGS". Ein weiterer äußerst nahmhafter Protagonist ist Forest Whitaker („Der letzte König von Schottland", „8 Blickwinkel"), der ihm als sein väterlicher Vorgesetzter Captain Wander für seine radikalen Methoden so weit wie Möglich den Rücken frei hält („Das ist großartig, Tommy!"), sehr zum Missfallen seines Ex-Kollegen Terrence Washington (gespielt von Terry Crews: „Balls of Fury", „Starsky & Hutch") und vor allem des Vorgesetzten für interne polizeiliche Angelegheiten Captain James Biggs (dargestellt von Hugh Laurie: „Dr. House", „Stuart Little), der die Situation lückenlos aufklären will. Damit ist das Trio Infernale für diesen Film bereits komplett. Während Reeves vor allem für den Actiongehalt des Streifens verantwortlich ist, als eine Art Spielball der der Vorgesetzten, besticht „STREET KINGS" vor allem durch dieses undurchsichtige und beeindruckend eindringliche Gegenspiel von Whitaker und Laurie. Für Captain Wander (Whitaker) ist Ludlow der ideale Cop, der ohne großes Fragen und Warten die Fälle mit seinen eigenwilligen und nicht jugendfreien Methoden aufklärt, was sehr zuträglich für das Fortschreiten der eigenen Karriere ist. In den Augen von Biggs ist Ludlow eher eine Art Marionette von Wander, um dessen korrupte Vorgehensweisen zu vertuschen. Als internner Aufklärer ist Biggs jedes Mittel ob legal oder illegal recht um jegliche Korruption aufzudecken und der afroamerkanische Wander ist ihm, als Weißen, schon lange ein Dorn im Auge. Das die Protagonisten ihr Handwerk vorzüglich verstehen und dieses auch mit Spiellust und Leidenschaft zu Schau stellen, merkt der Zuschauer von der ersten Sekunde an. Während Reeves die Freunde des Actiongenres bedient, steht bei dem Spiel zwischen Wander und Biggs eher die sozialkritische Komponente (z.B. das Rassissmussproblem) im Vordergrund.

Nach dem Einsatz begibt sich Ludlow auf Anraten von Wander ins Krankenhaus. Es dauert auch nicht lange, bis von Biggs, getarnt als Versicherungsagent dort aufgesucht wird, um aus Ludlow brisante Informationen herauszukitzeln. Als er sich zu erkennen gibt verabschiedet er sich etwa mit den Worten: „Lass dir einen guten Rat geben, komm nicht so weit vom rechten Weg ab, dass du am Ende nicht mehr zurückkehren kannst. Man sieht sich!" Aber das kann doch einen Ludlow nicht erschüttern, schließlich kümmert sich ja die hübsche schwarzhaarige Grace Garcia (Martha Higareda) um ihn, denn es darf auch nicht an einer gewissen Portion Erotik fehlen. Während er sicht für sein Vorgehen vor den Obrigkeiten rechtfertigen muss und er es - wie könnte es auch anders sein - als Notwehr, da er Schreie aus dem Haus gehört habe und deshalb nicht auf Verstärkung hat warten können, feiert Wander auf Ludlows Lorbeeren die Beförderung zum Commander.

Die Ermittlungen von Biggs gegen Ludlow ob seiner radikalen und rücksichtslosen Vorgehensweisen laufen und so liegt für ihn, bestärkt duch Wander, der Verdacht nahe dass er seinem frührerer Freund und Ex-Kollegen Terrence Washington diese Umstände zu verdanken hat. Am liebsten würde er ihn noch im Restaurant zu Rede stellen, die eingeschworene Runde um Wander kann ihn jedoch gerade noch zur Vernunft zwingen. Gestärkt mit einem Wodka (schließlich ist dieses Getränk ja geruchstechnisch nicht nachweisbar), verfolgt er ihn, um ihn dann in einem Supermarkt zur Rede zu stellen. Er bemerkt jedoch, dass es auch zwei Gangster auf Washington abgesehen haben. Als er ihn warnen und zu Hilfe eilen will, kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden, da Washington ihm nicht glaubt und wegen Wanders Äußerungen schwer misstraut. Schließlich muss Ludlow mit ansehen, wie Washington von den beiden Schwerbewaffneten unter Maschienengewehrsalven regelrecht niedergemetzelt wird. Natürlich fällt der Verdacht sofort auf Ludlow, verantwortlich für dieses Blubad zu sein. Doch wie könnte es anders sein, trotz dem Überwachnungsvideo, welches man sehr leicht auch gegen ihn interpretieren kann, kann sich Ludlow auf sein polizeiinternes Schutzprogramm, sprich auf Wander mit seinem Einfluss vertrauen. Um ihn vor schlimmeren Folgen zu bewahren, zwingt er Ludlow ihm seine Waffen auszuhändigen und er von nun an wieder als Streifenpolizist unterwegs ist. In einem Vieraugengespräch gibt er ihm den Hinweis, dass ja vielleicht der Sicherheitsbeamte des Supermarkts vergessen hat, eine CD in den Rekorder der Kamera einzulegen. Wander verlässt den Raum und ermöglicht so Ludlow, die Überwachungs-CD einzustecken. Am nächsten Tag kann Ludlow in Wanders Büro in der Zeitung lesen „Hero Cop too late to save Officer" und der Ankündigung, dass der Fall damit ad acta gelegt ist. So leicht lässt sich Ludlow jedoch nicht entmutigen. Zusammen mit seinem jungen Kollegen Paul Diskant (Chris Evans: „Fantastic Four") ermittelt er ohne Wanders Wissen auf eigene Faust, um die wahren Mörder Washingtons doch noch zu schnappen. Beide geraten immer weiter hinein in den Sumpf aus Intriegen, Verbrechen und Korruption, auch innerhalb der eigenen Behörde, denn er ist besonders überrascht, als ihm gerade von Biggs Hilfe angeboten wird, ohne jedoch zu ahnen, dass dieser ganz anderes im Schilde führt.

Die Sprache des Films ist natürlich nicht als eloquent und die Dialoge nicht gerade als geschliffen und ausgefeilt zu bezeichnen. Die Wortwahl bewegt sich sehr oft am Rande der Fäkalsprache: „fuck" und „shit" gehören vermutlich zu den am öftesten verwandten Wörter, aber was anderes erwartet man von einem Film dieses Genres auch nicht. Großartig ist auch das Setting. Man blickt hinter die sonnigen Fassaden der gute-Laune Stadt Los Angeles und erfährt, dass es auch in einer äußerlich perfekten Welt im Inneren durchaus Spannungen und Konflikte gibt, nach dem Motto der Schein trügt. Man erhält Einblicke in ein dunkles Netzwerk illegaler und korrupter Machenschaften bei dem die Freundschaften und Loyalitäten ständig auf dem Prüfstand stehen und man am Besten niemanden trauen soll, ausser sich selbst. Es sind weniger die Actionszenen, die natürlich schon sehr brutal und mitreißend insziniert sind, als vielmehr die tiefen bzw. tiefgründigen Einblicke in die menschliche Psyche. Bis zuletzt bleibt es unklar, wer jetzt der Gute und wer der Böse ist - ein richtig durchtriebenes Katz- und Mausspiel, bei dem bis am Ende offen bleibt, wer die Katze und wer die Maus ist.

FAZIT:

„STREET KINGS"
ist sehr spannend und bieten sowohl für Freunde knallharter Action reichlich Anschauungsmaterial aber auch einige gesellschaft-sozialkritische Anstöße, ohne jedoch den Character eines rasanten Thrillers zu verlieren. Waren die Sraßen von San Francisco damals eher noch beschaulich, so birgt - wie schon in „L.A. Condidential" - das Straßennetz von Los Angeles zahlreiche Gefahren. Der Soundtrack des Films unterstreicht ideal, zum Teil mit groovigen Beats, zum anderen eher mit unheilvoll sphärischen Klängen perfekt die Stimmungen der jeweiligen Situation. Auch wenn der Film an manchen Stellen etwas zu schnell voran schreitet, wodurch kleine inhaltliche Lücken entstehen, ist es vor allem die schauspielerische Leistung der drei männlichen Protagonisten und die bedrückende Eindringlichkeit der eingefangenen Bildern, die diesen Film sehr sehenswert machen und seinen Höhepunkt auch erst mit der Schlussszene erreicht. Allerdings ist „STREET KINGS" nichts für Zartbesaitete und Romantik vermisst man gänzlich. Der Regiesseur zeigt alle Actionszenen ungeschönt und hält mit der Kamera voll auf die Opfer drauf, ohne dass jedoch der Eindruck eines reinen gewaltverherrlichenden Gemetzels entsteht.
(8 / 10 Punkten)

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