Review

Heute hatte ich Gelegenheit eine alte Erinnerung aus Schultagen wieder auszugraben. Die meisten Menschen in meinem Alter hatten während der Schulzeit irgendwann einmal Gelegenheit, den Kurzfilm „Die Welle“ zu sehen, eine amerikanische Produktion. So auch ich, und ich muss ehrlich gestehen: Im Gegensatz zu dem meisten Material, dass man als Schüler in Bezug auf Nationalismus, Diktatur und Drittes Reich gerade zu hineingestopft bekommt (vielleicht von der Schachnovelle mal abgesehen), blieb dieser Film damals in meinem Gedächtnis haften. Sprich: Allein der Film vermittelte den Schülern mehr Werte und brachte Sie eher zum Nachdenken als das jahrelange Anti-Nazi Geplärre.


So geht es also um ein gewichtiges Erbe – eine Neuverfilmung von „Die Welle“, gerade auf deutschem Grund, muss diesem Erbe erst einmal gerecht werden, ohne aufgesetzt zu wirken, bzw. ohne den berüchtigten erhobenen Zeigefinger zu bringen.
Mal von vorne: Es geht um eine typische Abiturientenklasse in Berlin. Also Schüler unterschiedlichster Herkunft und aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die – teilweise in Cliquen, teilweise für sich allein – dem Abschluss entgegenfiebern und sich von der anstehenden Politprojektwoche einfach nur eine ruhige Kugel versprechen.


Herr Wenger, seinerseits ein etwas rebellischer Lehrer mit klaren anarchistischen Tendenzen bekommt (an für sich gegen seinen Willen) das Thema Autokratie aufgedrückt, dass er nun im Rahmen der Projektwoche durchnehmen soll. Als dann einer der Schüler verlautbart, dass eine Diktatur (also ein autokratisches System) in Deutschland heutzutage gar nicht mehr möglich sei, wird von Herr Wenger ein Experiment gestartet, in dessen Rahmen der zusammen gewürfelten Klasse eine einheitliche Kleidung, eine gewisse Disziplin, so wie ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl vermittelt werden soll.


Dies fruchtet besser als erwartet und schnell entwickelt sich „Die Welle“, wie die Klasse sich und die Bewegung nennt, zu einem Selbstläufer der sich immer mehr der Kontrolle Herr Wengers entzieht. Zuerst noch skeptisch, kommen schnell Stolz und Freude obgleich der besseren Arbeitsmoral der Klasse auf, später jedoch quälen in Zweifel am Experiment.


Schauspielerisch ist das ganze sehr gut gelungen. Alle Darsteller wirken authentisch (mal von der rothaarigen Klassenstreberin abgesehen, die eigentlich den ganzen Film über unnahbar und giftig zu sein scheint), und spielen durchaus auf hohem Niveau. Ganz vorneweg Vogel als anarchistisch angehauchter Lehrer und Rebell.


In Sachen Technik, Kamera und Schnitt ist das ganze doch recht bodenständig gehalten. Die Herren waren sichtlich bemüht, eine realistische Darstellung des heutigen Schulalltags in Großstädten darzubieten. Wenn tatsächlich mal Action aufkommt, dann wird dies durch eine hektische Wackelkamera in Szene gesetzt. Obwohl ich kein Freund von verwackelten Bildern bin, muss ich sagen, dass es hier nicht übertrieben oder aufgesetzt wirkt und deswegen doch wesentlich zur Stimmung beiträgt.


Woran liegt es dann, dass der Film nicht wirklich zündet und sich in die obere Liga katapultiert? Es ist der Umstand, dass im Film doch z. T. sehr polemisch argumentiert wird. Diskussionspunkte werden schnell vereinfacht, um den Fluss des Films zu erhalten, auf der anderen Seite werden bestimmte Dinge wie z. B. die Liebesbeziehung zwischen Klassenstreberin und Durchschnittswellemitglied etwas zu sehr ins Detail geführt.
Was mich auch noch gestört hat, war das etwas merkwürdige Ende, das sich vom Original wesentlich abhebt.

Im Gegensatz zum Film selbst spart hier der Film mit Worten und lässt den Zuschauer mit seinen Gedanken allein. Hier hatte ich das Gefühl, man möchte auf Teufel komm raus am Schluss noch einen Schocker einbauen, bzw. gleichzeitig auf das aktuelle Geschehen (Erfurt) hinweisen. Man hat hier einen Brückenschlag versucht, der in dieser Form dem Film nicht wirklich gut getan hat.

Trotzdem gehört der Film zu den besseren deutschen Werken, und auch wenn er (trotz einer Spielzeit von 90 Minuten) einige Längen besitzt, ist er jedem, der sich für dieses Thema interessiert, oder wen das Thema im Allgemeinen in der Schule wegen des Dauerbombardements annervt, durchaus zu empfehlen. Wenn man die Story noch nicht kennt, dann ist ein bleibender Eindruck garantiert.


Ich schwankte zwischen einer 7 und einem 8, wobei ich mich schliesslich für die 7 entschied, denn zu wirklichem Klassekino fehlte noch eine Spur mehr Spannung und ein paar Darsteller, die auf dem gleichem Level wie Herr Jürgen Vogel schauspielern können.

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