„eXistenZ. In dieser Schreibweise. Ein Wort. Kleines E, aber ein großes X. Und ein großes Z.“
Nach dem Erotik-Drama „Crash“ wurde der Science-Fiction-Thriller „eXistenZ“ aus dem Jahre 1999 der letzte Film des kanadischen Regisseurs David Cronenberg des vergangenen Jahrtausends. Nach langer Zeit stammte erstmals auch wieder das Drehbuch aus seiner eigenen Feder und so trägt die kanadisch-britische Low-Budget-Koproduktion dann auch unverkennbar Cronenbergs Handschrift, handelt es sich doch um eine Art inoffiziellen „Videodrome“-Nachfolger, der sich mit der virtuellen Realität von Computer- und Videospielen auseinandersetzt.
„Tod dem Realismus!“
In naher Zukunft ist das Virtual-Reality-Game „eXistenZ“ der neueste Schrei auf dem Videospielemarkt: Mittels eines „Bioports“ wird die halborganische Spielkonsole direkt mit dem Rückenmark und dem zentralen Nervensystem der Spieler verbunden, die daraufhin komplett in eine virtuelle Realität eintauchen. Entwickelt wurde das Spiel von der attraktiven Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh, „Die Augen eines Fremden“), auf die während einer Präsentation des Spiels durch radikale Virtual-Reality-Gegner des „Realistischen Untergrunds“ ein Attentat verübt wird. Dabei wird der Prototyp des Spiels beschädigt, woraufhin sie mit dem Sicherheitsmann Ted (Jude Law, „Die Weisheit der Krokodile“) in das Spiel eintaucht, um die Fehler zu beseitigen…
„Worin besteht eigentlich das Ziel dieses Spiels, das wir hier spielen?“ – „Sie müssen es spielen, um herauszufinden, warum man es spielt! Das ist die Zukunft.“
Cronenbergs „Videospieldrome“ vermengt wie sein Vorgänger auf mitunter hübsch unappetitliche grafische Weise Elektronik mit Biologie und nimmt den Zuschauer mit auf seine passive Reise in die interaktive Welt eines Videospiels, dessen Regeln es zunächst einmal herauszufinden gilt, um diese befolgen und so vorankommen zu können. Das hat mitunter tatsächlich etwas vom Trial-and-Error-Prinzip beim Erkunden neuer Spiele in der Realität, mit dem Unterschied, dass man sich letztgenannter schon früh nicht mehr sicher sein kann, da Cronenberg Spielfiktion und Realität bewusst miteinander zerfließen lässt. Wann werden Spieltode gestorben, wann wirkliche? Die Handlung hält zahlreiche Finten bereit und schlägt einige Haken, sodass man in diesem Verwirrspiel bald den Durchblick verliert.
„Sind wir immer noch in dem Spiel?“
Seine Grundaussage, dass man sich angesichts immer realistischer werdender Spiele der tatsächlichen Realität zu entledigen droht, reichert „eXistenZ“ mit Machtkämpfen, Interessenkonflikten und manch krudem Einfall wie dem der Ausbeutung sonderbarer Geschöpfe zwecks Gewinnung von Komponenten für die Spielkonsolen an. Außerdem wird die Frage aufgeworfen, wie weit Menschen für einen fragwürdigen Spielgenuss zu gehen bereit sind. „eXistenZ“ ist fortschrittskritisch, dankenswerterweise jedoch nicht technologiefeindlich. Sein bescheidenes Budget sieht man ihm in seinem nach Videothekenfutter aussehenden Look leider an und die Charaktere bleiben oberflächlich und distanziert-fremd, was die Handlung nach dem x-ten Haken zu egalisieren droht. Dafür hält das Finale nach einigen Action-Einlagen aber eine gelungene Pointe parat, die „eXistenz“ wie Cronenbergs Beitrag zum Mindfuck-Stil erscheinen lässt und auch die Frage klärt, weshalb Allegra nach allem, nur nicht nach einer Spieleentwicklerin aussieht…
„Es ist ein Fall von völlig verrückter Osmose, mit dem wir’s hier zu tun haben. Ich versteh’s auch nicht ganz.“
Vor allem aber wirkt „eXistenZ“ im Vergleich mit anderen futuristischen Filmen ähnlicher Thematik inhaltlich auch heute noch kaum überholt.