Zwischen den Rassen-Dramen "The Defiant Ones" (1958) und "Guess Who's Coming to Dinner" (1967), welches bereits einen Generationskonflikt behandelt, der auch im – eher als mittelprächtig gehandelten – Studentenrevolten-Drama "R.P.M." (1970) zur Geltung kommt, inszenierte Stanley Kramer ein paar bedeutende Klassiker des gesellschaftspolitisch relevanten Hollywood-Films: Die Atomkriegs-Dystopie "On the Beach" (1959), das 3-Stunden-Epos "Judgment at Nuremberg" (1961) und "Inherit the Wind" (1960). (Man könnte noch das Rassendrama "Pressure Point" (1962) hinzufügen, bei dem Kramer als Produzent tätig war und Teile des Films auch selbst inszenierte.)
"Inherit the Wind" geht – über die zugrundeliegende Theaterstück-Vorlage – auf den Scopes Monkey Trial im Jahre 1925 zurück: Damals wagte es der junge Daytoner Lehrer John Scopes, gegen den im März des Jahres verabschiedeten Butler Act, welcher das Lehren der Evolutionstheorie untersagte, zu verstoßen, was einen Gerichtsprozess auslöste, der landesweit auf großes Interesse stieß. Die Einwohnerzahl in Dayton verdreifachte sich daraufhin beinahe, Journalisten reisten zuhauf an und Kreationisten lieferten sich mit Darwinisten & Verteidigern der Meinungsfreiheit einen erbitterten Streit, derweil man Sinn & Berechtigung des umstrittenen Butler Act hinterfragte.
Und weil ebendieses Gesetz auch 1960 noch seine Gültigkeit besaß und auch im Folgejahr ein Versuch scheiterte, dieses Gesetz aufzuheben, war der 35 Jahre nach dem Prozess entstandene "Inherit the Wind" durchaus aktuell; wenn auch nicht so recht erfolgreich: erst im September 1967 gelang es schließlich, das lächerlich rückständige Gesetz aufzuheben. Noch aktueller war das Thema der gefährdeten Meinungsfreiheit zudem durch die gerade erst überwundene McCarthy-Ära: Dalton Trumbo, dessen Schicksal derzeit in dem Biopic "Trumbo" (2015) aufgearbeitet wird, konnte erst mit dem im Oktober 1960 uraufgeführten "Spartacus" wieder namentlich als Drehbuchautor genannt werden. ("Inherit the Wind" kam bereits im Juni/Juli heraus...)
Kramer konzentrierte sich in dieser Spielfilmversion – nicht zuletzt dank der Drehbuchautoren Nedrick Young & Harold Jacob Smith und der Theaterstück-Verfasser Jerome Lawrence & Robert E. Lee – vor allem auf die Auseinandersetzung zwischen dem angesehenen Verteidiger Clarence Darrow – welcher zuvor schon in jenem Fall die Verteidigung übernommen hatte, der später Hitchcocks "Rope" (1948) und Richard Fleischers Gerichtsfilm "Compulsion" (1959) inspirierte! – und dem mehrfachen demokratischen Präsidentschaftskandidaten & kreationistischen Mitankläger William Jennings Bryan – der weniger ruhmvoll dem ängstlichen Löwen aus Baums "The Wonderful Wizard of Oz" (1900) als Vorbild gedient haben soll! –, wobei er beide kaum verschleiert als Henry Drummond und Matthew Harrison Brady aufgreift: Fredric March entspricht als Brady mit seiner aufgesetzten Halbglatze dem realen Vorbild sogar äußerlich.
John Scopes selbst – hier: Bertram Cates, gespielt von Dick York! – gerät dagegen beinahe zur Nebensache, gleichwohl ihm eine Beziehung zu Rachel Brown, der Tochter des Reverends von Dayton, angedichtet wird. Rev. Jeremiah Brown steht freilich auf Seite der Anklage und appelliert gemeinsam mit Brady an den Glauben der Einwohner, derweil er fleißig gegen Cates wettert, der aus seiner Gefängniszelle herausblickend sogar wütende Straßenzüge besorgter Bürger erdulden muss, die Cates-Stoffpuppen lynchen und Steine in die Zelle des Inhaftierten schmeißen.
Neben dem Richter gehört noch der zynische Journalist E. K. Hornbeck – ganz wunderbar: Gene Kelly! – zu den wichtigeren Figuren des Geschehens: angelehnt am Kolumnisten & Satiriker H. L. Mencken.
Zentral bleibt aber der Kampf von Drummond und Brady für ihre jeweiligen Ideale: Dass beide Figuren hier alte Freunde sind, die sich irgendwann auseinandergelebt haben, aber dennoch nebeneinander gemütlich auf der Veranda hocken können, sorgt für eine ausgewogene, faire Darstellung der ganzen Angelegenheit. "Inherit the Wind" zieht nicht genüsslich über Feindbilder her, gleichwohl Hornbeck regelmäßig beißenden Spott über Brady ergießt, der widerum mit seiner Halbglatze, seiner Gefräßigkeit und seiner Eitelkeit eine wundervolle Zielscheibe abgibt, dann aber doch das volle Mitgefühl des Publikums erhalten soll. Ob der Film auf die genüssliche Demontage verzichtet, weil es zu leicht & gehässig wäre oder weil man die christlicheren Teile des Publikums nicht verprellen wollte, sei dahingestellt – der Film greift zumindest bereits im Titel auf die Bibel zurück: Wer sein Haus zerrüttet, wird Wind erben... (Oder: Wer Wind sät, wird Sturm ernten...) Eine unchristliche oder anti-religiöse Haltung nimmt "Inherit the Wind" also keineswegs ein, es geht nicht um das Besiegen eines Gegners, sondern um eine Versöhnung mit dem Gegner.
Mit dem titelgebenden, versöhnlichen Bibel-Zitat wird also der Scopes Monkey Trial behandelt, der schon in der Realität damit endete, dass man die Kreationisten mit ihrer eigenen Waffe schlug und die Bibel gegen sie einsetzte. Auch hier nutzt Drummond Bradys Eitelkeit aus, um ihn als Bibel-Experten zu befragen – und dabei nicht bloß die wortwörtliche Auslegung der Bibel höchst absurd erscheinen zu lassen, sondern auch das Denken als göttliche Gabe zu verteidigen. Dennoch wird Cates schuldig gesprochen – vom Richter, der das Strafmaß nach eigenem Ermessen wählen darf, allerdings zu einer recht geringen Geldstrafe von 100 Dollar greift.
Aber so sehr Brady als reichlich selbstgefälliger, etwas autoritärer Mensch geschildert wird, der sich gerne als fromme, bibelfeste Vorbild-Figur bewundern lässt (als Genussmensch gewissermaßen, der auch ständig Hähnchenschenkel, Nüsse und ganze Festmahlzeiten verschlingt, während Drummond aufgrund seiner Gallenstein-Probleme als ein Mann des – aufgezwungenen – Verzichts geschildert wird), so nimmt "Inherit the Wind" ihn doch in Schutz: Drummond verteidigt Brady gegen den einsamen, an nichts & niemanden glaubenden Hornbeck – und ist hierin als Verteidiger des Kreationisten tatsächlich jener Advocatus Diaboli, als welcher er von aufgebrachten Kreationisten bei seiner Einreise zu Beginn 'begrüßt' worden ist! –, Mrs. Brady verteidigt ihn gegen die aufgebrachte Rachel, die Brady gegenüber etwas blauäugig von Cates Privatleben gesprochen hatte und etwas später von ihm im Zeugenstand zur Aussage gegen ihren Geliebten gedrängt worden war. Mrs. Brady betont, dass ihr Gatte – auch wenn er gelegentlich einmal irre – immer den Mut besessen habe, für seine Ideen einzutreten, im festen Glauben, den Menschen damit zu helfen; Drummond geht noch weiter: Brady sei auf seine Weise ein großer Mann gewesen und habe Gott einfach bloß zu weit oben und zu fern von den Menschen gesucht.
Und Kramer zeigt Brady in seinen intimeren Momenten als einen Mann, der auf die Bestätigung durch andere angewiesen ist, als verletzlichen Menschen, der teilweise gar nicht bemerkt, dass er andere Mitmenschen bisweilen unglücklich macht. Brady zeigt sich kurzzeitig sogar einsichtig, wenn seine Frau ihn belehrt, dass er nicht Gott ein Denkmal für jedermann setzen könne, sondern bloß für sich selbst: Am Ende rafft ihn ein Herzinfarkt hinweg, als er der ihn kaum noch beachtenden Menge nach dem für ihn unzufriedenstellenden Gerichtsurteil eine Predigt halten will. Dass Brady den ihm so wichtigen Glauben gegen das freie Denken ausspielen wollte – anstatt beides in Einklang miteinander zu bringen –, um sich stets auf den Rückhalt einer gläubigen Mehrheit zu verlassen, für welche die Richtigkeit der eigenen Meinungen ganz selbstverständlich ist und nicht belegt zu werden braucht, wurde ihm letztlich zum Verhängnis... (auch William Jennings Bryan starb seinerzeit kurz nach dem Scopes Monkey Trial – an gebrochenem Herzen oder überfressenem Magen, wie man damals je nach eigenem Standpunkt munkelte. "Inherit the Wind" spitzt bloß den Todeszeitpunkt noch ein wenig zu – und legt den boshaften Hinweis, Bryan/Brady habe sich regelrecht zu Tode gefressen, nicht Darrow/Drummond, sondern Mencken/Hornbeck in den Mund: schon diese kleine Verschiebung ist charakteristisch für den humanen Versöhnungsgedanken des Films, der vor allem Drummond in den Mund gelegt wird, derweil der lästernde, zynische Hornbeck letztlich als bemitleidenswerter Mensch, welchen Drummond ansatzweise zur Einsicht bringen kann, geschildert wird.)
Auch Drummond ist kein strahlender Sieger: Mehrfach agiert der gallensteingeplagte Anwalt arg brummelig, bisweilen platzt ihm der Kragen und er wird beleidigend, aufbrausend und gefährdet dabei sogar das Schicksal seines Klienten. Aber er ist eigenen Fehlern gegenüber immerhin etwas einsichtiger als Brady: Wenn er die Einwohner allesamt wüst beschimpft und zwei von ihnen seine Kaution bezahlen, als der wegen Missachtung des Gerichts in Gewahrsam genommen werden soll, wirkt er durchaus leicht beschämt. In dieser Szene kommt dann wohl auch Drummonds Unvollkommenheit bestens zur Geltung. Und am Ende kostet das Erreichen seines Ziels dem aufgebrachten & enttäuschten Brady das Leben: Man kann nicht ganz & gar gewinnen, orakelte Drummond schon kurz nach seiner Ankunft gegenüber Hornbeck... und auch in seinem Plädoyer weist er immer wieder darauf hin, dass jeder Fortschritt immer auch seine Nachteile mit sich bringt.
Sie sind nicht einfach gut und böse, die Kontrahenten, die in der Filmmitte als ehemalige Freunde in der Nacht gemeinsam auf der Veranda sitzen, die beide viel für Mrs. Brady übrig haben... sogar die Besetzung unterstützt das noch: Fredric Marsh, der Mr. Jekyll & Dr. Hyde aus der bis heute maßgeblichen 1931er Verfilmung von Rouben Mamoulian, gibt Brady, während Drummond von Spencer Tracy gegeben wird, der in der – auf Mamoulians Verfilmung folgenden – 1941er Verfilmung Victor Flemings Jekyll & Hyde gegeben hat. Beide Gegenspieler in diesem Streit haben ihre guten und ihre schlechten Seiten und gleichen sich darin, auch wenn Drummond letztlich bedachter handelt.
"Inherit the Wind" – ein durchaus christlicher Film! – ist in seinen Abweichungen von der historischen Vorlage ein sehr humaner, sehr einfühlsamer Streifen, der bei aller Zurschaustellung der selbstgefälligen, einfältigen, unnachgiebigen und aggressiven Fundamentalisten auch ihre bisweilen wahrnehmbare Einsicht abbildet und zudem ihre Verzweiflung ernst nimmt, die aus der voranschreitenden Säkularisierung erwächst. Es ist auch ein Streifen, der die eigenen Vorurteile vor Augen führt: Wenn man die sportlichen Jungs, die sich Hornbeck & Drummond in den Weg stellen, zunächst sehr skeptisch beäugt, ehe diese sich als Schüler des inhaftierten Lehrers herausstellen, die Drummond bloß begrüßen und seinen Koffer zu seiner Unterkunft tragen wollen, dann wird man der eigenen Vorurteile ebenso gewahr wie in jenem Moment, in dem sich Einwohner der Stadt bereit erklären, leihweise Drummonds Kaution zu stellen.
Natürlich legt es die Inszenierung auch etwas manipulativ darauf an, dass diese Vorurteile in einem aufblühen; dennoch entstammen sie keinesfalls einzig & allein der Inszenierung, die gelegentlich etwas zu dick aufträgt. Insgesamt ist die Inszenierung aber von ziemlich beachtlicher Qualität: Immer wieder erweist sich die cadrage als penibel ausgearbeitet – Vorder- & Hintergrund werden bisweilen fast so offensiv ausgenutzt wie bei Welles oder Wyler, wobei Kramer seinen Figuren jede einzelne, kleine Bewegung haargenau vorgibt; mal ist Spencer Tracy links unten im Bild in Großaufnahme zu sehen, derweil Gene Kelly in der Ferne hinter ihm agiert, mal ist es genau andersherum; mal befindet sich Claude Akins' Gesicht im Vordergrund, während in der anderen Hälfte des Bildes Donna Anderson als seine Tochter Rachel agiert; mal umringen neun Leute eine Zeitung, bleiben stocksteif dabei, bis jeweils ein anderer das Wort ergreift und sich die Haltung der Köpfe jedes Mal wieder ein wenig verändert; immer wieder: Gesichter im Vordergrund, in denen eine ganz penibel einstudierte Mimik jede Gefühlsregung detailliert zum Ausdruck bringt, während von den im Hintergrund agierenden Figuren Vorwürfe oder Ratschläge auf sie einprasseln. Man kennt das beispielsweise aus jener hochdramatischen Szene einer zerbrechenden Freundschaft in "Citizen Kane" (1941), in der Welles im Vordergrund an der Schreibmaschine hockt, während hinter ihm Joseph Cotten den Raum betritt: Doch was bei Welles – der anders als Kramer auch an der Durchquerung der räumlichen Tiefe (durch Cotten) interessiert war! – trotz des komplizierten Aufbaus aufgrund des recht natürlichen Spiels der Darsteller durchaus noch natürlich wirkte, vermengt sich bei Kramer mit einer Stilisierung, wie man sie ein paar Jahre zuvor etwa in Agnes Vardas "La Pointe-courte" (1954) entdecken konnte – bezeichnenderweise ein früher Vorläufer der Nouvelle Vague! – oder wie sie kurz darauf in Resnais' "L'Année dernière à Marienbad" (1961) oder bei Ingmar Bergman auftauchen sollte... Die wie Spielfiguren angeordneten Figuren und ihre stilisierten Bewegungen und Blicke – häufig konzentriert an der Kamera vorbeilaufende Blicke ins Leere, die es dem Publikum ermöglichen, gewissermaßen in den Augen der Darstellern zu lesen, was auch dann noch der Fall ist, wenn eine Aufsicht auf den Gerichtssaal einen Deckenventilator im Vordergrund einfängt, unter welchem sich eine Gläubige angesichts der gerade verstorbenen Ikone Brady aufrichtet, nach oben blickt und ihre Gebete gen Himmel schickt! – zeugen von einem großen Interesse an den künstlerischen Möglichkeiten der Mise en image: Im Hollywood vor dem 1967 ausbrechenden New Hollywood versuchte man sich bisweilen daran, den rigorosen Gestaltungswillen von auteurs des klassischen Hollywood zu übernehmen und erzielte dabei ganz bewusst hochgradig artifizielle Ergebnisse, derweil man anderswo schon damit begonnen hatte, den Film seine eigene Künstlichkeit reflektieren zu lassen.[1]
Diese zweifellos als inszenatorischen Höhepunkte zu wertenden Szenen blitzen aber freilich nur hin und wieder einmal auf; es überwiegt eine routinierte, effektive, aber durchaus konventionelle Inszenierung, die unter anderem Oscar-Nominierungen für die beste Kamera und den besten Schnitt einbrachte: Kameramann Ernest Laszlo, der in den 50er Jahren vor allem unter Aldrich Erfolge feierte ("Kiss Me Deadly" (1955)), bliebt fortan an ein wichtiger Mitarbeiter Kramers; und auch der Cutter Frederic Knudtson zählte von "The Defiant Ones" bis "It's a Mad, Mad, Mad, Mad World" (1963) zu Kramers Stamm-Mitarbeitern, ehe er dann kurz darauf frühzeitig verstarb – gerade einmal 57jährig...
In jedem Falle liegt einem mit "Inherit the Wind" ein intensiv gespielter, großartig besetzter Klassiker vor, inszenatorisch deutlich über dem Durchschnitt, dramaturgisch stimmig und mit sinnvollen Abweichungen von der Realität durchsetzt, fair mit den sich streitenden Parteien umgehend: ein Film, der gläubigen Christen und agnostischen Verstandesmenschen gleichermaßen gefallen kann, sofern man sich den anderen Meinungen nicht grundsätzlich verschließt... Satte 8/10.
1.) Prägnant & nuanciert bewegte Gesichter ruhender Köpfe in extremer Großaufnahme als Spiegel der Seele, daneben handelnde oder sprechend auf sie einwirkende Figuren im Hintergrund: Das ist gewissermaßen eine essentielle 60er Jahre-Ästhetik, die auf Welles & Wyler zurückgreift und moderne Verfremdungs- & Überstilisierungs-Effekte teilweise vorwegnimmt, teilweise aufgreift: Penns "The Miracle Worker" (1962) ist ein beeindruckendes Beispiel dafür. Kramer, dessen "Inherit the Wind" bloß vergleichsweise selten solche inszenatorischen Höhepunkte einbaut, hat auch zuvor und danach in "On the Beach" oder "Judgment at Nuremberg" ähnliche, wenngleich weit weniger eindrückliche Momente eingebaut. Frankenheimer lieferte sie in "Seconds" (1966). Auch der New Yorker Filmemacher Sidney Lumet, der in "12 Angry Man" (1957) bloß sehr selten davon Gebrauch macht, nutzt solche Effekte in den 60er Jahren mit großem Erfolg, was vor allem auch für Ingmar Bergman gilt...