Ist eine faschistische Diktatur in Deutschland heute noch möglich? "Nein, dafür sind wir viel zu aufgeklärt.", meint die Klasse des Lehrers Rainer Wenger in der Projektwoche. Rainer, selbst ein geistiges Kind der 68er-Generation, ist beunruhigt über die Sorglosigkeit seiner Schüler in dieser Frage und beginnt ein Experiment. Erst werden die üblichen Cliquen aufgebrochen, dann kommt ein Name für die Bewegung, ein weißes Hemd als Uniform, schließlich sogar ein Gruß. Die Schüler machen bereitwillig mit, denn für viele bedeutet "Die Welle" endlich Zugehörigkeit; sei es der Außenseiter Tim, der Sportler Marco, der aus einer zerrütteten Familie kommt oder Jens, der zwar alles Materielle besitzt aber keinen Sinn in seinem Dasein sieht. Die einzige, die merkt, wie sich "Die Welle" immer mehr verselbstständigt, ist Karo, doch als sie Rainer endlich überzeugen kann, dass ihm die Kontrolle zusehends entgleitet, ist es schon zu spät.
"Die Welle" greift ein überaus wichtiges Thema auf und schafft es, die eingangs gestellte Frage überzeugend auf den heutigen Schulalltag zu übertragen. Die Charaktere sind dabei mehr als Typen zu sehen, stehen also sinnbildlich für bestimmte Schülergruppen; die Dialoge und Darsteller sind dabei absolut hervorragend, vor allem Jürgen Vogel spielt seine Rolle toll, und tragen viel zur Authentizität des Films bei. Die Orientierungslosigkeit vieler Jugendlicher wird deutlich herauskristallisiert und zeigt, wie ein Nährboden für Faschismus entsteht. Die Figur des Tim ist leider überzogen, genau wie das schockierende Ende, doch seine Wirkung, nämlich den Zuschauer zum Nachdenken anzuregen, verfehlt dieser toll gefilmte und geschnittene Film nicht. So muss deutsches Kino sein.
9,5/10