Das Thema der Projektwoche der Abiturklasse heißt „Autokratie“, und der Ex-Hausbesetzer und jetzige Lehrer Rainer hat sich nach anfänglichem Widerwillen etwas einfallen lassen. Ausgehend von der These „Das kann in Deutschland heute nicht mehr passieren“ schafft er es innert kürzester Zeit, aus einem Haufen typischer Jugendlicher in Jeans, Tank Tops und Lederjacken einen verschworenen Haufen gemeinschaftlich denkender Gleichschrittläufer zu machen. Man denkt als Gemeinschaft, man handelt als Gemeinschaft, und wer sich anders anzieht darf nicht mehr in die Schule oder wird gleich ganz ausgegrenzt. Zu spät erkennt Rainer, dass die Jugendlichen aus der Projektwoche eine Bewegung machen, und die Mechanismen einer Autokratie bereitwillig und dankbar übernehmen – und anwenden …
„Das kann in Deutschland heute nicht mehr passieren, dafür sind wir viel zu aufgeklärt.“ Ja scheisse, so sieht es aus! Im Gleichschritt marschieren eint, eine gemeinsame Kleidung schweißt zusammen, und ein gemeinsames Symbol formt eine verschworene Gemeinschaft. Das war wahrscheinlich in der Steinzeit schon so, das war im Dritten Reich so, und das ist auch heute noch so. Oder ist die Lederjacke keine Uniform die zeigt, dass man „dazu“ gehört?
Die Mechanismen sind so einfach, so unauffällig, und sie schließen einen „modernen“ und mit Internet und Rap-Musik verbundenen Lebensstil nicht aus. Ganz im Gegenteil, das Internet hilft sogar totalitäre Strukturen zu erschaffen (wenn das die Trumps und Salvinis dieser Welt erst einmal lernen …). Gansel zeigt, ausgehend vom 1967 in Kalifornien durchgeführten Milgram-Experiment, wie schnell und mit wie einfachen Mitteln diktatorische Strukturen etabliert werden können, und wie begeistert die Menschen diese Strukturen selber anwenden. Auch wenn ein Film naturgemäß vereinfachen muss, indem zum Beispiel eine Gruppe Menschen durch einen einzigen Schüler dargestellt wird (da gibt es den Opportunisten, den Begeisterten der endlich einen Lebensinhalt gefunden hat, den Fremdländischen der endlich dazugehört, und natürlich auch die Sophie Scholl mit den Flugblättern), ist die Geschichte doch erschreckend nah an der Realität. Und wenn Jürgen Vogel am Ende, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, bis starrem Blick und lauter aggressiver Stimme fordert, „den Verräter nach vorne zu führen“, dann wird dem Zuschauer Angst und Bange beim Blick aus dem Fenster (oder richtiger in die Nachrichtensendung). Langsam und gründlich erzählt, ist dies definitiv kein Film zum Wohlfühlen, sondern zum Nachdenken und Verinnerlichen. Wehret den Anfängen!