Reduziertes Verlangen
Frauenfiguren wie Erika Kohut sind kaum eine Neuigkeit: jedenfalls grundsätzlich nicht. Vom durchaus sexistischen Stereotyp gibt es in weit abgeschwächter Form auch Beispiele die bis in die populäre Kultur hinein reichen - man blicke bloß in die "Lindenstrasse" der Achtziger Jahre und sieht dort die Klavierlehrerin Berta Griese, wie sie sich "erst spät" "aus der Umklammerung der schier übermachtigen Mutter" befreit - wie es dort noch offizialisiert heißt.
Aber Jelineks Text und dieser Film von Haneke sind doch etwas ganz anderes, eine Befreiung erscheint gar nicht möglich - eigentlich gänzlich lächerlich.
"Die Klavierspielerin" ist Hanekes zweite Literaturverfilmung nach dem "Schloss", wie "Das Schloss" fragmentarisch angelegt - so plötzlich abbrechend, und Isabelle Huppert wandelt darin zwischen ihren Musikstunden und zwanghaft wirkenden Besuchen in Pornokinos, mit ihrer Mutter (Annie Girardot) in einem Bett schlafend, einem Alltag und Leben nach das wiederum alles kaum so zu nennen ist. Eigentlich ist es in aller Schlichtheit die pure Hölle.
Neben aller Gewalt ist es auch ein Film über Verlangen: Verlangen das durch eine stete Reduktion gebunden erscheint, im positiven wie negativen Sinn - egal ob es sich um das herzergreifende Verlangen nach einfacher Zuneigung handelt, oder den ekelerregenden Wunsch handelt an vollgewichste Papiertaschentücher unbekannter zu schnuppern. Die denkbarst schiefgelagerte "Beziehung" zu einem deutlich jüngeren Mann, welcher unvermutet in Erikas Leben tritt, ist dabei auch von Qualen, Zwängen, Disziplin ins abscheuliche und Strenge geprägt. Eine Strenge welche dem Regisseur offensichtlich fasziniert, und wahrscheinlich hätte kein anderer den Film so auch machen können: mag sein dass der ganze Film, mehr aber noch der zugrundeliegende Text Elfriede Jelineks, von verqueren Vorstellungen über Sadomasochismus handelt, durch und durch sexnegativ ist, diese Beziehungen nichts anderes als (mit) diffamieren will, obwohl diese bekannterweise für gewöhnlich doch klaren Regeln unterlaufen sind und im Grunde genommen nichts anderes als Spiele darstellen: ich denke nicht. Es ist ein offener Kulturpessimismus der hier aus meiner Sicht anders als in anderen Haneke-Filmen tatsächlich keine eindeutigen Schuldzuweisungen macht, für mich wahrscheinlich gerade wegen des Romans als Grundlage: dafür wird die Welt auch als zu geschlossen dargestellt und alles spielt sich innerhalb einer erschlossenen, genormten "Hoch-" und "Bildungskultur" ab. Die wie beschrieben zum Teil ekelhafte Flucht in andere Welten erfolgt dabei freiwillig und von der innersten "?-Tagonistin" gewollt. Zur Täterin wird das Opfer aber eben auch in der ihr bekannten, etablierten Welt. Bis zum bitteren Ende
9/10