Review

Einmal aus dem großen Topf des Zitatepotpourri schöpfen und es sich vor dem flackernden Lagerfeuer der Filmgeschichte gemütlich machen, das wünscht sich wohl jeder Filmfan und nicht selten auch so mancher Regisseur und Großbrittaniens wohl fan-affinster Genreregisseur Neil Marshall hatte nach seinem überraschend-überragenden „The Descent“ mit „Doomsday“ dann endlich mal carte blanche.

Die plötzlichen Möglichkeiten nutzte er dann zu etwas, worauf B-Filmfans schon lange hoffen: endlich den Carpenter-Film zu drehen, zu dem der Meister wohl nicht mehr imstande ist oder keine Lust mehr hat.
Das bedeutet, es ohne Rücksicht auf Verluste, auf Genreregeln und political correctness einfach mal krachen zu lassen, ein Spektakel auszuleuchten und das noch dazu mit reichlich Oktan, Gewalt und guter Laune.

Wer durch den Plot-Entwurf streift, erkennt so manche Zeichen an der Wand wieder: Virusausbruch auf der Insel, alle tendenziell Infizierten werden nach Schottland gekarrt und der Hadrianswall als Ausschlußmauer neu umfunktioniert, bis 27 Jahre später die Seuche heimkehrt. Die Politiker sind zwar alle Dreckssäcke, aber ein Team von Spezialisten mit einer harten Frau an der Spitze wird den Dreck schon durchwühlen auf der Suche nach dem Heilmittel, denn in Schottland regt sich doch noch was auf den Straßen. Sie hat zwar nur ein Auge (aha!) und nur 36 Stunden Zeit (oho!) und in Glasgow krauchen gesetz- und morallose Menschenfresser (soso!), aber das machen wir schon mit Entschlußkraft und Firepower...

Man braucht eigentlich nicht mehr sagen, es ist allgemein offensichtlich, daß hier im Wesentlichen Carpenters „Escape from New York/Die Klapperschlange“ und „Mad Max“ ausgebeutet oder parodiert oder zitiert oder alles zusammen werden. Nebenbei gibt’s noch reichlich Anklänge an andere Filme, vom Zombiestreifen über „Aliens“ bis zum soliden Rittersmann/Robin-Hood-Film und alles wird kunterbunt aneinander montiert.

Mann kann sich jetzt als Fan darüber einen gaaaaaaanz großen Keks freuen, weil Marshall so umwerfend subversiv in der Filmgeschichte klaut, man könnte aber auch meckern, weil er offenbar überhaupt keine eigenen Ideen hat.
So munter man die einzelnen Filmzitate aneinander klebt, so wenig überraschend sind die auch, mal abgesehen von einem recht gesunden Blut- und Gewaltlevel, der von Köpfungen, Zerquetschungen über Kannibalismus mit zum Virenopfergematsche reichen. Ach ja, erschossen wird auch reihenweise und ohne Pause.

Ich gebe zu, anfangs macht das noch Spaß, auch wenn Rhona Mitras Versuch, auf „Dirty Snake Harriet“ zu machen, wohl nur den testosterongesteuerten Actionfan anmacht, schauspielerisch ist die Ärmste auf eindimensionale Mimik beschränkt und man spürt leider den Willen, sie zur „icon of cool“ zu machen, da hilft das dauernde Gequarze auch nicht viel weiter.
Doch nach einer Weile weiß man eben schon immer vorher was passiert und die andauernden doofen Logikfehler, auf die Marshall wohl gepfiffen hat, ärgern selbst den Genrefan.

Das fängt schon zu Beginn an, wenn man die möglichen Infizierten nach Schottland abschiebt, wobei nie so ganz klar wird, nach welchen Auswahlkriterien das geschieht und was man mit den Schotten gemacht hat (das ist aber mit britischem Humor noch zu erklären).
Später geht’s dann öfters darum, daß ja sowohl Infrastruktur wie auch Strom usw. alles nicht mehr aktiv sind (nach 27 Jahren ohne Wartung sicher verständlich), jedoch funktionieren Straßenleuchtzeichen, haben die Kannibalenpunks ohne Ende Benzin für ihre Wagen und auch sonst dröhnt der Sound und leuchten die Lichter.
Unlogisch auch, daß in Glasgow arme Besucher gemeuchelt und gebraten werden, damit die hungrigen Massen was zu knabbern haben. Da fragt man sich, was die in 27 Jahren vorher gemampft haben (weil ja sonst niemand kam) und wenn sich selbst, warum dann noch so viele da sind.
Und wieso fressen die überhaupt Menschen, wenn kurz zuvor der Panzerwagen in einem Millionen-Meer von grasenden Kühen stehen?

Auch sonst bleibt leider vieles viel zu unterentwickelt in diesem Film: eine Dampflok, die noch funktioniert; exstatische Killerpunks, die sich hordenweise jodelnd in die Schußbahn werfen; ein Militärfahrer, der eine Infizierte sieht und sofort die Autotüren öffnet; eine religiöse Gemeinde, die in einem schottischen Schloß residiert und statt auf Sekte auf alte Rittersleut macht (mit Malcolm McDowell als sinnlosen Salbaderer)?
Und keine zwei Kilometer entfernt steht doch glatt ein mehr als offensichtlicher alter Einlagerungsbunker, wo man im Notfall aaaaaaaalles findet, was man zur Flucht braucht, inclusive Energiesystem und einem (was macht das Teil in einem Bunker?) taufrischen, ungerosteten, vollgetankten (Schlüssel muß stecken) Porsche (oder was auch immer für ein Speedster – wir brauchen einfach einen Vorwand für die Rekapitulation des Schlußes von „Mad Max 2“), während draußen mit Pfeil und Bogen rumgerannt wird.
Man reißt also alles Mögliche an (müssen Endzeitkannibalen eigentlich immer wie Punks rumlaufen?) und bricht es dann wieder ab, auf daß der Action im Fluß sich nicht dran stört. Tut er vermutlich auch nicht. Geschlossen ist das somit alles nicht (etwa wie „Die Klapperschlange“, ein Meisterwerk an Geschlossenheit, allein aufgrund des hier total unwichtigen Zeitlimits), sondern streckenweise einfach nachlässig oder gedankenlos vorpreschend.

So ist „Doomsday“ einfach ein extravaganter Spielkasten für Marshall, der sich zwar dankbar an einem 30-Mio.-Budget ausgetobt hat, der aber sonst nur wenige Leute dafür erwärmen konnte, bis die Kernzielgruppe erst auf DVD die Investitionen wieder ausgleicht.
Es ist eine Verbeugung vor Carpenter und Miller (zwei Marines tragen dann auch den Namen im Film) und kann durchaus auch Spaß machen, aber wahre Größe erlangt man damit nicht.
Und eine pfiffige Idee, wenigstens eine, so wie in „Dog Soldiers“ und „Descent“ kann ich hier auch nicht finden – Neil Marshall wird sich wieder konzentrieren müssen. (4/10)

Details
Ähnliche Filme