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Nach den weniger erfolgreichen Ausflügen in andere Gefilde mit „Swept Away“ und „Revolver“ ging Guy Ritchie mit „Rock’n’Rolla“ auf klassisches Gangsterterrain zurück – und sah sich prompt mit Vorwürfen der Selbstkopie konfrontiert.
Wieder geht es um die englische Gangsterszene, deren zentraler Dreh- und Angelpunkt Lenny Cole (Tom Wilkinson) ist. Ein verbrecherischer Grundstücksspekulant, der quasi überall mit drinhängt. Bestechung der Stadtverwaltung, Kontrolle sämtlicher Bauvorhaben, Betrug der Anleger usw. Seine rechte Hand, Archy (Mark Strong) sorgt dafür, dass Lennys Vorhaben umgesetzt werden, auch wenn dazu Gewalt nötig ist. Nun füllt Ritchie diesen Background mit den entsprechenden schrägen Typen, was vom Rezept her sehr an „Snatch“ und „Bube, Dame, König, GrAs“ erinnert.
Da sind Mr. One Two (Gerard Butler) und Mr. Mumbles (Idris Elba), die Lenny 2 Millionen schulden. Da ist der russische Gangsterboss Uri Omovich (Karel Roden), der 7 Millionen anlegen will. Und da ist Lennys Sohn, der drogenumnebelte Rockstar Johnny Quid (Toby Kebbell)...

Seit dem Aufstieg Tarantinos gibt es sie en masse, die Gangstergrotesken, in denen sich ein Haufen mehr oder minder professioneller Verbrecher gegenseitig bescheißt und/oder über den Jordan bringt. Das Ganze endet meist mit vielen Toten und wenig Siegern, doch der Weg dahin ist meist das Ziel. Insofern verursacht der Plot von „Rock’n’Rolla“ trotz diverser Verschachtelungen weder Herzrasen noch Nägelkauen, mal wieder gibt es absurde Zufälle (ein Bild, das mehrfach die Besitzer wechselt) und Komplikationen (One Two und Mumbles überfallen Uri, um Lenny bezahlen zu können), doch letztendlich ist die Geschichte beinahe beliebig, vor allem Folie für Spaß und Style.
Gerade auf visueller Ebene zeigt sich Guy Ritchie in alter Form: Verfremdete Bilder wie die gezeichneten Credits oder diverse auf farbarm getrimmte Szenen, schräge Kamerawinkel und ein dynamischer Schnitt lassen Erinnerungen an frühere „Snatch“-Zeiten aufkommen. Ebenso ist das Geschehen grotesk, teilweise etwas blutig, doch die Schießereien verkommen nie zum Selbstzweck. Einzig und allein das Ende fällt überraschend grimmig und fies aus, aber das ist nur ein kleiner Stilbruch.
Vor allem ist „Rock’n’Rolla“ aber wieder ein Film über coole Typen, die coole Sprüche aufsagen – und über weite Strecken fährt er damit auch ziemlich gut. Gerade die Sprüche von Roman (Jeremy Piven) und Mickey (Ludacris) sitzen, Archys Nachhilfestunde im Ohrfeigen ist ein Brüller und auch den Dialogen merkt man (zumindest im O-Ton) die guten alten Guy Ritchie Qualitäten an.

Gleichzeitig muss man allerdings festhalten, dass ein ziemlicher Abnutzungseffekte zu erkennen ist, denn irgendwie hat man fast alles, was „Rock’n’Rolla“ bietet irgendwo gesehen. Zudem fehlt es dem Finale an Pep: Es gibt dort noch einige Tote, es klären sich die Fronten und alle Rätsel werden gelöst, doch das sind nur die Mindestanforderungen an einen Schlussakt. Denn es fehlt ein echter Knalleffekt, ein wahrer Showdown – auch wenn die Fahrstuhlschießerei echt noch eine witzige Idee ist.
Irgendwie mangelt es Gerard Butler auch an Charisma, wenn er nicht gerade Leonidas spielt: Er bleibt als Quasi-Hauptdarsteller hinter so mancher Nebenrolle zurück, ist solide, aber bei weitem nicht das Glanzlicht im Cast. Ähnlich geht es Thandie Newton, die es mit Unterkühltheit übertreibt. Toby Kebbell ist sein Mut zur Hässlichkeit anzurechnen, Tom Wilkinson gibt einen überzeugenden Gangsterboss ab, doch die Highlights sind Mark Strong als Archy sowie Jeremy Piven und Ludacris als mäßig erfolgreiche Musikmanager mit lockerer Zunge. Gerade bei Piven ist es schade, dass er selten wirklich große Rollen spielen darf.

Das Fazit: Selbstkopie? Ja. Ein schlechter Film? Nein. „Rock’n’Rolla“ ist eine unterhaltsame Gangstergroteske, wenngleich man den Abnutzungseffekt merkt und Guy Ritchie sich auch den einen oder anderen Schnitzer erlaubt. Für einen netten Kinoabend definitiv geeignet, aber demnächst sollte der Mann sich wieder mehr einfallen lassen.

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