Daß man die herbe Schroffheit und Bitternis der Kingschen Vorlage nicht ins Bild fassen könnte, war eigentlich schon nach der Lektüre seiner Novelle klar. Das würde so schwarz und zerstörerisch sein, daß niemand mehr diesen Film sehen würde.
Also reduzierte Brandon Boyce die weit ausufernde Story vom zerstörerischen Einfluß der Faszination des Bösen auf eine Art Thronfolge und Stabweitergabe der unbewußten Art.
Während in der Novelle sowohl Altnazi als auch All-American-Boy am Ende dank des pervertiert-abstumpfenden Einflusses von Vergangenheit und Bösem sich zu gut kaschierten Massenmördern an "menschlichem Abschaum" (also Säufern und Obdachlosen) entwickeln, wird im Film lediglich der Keim des Bösen ausgesät. Relativ schnell handelt das Script die im Buch breite Entwicklung der Beziehungen zwischen dem alten Mann und dem Jungen ab, reduziert es auf das visuell Machbare und läßt die meisten KZ- und Sexbezüge weg. Zentral ausgebaut wird der Machtwechsel in der Mitte des Films, als sich Todds schulische Leistungen verschlechtern und ein Deal McKellens Arthur Denker in eine bessere, gegen-erpressende Position bringt.
Die lange Liste von Morden, die im Buch recht graphisch dargestellt wird, wird hier zu einem einzigen verknappt. Seine Vollendung wird gleichzeitig zu einem Initiationsritus für Todd (wenn auch indirekt), der hier erstmals halb notgedrungen etwas Böses tut.
Denkers Auffliegen im Krankenhaus schließlich kehrt zu den Wurzeln des Buchs zurück, während das apokalyptische Ende jedoch zugunsten eines flotten Drehs aufgegeben wurde.
"Apt Pupil" lebt von seinen hervorragenden darstellerischen Leistungen und der hintergründigen Spannung, die sich aus den Abhängigkeitsverhältnissen ergibt. Kaum einmal eine Szene, die nicht leise vor sich hin vibriert, weil der eine oder andere Charakter in Bedrängnis ist, ob seiner Vergangenheit oder seiner vorgetäuschten Gegenwart. Die satirischen Bezüge der Novelle, wie sehr es unter der clerasil-cleanen Oberfläche unserer All-American-Boys doch finster brodeln mag, sind leider etwas zu kurz gekommen, aber wer tiefer nachbohrt, wird das Entscheidende schon finden.
McKellen ist eine wunderbar tiefgründige Figuren, deren Lust an der dunklen Seite langsam aber sicher wieder geweckt wird. Renfro kann sich nicht wirklich in den Vordergrund spielen, allerdings wirkt sein Spiel damit auch nicht zu aufgesetzt, was bei jungen Darstellern stets eine Gefahr ist. Friends-Star David Schwimmer gibt übrigens eine Cameorolle als Vertrauenslehrer.
Fehlen mag zwar der innere Monolog der Figuren, doch die entsprechenden Partien sind soweit in optisch brauchbare Szenen umgesetzt, daß es keinen Bruch gibt. Wer sich also mal auf eine finstere Story einlassen will, in der es gar nicht erst um so etwas wie ein mögliches Happy End geht, sondern vielmehr um eine Schilderung einer makabren Zweierbeziehung, kann das hier als brauchbare King-Verfilmung genußvoll abfeiern. Psychologisch ausgereift und ausgefeilt, herb und ungewöhnlich. (7/10)